Durch die Übernahme der Herrschaft in Afghanistan durch die radikal-islamistischen Taliban befürchtet das päpstliche Hilfswerk „Kirche in Not“ einen erheblichen Rückschlag im Kampf für Menschenrechte. Allen voran sei mit erheblichen Eingriffen in die Religionsfreiheit zu rechnen. Ein Bericht von Benedikt Bögle.
München. Bilder aus Afghanistan halten dieser Tage die ganze Welt in Atem: Nachdem die Taliban die Kontrolle auch über die afghanische Hauptstadt Kabul gewonnen haben, bemühen sich zahlreiche Staaten, ihre Mitarbeiter und Ortskräfte aus dem Land zu evakuieren. Dabei wird gerade in Deutschland kritisiert, diese Maßnahmen kämen zu spät und griffen zu kurz. Währenddessen hat das päpstliche Hilfswerk „Kirche in Not“ eindringlich auf die Situation der Menschenrechte, allen voran der Religionsfreiheit, in Afghanistan aufmerksam gemacht.
Sorge: Einführung von Scharia-Recht
„Wir sind zutiefst schockiert und alarmiert über die Ereignisse in Afghanistan“, sagte Thomas Heine-Geldern, der geschäftsführende Präsident von „Kirche in Not“. Dabei verwies er auf die Herrschaft der Taliban von 1996 bis 2001; damals hatten die Islamisten die Scharia landesweit eingeführt. „Wir können auch jetzt damit rechnen, dass die Scharia wieder eingeführt, der sunnitische Islam zur offiziellen Religion erklärt wird und die in den vergangenen 20 Jahren hart erkämpften Freiheiten und Menschenrechte, einschließlich eines gewissen Maßes an Religionsfreiheit, wieder zurückgenommen werden“, so Heine-Geldern weiter.
Angriffe auf Gotteshäuser, religiöse Anführer und Gläubige
Dies würde zur Gefahr für alle Bewohnerinnen und Bewohner Afghanistans, die sich nicht den extremistischen Ansichten der Taliban anschließen – dies betreffe Christen, schiitische Muslime, aber auch gemäßigte sunnitische Muslime und weitere religiöse Minderheiten. „Dies ist ein großer Rückschlag für die Menschenrechte und insbesondere für die Religionsfreiheit in Afghanistan“, sagt Thomas Heine-Geldern weiter. Bereits im April hatte das Hilfswerk „Kirche in Not“ auf die ernste Lage in Afghanistan hingewiesen: In seinem Bericht „Religionsfreiheit weltweit“ hatte das päpstliche Hilfswerk eine Verschlechterung der Lage in Afghanistan deutlich gemacht und über Angriffe auf Gotteshäuser, religiöse Führer und Gläubige berichtet.
„Nicht viel Raum für Hoffnung“
„Unsere Analyse lässt leider nicht viel Raum für Hoffnung. Alle Bewohner Afghanistans, die sich nicht den extremen islamistischen Ansichten der Taliban anschließen, sind in Gefahr“, so Thomas Heine-Geldern. „Kirche in Not“ befürchtet aber darüber hinaus auch Signalwirkungen für andere Staaten der Welt und warnt daher eingehend vor einer Anerkennung der Herrschaft der Taliban: „Die internationale Anerkennung der Taliban wird außerdem wie ein Magnet auf kleinere radikal-islamistische Gruppen wirken und eine neue Konstellation religiös motivierter terroristischer Gruppierungen schaffen, die historische Organisationen wie Al-Kaida und den sogenannten Islamischen Staat verdrängen könnten.“
Zu den dahin gehend problematischen Gebieten rechnet „Kirche in Not“ Pakistan, die palästinensischen Autonomiegebiete sowie die Provinz Idlib in Syrien. „Die Lage der Christen und der anderen religiösen Minderheiten, die ohnehin schon unterdrückt werden, wird sich dort noch weiter verschlechtern“, so Thomas Heine-Geldern.
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