Die öffentliche Debatte um das Sexualstrafrecht pflastert den Weg zu einem neuen Bewusstsein für Frauenrechte in unserer Gesellschaft. Denn obwohl es einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung darstellt, hat das neue Gesetz auch seine Grenzen. Was gesetzlich nur schwierig geregelt werden kann, müssen wir – jeder Einzelne und alle zusammen – als Gesellschaft in Angriff nehmen. Ein Kommentar.
Nein heißt nun endlich nein, das hat der Bundestag Anfang Juli beschlossen. Dank des großen öffentlichen Drucks der Demonstrationen und Medien wurde das Sexualstrafrecht nun ans Zeitalter des einundzwanzigsten Jahrhunderts angeglichen – besser spät, als nie. Vor allem Frauenrechtler begrüßen diesen Schritt, doch Fachleute warnen, dass in vielen Situationen weiterhin Aussage gegen Aussage stehen wird. Und im Zweifel fällt das Urteil bekanntlich für den Angeklagten. Die Debatte ums Sexualstrafrecht scheint nun zunächst beschwichtigt. Das neue Gesetz ist ein wichtiger, aber nur der erste Schritt. Die rechtliche Lage ist schon bei einer Vergewaltigung häufig nicht eindeutig – doch wie steht es mit sexueller Belästigung? Warum muss ich als Frau nachts Angst haben, alleine nach Hause zu gehen? Warum beschleunige ich automatisch meinen Schritt und wechsle die Straßenseite, wenn ich an Männern vorbei gehe?
Sexuelle Belästigung bleibt ein Problem
Der französische Filmemacher Maxime Gaudet veröffentlichte kürzlich ein Video, das den nächtlichen Heimweg einer jungen Frau zeigt. Ein junger Mann spricht sie an, folgt ihr kurz und beschimpft sie, als sie nicht antwortet. Kurz darauf winkt er ab, sie ignoriert ihn und geht weiter. Es ist nichts passiert, eigentlich. Doch sie fühlt sich gehetzt, weicht anderen Fußgängern aus, richtet den Blick starr vor sich auf den Boden. Als sie in der Wohnung ihres Freundes ankommt, atmet sie tief durch und begrüßt ihn lächelnd. Es ist ja nichts passiert…
Fast jeder jungen Frau ergeht es ähnlich, wenn sie alleine nachts oder auch tagsüber unterwegs ist. Dass man auffällig angestarrt oder unangenehm angesprochen wird, kommt vor. Es wird auch gerne mal gepfiffen, gehupt und es werden vulgäre Gesten gemacht. Und es kommt auch vor, dass einem im Vorbeigehen mal über den Po gestrichen wird. Der „Täter“ geht oder fährt meist unerkannt weiter und ist schnell hinter der nächsten Ecke verschwunden. Sie dagegen bleibt zurück mit einem unwohlen Gefühl der Wut und Verzweiflung darüber, ungewollt zum Objekt der Begierde für einen Fremden geworden zu sein. Respektlos behandelt worden zu sein und nichts dagegen tun zu können. Denn es ist ja nichts passiert… eigentlich.
Was können wir tun?
Wer einmal in so eine Situation gekommen ist – und die meisten Frauen sind es – wird sich bemühen, dem künftig vorzubeugen. Nicht zu knapp anziehen, Blickkontakt meiden. Man will es ja schließlich nicht provozieren. Und wem es öfter passiert, wird sich ein dickes Fell zulegen und probieren, einfach nicht hinzuhören. Was soll man denn schon tun… es passiert ja eigentlich nichts.
Um solchen Vorfällen aber effektiv vorzubeugen, muss sich im Bewusstsein unserer Gesellschaft noch einiges ändern: Es gibt einen Unterschied zwischen einem freundlichen Kompliment und einer respektlosen Anmache. Dieser Unterschied wird wahrscheinlich niemals rechtlich festgelegt oder nachgewiesen werden können. Trotzdem sollten wir uns bewusst werden, dass nicht ein neues Gesetz, sondern einzig und allein die Einstellung eines jeden Einzelnen zu seinen Mitmenschen für einen respektvollen Umgang in unserer Gesellschaft sorgen kann. Erste Schritte dazu wären, die Augen aufzumachen, auf potentiell brenzlige Situationen in der eigenen Umgebung zu achten und von jeglichen Vorfällen zu berichten – und sei es nur dem Freund oder der Familie -, um jedermanns Bewusstsein für sexuelle Belästigung ein wenig zu schärfen.
Gefjon Off
Ein Kommentar zu diesem Thema von Barack Obama: http://www.glamour.com/story/glamour-exclusive-president-barack-obama-says-this-is-what-a-feminist-looks-like