Alina Widenmann ist eine absolute Rarität: Sie steht nicht nur als Spielerin auf dem Fußballplatz, sondern auch als Schiedsrichterin. Seit ihrem vierzehnten Lebensjahr pfeift sie Begegnungen im Kreis Neuss-Grevenbroich. Über das aussterbende Schiedsrichter-Wesen, wütende Trainer und „Flirtattacken“ sprach sie mit f1rstlife. Von Linda Kleine-Nathland.

Immer weniger junge Leute wollen Schiedsrichter werden oder geben schnell auf. Kannst Du das nachvollziehen?
Dass man nach kurzer Zeit wieder aufhört, kann ich gut verstehen. Viele negative Schlagzeilen belagern die Medien. Auch ich wurde nach meinem ersten Spiel negativ von dem Trainer angesprochen, dessen Mannschaft verloren hatte. Sicher habe ich im ersten Spiel einige Male das Abseits übersehen, jedoch muss man ein 14-jähriges junges Mädchen, das gleichaltrige Jungs zum ersten Mal pfeift, deswegen nicht bedrohen.
Aber Du hast trotzdem weitergemacht…
Meine Freunde, die bei diesem Spiel dabei waren, haben mich aufgebaut und mir gesagt, dass es besser wird. Ich habe dann mit etwas jüngeren Mannschaften weiter gemacht und gemerkt, dass mein Selbstbewusstsein definitiv gewachsen ist.
Du trainierst eine Jugendmannschaft, spielst selber Fußball. Da regst Du Dich doch sicher schonmal über die Schiedsrichter auf, oder?
Natürlich regt man sich manchmal auf, obwohl ich meinen Mädels beigebracht habe, dass man das eigentlich nicht machen sollte. Auch als Spielerin bin ich natürlich nicht immer mit den Entscheidungen der Unparteiischen zufrieden. Wir spielen leider nur in der Kreisliga A und somit kommen häufig ältere Schiedsrichter zu uns, die nicht mehr richtig laufen, gucken und hören können – das Gefühl habe ich zumindest.
Schaust Du als Schiedsrichterin Fußball anders als Andere?
Ich muss sagen, dass ich wirklich häufig noch vor dem Pfiff sage, dass das Abseits ist. Wenn man seit so langer Zeit pfeift, ist das einfach im Kopf drin. Allerdings bin ich bei Spielen von Schalke und Fortuna natürlich immer auf der Seite der Mannschaft. Dass Fortuna abgestiegen ist, habe ich auch damit begründet, dass einfach einige Elfmeter nicht gegeben wurden. Man regt sich schon auf, wenn man eingefleischter Fan ist. Ein Schiedsrichter, der wirklicher Fan ist und was anderes behauptet, der sagt sicher nicht ganz die Wahrheit!
Wirst Du als Frau von den Jungs und Männern in den Trikots akzeptiert?
Junioren denken am Anfang schon, sie könnten alles mit dir machen, da du ein Mädchen bist. Wenn sie dich sehen, ist das erste was du hörst: ‚Öhööö ein Mädchen pfeift‘. Die tanzen dir auch auf der Nase herum, wenn du dann nicht konsequent bist. Was ich immer mache, wenn ich diesen Kommentar höre: Ich zwinkere demjenigen zu. Spätestens auf dem Feld merkt er dann, dass das Mädchen ja eigentlich doch was kann. Nicht selten kommt danach genau dieser Spieler zu einem, gibt die Hand und sagt: ‚Gut gepfiffen‘. Senioren sind eher in Flirtlaune. Manche denken die ganze Zeit, dass sie coole Kommentare ablassen müssten. Auf dem Platz versuchen sie natürlich auch, uns Mädels herauszufordern. Wenn man dann mal eine freche Antwort gibt, ist das die richtige Lösung.
Sind Spiele von Damenmannschaften angenehmer zu pfeifen?
Nein, Damenspiele pfeife ich sehr ungern. Auf dem Feld herrscht meistens Rumgezicke und wenn jemand den anderen auch nur leicht berührt, wird sofort gemeckert. Ich finde aber, dass Körperkontakt dazu gehört und daher lasse ich einiges durchgehen. Jungs geben sich nach dem Spiel die Hand, auch wenn sie sich während des Spiels „voll in den Haaren“ hatten. Mädchen nehmen das persönlich und sind dann auch nach den 90 Minuten noch sauer.
Gab es Momente, in denen Du Dich bedroht gefühlt hast, weil Dir Spieler zu nahe gekommen sind oder der Trainer aufs Spielfeld gerannt ist?
Mein erstes Spiel als Schiedsrichterin war der absolute Horror! Der Trainer der Gastmannschaft ist nach dem Spiel in meine Kabine gekommen, um den Spielbericht zu unterschreiben und hat mich am Arm gepackt. Er hat irgendwas geschrien von wegen ‚jemand wie dich kann man doch nicht pfeifen lassen, so schlecht…‘. Zum Glück hat ihn der andere Trainer dann weggezogen. Ansonsten gab es natürlich auch schon mal während der Spiele Ausschreitungen. Manche Trainer sind so auf ihre Mannschaft fixiert, dass sie jeden Pfiff gegen sich als persönlichen Angriff sehen. Die fangen dann auch schonmal mächtig an rumzukeifen. Nach der zweiten Ermahnung schicke ich sie dann aber vom Platz, denn dieses Geschrei bringt nur Unruhe ins Spiel.
Jeder Mensch macht Fehler – als Schiedsrichter sollte man aber am besten erst gar keine machen. Stärkt dieser Druck den Charakter oder verleidet er eher das Hobby?
Man hat als Schiedsrichter immer Druck, aber genau das stärkt den Charakter. Denn, wenn du eine Situation, die etwas heikel ist, gelöst hast, dann fühlst du dich gut. Du lernst mit diesem Druck der Fehlerlosigkeit umzugehen und versuchst, Fehler so gut es geht zu vermeiden. Treten sie doch ein, machst du sie das nächste Mal eben besser. Man muss daraus lernen.
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