Großfamilien sind heutzutage ein eher seltener Anblick. Nicht jeder könnte sich vorstellen, fünf Kinder großzuziehen. Wir haben mit Silvia aus Südtirol gesprochen und sie gefragt, wie sie diese Zeit erlebt hat. Warum von ihren Erfahrungen auch Paare profitieren können, die sich überhaupt erst an das Thema „Familienplanung“ heranwagen, erfahrt ihr hier.
Silvia, seitdem du in Südtirol lebst, bist du auch verheiratet. Das sind jetzt schon 40 Jahre! Inzwischen bist du nicht nur Mama von fünf erwachsenen Kindern (zwischen 27-39 Jahre), sondern auch stolze Oma zweier Enkelkinder (5 und 7 Jahre). Wie hast du es geschafft, jedes Kind wahrzunehmen und trotzdem auch außerhalb der eigenen Familie, Zeit für Menschen zu haben?
Für mich war die bewusste Entscheidung, für die Kinder da zu sein, ohne Aufsplittung mit einer Arbeitsstelle, eine Grundstimmung. Das bewusste Wahrnehmen ist gewachsen, von einem Kind zum anderen. Ich würde nicht sagen, dass man da ein Konzept braucht. Ich habe einfach jedes Kind als Geschenk gesehen und ich denke das bewusste „Ja“ zum Kind war eine gute Basis.
Es war nicht so, dass durch die Kinder sämtliche Beziehungen außerhalb der Familie zu kurz kamen. Es war immer eine tolle Gelegenheit, wenn man mit anderen Mamas oder ganzen Familien etwas unternehmen konnte. Vom Besuch – in unserem Fall oft aus Deutschland – bis hin zu ganzen Familienurlauben. So konnten wir doch trotz und vor allem mit unseren Kindern Beziehungen pflegen und gemeinsam Zeit verbringen.
Man könnte auch glauben, Du würdest für deine Kinder dein Leben zurückstellen, gerade auch in Bezug auf deine bewusste Entscheidung, in dieser Zeit nicht berufstätig zu sein. Hand aufs Herz: Ist das so?
Nein. 😊 Ich habe überhaupt nicht das Gefühl gehabt, dass ich irgendetwas zurückstellen musste. Es war für mich ein ständiges Gewinnen an Erfahrung und Lebensfreude – einfach auch etwas, das ich mir immer gewünscht hatte. Schon als junges Mädchen war für mich immer klar, dass ich gerne Kinder haben möchte. Nicht berufstätig zu sein, würde ich heute noch genauso machen, auch wenn mir bewusst ist, dass man finanziell eingeschränkter lebt als mit einem zweiten Verdienst. Ich dachte mir immer: „Uns wurden Kinder geschenkt, wir dürfen Familie sein – und das ist ja schon ein riesiger Reichtum an sich!“
Auch damals haben schon viele Frauen parallel gearbeitet und ich war froh, dass ich nicht arbeiten musste, dass ich einfach daheim sein durfte. Ich habe den Eindruck, andere hätten sich das vielleicht auch gewünscht… und ich glaube, dass sich das auch heute noch viele wünschen würden. Zudem stellt sich die Frage, ob es wirklich notwendig ist, den Kindern von Anfang an alles bieten zu müssen? Ich denke nicht, dass es schadet, ein Stück weit Verzicht zu üben. Ich glaube, das hängt mit dem Lebensstandard zusammen – wir hatten früher als Familie nicht so viel zur Verfügung. Durch unsere Aufgaben und die Arbeit in Südtirol waren da nie so große Wünsche und auch nicht das Gefühl, alles haben oder erlebt haben zu müssen. Es war eher ein bescheidener Rahmen.
Was war für dich besonders wertvoll am Alltag mit deinen Kindern?
Einfach Zeit zu haben, da zu sein – und – ich fand auch sehr wertvoll, dass durch die Kinder Beziehungen entstanden sind, die vorher nicht da waren. Wir bekamen Einblicke in andere Familien und es war für mich schön, mitzuerleben, wie sich die Kinder jeweils entwickelten. Auch in meiner späteren Aufgabe als Tagesmutter hat mich das immer wieder neu fasziniert. Dadurch wurde mir aber auch bewusst, dass es ein Riesengeschenk ist, wenn man die Erfolge und Fortschritte in den ganz alltäglichen Dingen miterleben kann – und ich durfte das erleben! 😊
Ich sehe das jetzt auch bei meinen Enkeln, wie großartig es ist, was man in Kinder alles hineinlegen und ihnen mitgeben kann. Dabei spielt die eigene Begeisterung fürs Leben eine entscheidende Rolle. Bin ich die, die immer nur jammert und die Arbeit und die Mühe sieht, oder sehe ich auch das Schöne am Leben? Wenn ich zum Beispiel ein Kind auf dem Arm habe, das sich an mich kuschelt und sagt „Ich hab dich so lieb!“ – berührt das mein Mutterherz! Besonders schön ist es aber auch, wenn die Kinder das noch sagen, wenn sie groß und erwachsen sind! 😊
Würdest du dich als „Powerfrau“ bezeichnen oder steckt einfach eine gute Planung und Struktur dahinter?
Ich habe mich nie als „Powerfrau“ gefühlt – es war für mich einfach normal, hier zu sein und meinen Alltag zu organisieren. Ich glaube, da kam mir meine Vergangenheit zugute, dass ich in einfachen Verhältnissen aufgewachsen bin. Wir hatten nie große Wohnungen und man musste immer alles organisieren, Raum schaffen, mit Geld umgehen – das war für mich nichts Neues.
Ein guter Start in die Familienzeit war für mich, dass ich aufgrund meiner Prägung wenig Ansprüche hatte und auch nicht das Gefühl, ich müsste eine große Strategie entwickeln. Das wuchs von einem Kind zum anderen und letztendlich war später durch Kindergarten und Schule schon ein Rahmen vorgegeben – alles Andere fügte sich von selbst und man wächst in die neuen Herausforderungen hinein. Natürlich kann man vieles selbst planen und gestalten.
Doch auch Gesundheit und Charakter von sich selbst und den Kindern sind natürlich ein Faktor. Wenn ich beispielsweise im Haushalt etwas zu tun hatte, war mir wichtig, dass die Kinder wissen, hier ist jetzt meine Aufgabe, aber ich bin jederzeit für sie da. Das bedeutete, achtsam und spontan zu sein, seine Arbeit auch mal zu unterbrechen, wenn die Kinder mich brauchten – das hat bei uns meistens gut funktioniert. Als Tagesmutter war es mir dann wichtig, dass diese Aufgabe auch in unseren Familienalltag passt. Ich habe die Kinder hauptsächlich am Vormittag betreut, um den Nachmittag für unsere Kinder frei zu haben.
Manch einer würde vielleicht sagen: “So viele Kinder, das kann man sich doch nicht leisten” – Was würdest du dazu sagen?
Wenn ich nur daran denke, was ein Kind kostet, dann wäre es besser, keine Kinder zu haben. Doch was es an Lebensqualität bedeutet, Kinder erleben und großziehen zu dürfen, diese Lebensfreude übersteigt weit alles Materielle! Letztendlich geht es um eine Grundentscheidung: Was verstehe ich unter „mir leisten können“? Muss ich dem Kind den Führerschein präsentieren und das neue Auto vor die Tür stellen oder gibt es Dinge, die sich Kinder auch selbst erarbeiten können? Bin ich auch mit Second-Hand Kleidung zufrieden? Unsere Kinder fanden es bis zu einem gewissen Alter immer cool, die Kleidung ihrer Cousins und Cousinen zu tragen – das hing aber auch damit zusammen, wie es ihnen vermittelt wurde. Statt: „Es tut mir leid, das ist leider nur gebraucht“ haben wir zum Beispiel gesagt: „Das hat schon die Tanja angehabt!“ – und das hat einen Unterschied gemacht.
Wenn es jedoch darum ging, dass die Kinder sich musikalisch oder sportlich betätigen wollten, sollte das Geld kein Hindernis sein. Das haben wir dann lieber woanders abgezwackt, wenn es möglich war. Es gibt ja auch viele Hilfen und Förderungen für Familien mit Kindern, die man gern in Anspruch nehmen darf und sich nicht dafür schämen muss. Ich erinnere mich, dass unser Ältester mit unserer Jüngsten (12 Jahre Altersunterschied) zusammen spielte und ich das als so wertvoll empfunden habe. Man lernt, aufeinander zu achten und die eigenen Interessen zurückzustecken – das macht fit fürs Leben!
Heute sind deine Kinder inzwischen alle aus dem Haus. Würdest du das Großziehen von fünf Kindern nochmal so machen?
Ich denke schon. Die Grundsteinstellung ist dieselbe geblieben. Als Wiederholung würde ich natürlich von der Erfahrung zehren. Denn es gab ja auch Schwachpunkte und Fehler, die passiert sind. Ich glaube aber, dass man das man nicht vermeiden kann und es oft erst im Rückblick erkennt. Ich lebte und lebe im Jetzt und das ist mir wichtig: den Augenblick genießen und nicht immer im Hinterkopf schon an das Nächste zu denken oder am Vergangenen zu hängen. Am besten freut man sich über die positiven Ereignisse, so zum Beispiel: „Wie schön, dass das Kind jetzt laufen lernt, die ersten Worte spricht usw.“ anstatt sich zu sorgen, wie wird es sein, wenn das Kind in die Schule kommt oder wie schlimm könnte die Pubertätszeit werden… oder umgekehrt: „Wie schön war das doch, als die Kinder klein waren…“
Hast Du auch negative Erfahrungen gemacht oder Kommentare erhalten, weil Du fünf Kinder hast?
Negativ würde ich nicht sagen, aber erstaunte Gesichter. Im Nachhinein überwiegt für mich aber viel Anerkennung und Bewunderung. Ich denke, es spielt eine Rolle, wie ich in der Öffentlichkeit auftrete: Bin ich eine stolze Mama, die sich freut über jedes Kind, oder sehe ich die Kinder als Last? „Da kommt die Mutter der Nation“, 😉 hat mal jemand zu mir gesagt. Oder ein netter Brasilianer, den einer unserer Söhne mit nach Hause brachte: „Du bist die Mama Oktopus – du hast so viele Hände!“ 😊
Was glaubst Du, hält junge Frauen/Paare heute von ihrem Kinderwunsch ab? Sind die Sorgen berechtigt?
Ich denke, es ist die Angst vor dem Kinderhaben und eine große Unsicherheit, gerade auch in der heutigen Zeit mit Corona etc. Ich glaube, es hängt manchmal mit der eigenen Vergangenheit zusammen und einem fehlenden Grund-Urvertrauen, dass man es schaffen kann. Selbst wenn jemand aus einfachen Verhältnissen stammt, heißt das ja nicht, dass man Kinder nicht positiv prägen kann und diese wiederum die Welt verändern können!
Was den Kinderwunsch auch in den Hintergrund treten lässt, ist oftmals der Druck der Berufstätigkeit, der mittlerweile noch viel größer ist als zu meiner Zeit. Es kommt, wie ich schon sagte, auf die Grundsatzentscheidung eines Paares an: Wollen wir Kinder? Wollen wir uns dieser Herausforderung stellen? Elternzeitsplitting ist heute ja auch eine Möglichkeit, die in vielen Berufen möglich ist.
Für mich persönlich hat der Glaube auch eine große Rolle gespielt! Bei Gott konnte und kann ich bis heute meine Sorgen abgeben, ihm vertrauen und immer wieder neue Kraft tanken.
Was würdest du jungen Paaren raten und mit auf den Weg geben wollen, die sich über Familienplanung Gedanken machen?
Hört auf eure Herzen, auf das, was euer Wunsch ist: Wollt ihr Kinder? Hinterfragt auch diesen Wunsch! Wieso? Es gibt Frauen, die Kinder wollen, nur um vor irgendetwas zu fliehen. Es sollten keine egoistischen Gründe sein. Aber: Kinder sind die Zukunft der Welt – das ist schon immer so gewesen. Ich denke, Kinder großzuziehen, ist etwas Wunderschönes, wenn man es selbst erleben darf.
Seid euch aber auch der Herausforderung der Erziehungsarbeit bewusst: Es ist eure Aufgabe als Eltern, die Kinder fit zu machen fürs Leben, auch wenn sich das zum Beispiel mit zwei Wickelkindern nicht so anfühlt und man sich vielleicht denkt: „Jetzt wird mir gerade alles zu viel.“ Wichtig ist die Zusammenarbeit in der Partnerschaft – wir wollten immer gemeinsam erziehen, auch wenn viele praktische Dinge bei mir, als Mama, lagen. Doch es wurde nie etwas vom anderen eingefordert. Habt einfach einen natürlichen und entspannten Umgang miteinander. Es muss nicht alles nach „Schema F“ verlaufen!
Für Frauen spielen Freundinnen und andere Mütter eine große Rolle. Tauscht euch aus, stellt Fragen, wie „Wie erlebst du das“? – und beobachtet, wie andere mit ihren Kindern umgehen. So entwickelt man ein Bewusstsein für das, was man gut findet und adaptieren möchte und was nicht, obwohl natürlich jede Familie ihren eigenen Weg finden muss. 😉 Eine Sache ist mir noch wichtig: Es kommt nicht darauf an, ob ich fünf Kinder habe oder „nur“ eines, denn jedes Kind ist einzigartig und wertvoll! Jeder Tag, den ich in ihr Leben investiere, wird zu einem Grundbaustein für sein zukünftiges Leben.
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