Drei f1rstlife-Redakteure trafen den Bischof von Limburg, Dr. Franz-Peter Tebartz-van Elst, zu einem exklusiven Gespräch. Wie prägend ist die Heimat? Wie entdecke ich als junger Mensch meine Berufung? Professor oder Bischof – was ist besser? Um das und vieles mehr geht es im ersten Teil des Interviews.
Lieber Herr Bischof Dr. Tebartz-van Elst, Sie stammen aus dem berühmten Wallfahrtsort Kevelaer am Niederrhein. Inwiefern prägt Sie Ihre Herkunft?
Heimat ist immer prägend, im Glauben wie im Leben. In meiner Kindheit habe ich in meiner Heimat erlebt, dass der Glaube anschaulich ist; dass er konkret wird im Mitleben in der Familie, wo das Kirchenjahr eine große Rolle spielte und der Glaube auch in der Gestaltung der Feste seinen Ausdruck gefunden hat – etwa durch die Prozessionen, die wir von meiner Heimatgemeinde aus unternommen haben oder im Erleben der großen feierlichen Gottesdienste in Kevelaer. Es kamen Pilgerinnen und Pilger aus vielen Ländern. Das hat etwas von der Weite des Katholischen, von der Faszination, dass wir eine Menschheitsfamilie über nationale Grenzen hinweg sind. Dort habe ich schon als kleiner Junge Weltkirche erlebt.
Was waren die entscheidenden Wegmarken hin bis zu Ihrer Priesterweihe?
Es war zunächst einmal das Elternhaus, das mich geprägt hat, der gelebte Glaube meiner Großeltern und Eltern. Vor allem die selbstverständliche Zuversicht, dass Gott uns auch in schwierigen Zeiten des Lebens trägt, dass wir nicht allein sind, dass unsere Nöte und unseren Freuden einen Adressaten haben, dass wir uns vertrauensvoll und dankbar an Gott wenden können. Es waren dann auch andere, die mir Signale im Glauben gegeben haben. Mein Heimatpfarrer etwa hat erkannt, dass ich gerne Ministrant war. Dann war es sicher der Religionsunterricht vor allem in der Oberstufe, wo wir wirklich Theologie gemacht, unternommen und gelesen haben. Mein Religionsunterricht war richtiger konfessioneller Religionsunterricht und keine Sozialkunde. Als Jugendlicher habe ich außerdem die religiöse Arbeit um die Schule herum erlebt. Wir haben in den Ferien Fahrten unternommen: nach Taizé, Assisi, Rom und Lourdes. Auch das waren prägende Erfahrungen von Weltkirche, die mir in einem anderen Kontext gezeigt haben, was Kirche ist: dass sie jung ist, dass sie lebt, dass in verschiedenen Spiritualitäten doch eine erfahrbare Einheit ist. Wenn ich heute in Rom bin, erlebe ich das immer wieder: Von dort aus betrachtet wirkt die deutsche Kirche doch marginal im Vergleich zu der Vitalität, die sie weltweit hat. Das alles sind Dinge, die mich sehr geprägt und bewegt haben, mich immer tiefer auf Gottes Ruf einzulassen.
Auch heute sind viele junge Menschen auf der Suche, tun sich aber schwer, ihren Weg, ihre Berufung zu entdecken. Haben Sie hier Ratschläge?
Ich weiß noch, dass meine Großeltern sagten, man könne viele Berufe im Leben erlernen, aber für den Priester reicht das nicht, da muss man berufen sein – so dass ich als Kind immer gedacht habe, berufen sind andere. Als ich dann im jugendlichen Alter den guten Religionsunterricht und die gute spirituelle Jugendarbeit erleben konnte, kam die Frage nach der Berufung zum Priester. Traut Gott Dir das zu? Ruft er Dich? Spricht er Dich an? Entscheidend ist das Gebet: Das ist der Weg, über den sich Berufung klärt. Und dann ist es wichtig, darüber im Gespräch zu bleiben: Glaube braucht Gebet, Gespräch, Gemeinschaft. Das sind die drei wesentlichen Erfahrungen, die helfen, in der Berufung immer mehr Klarheit zu gewinnen und dann auch dafür einzustehen.
Vor etwa zehn Jahren wurden Sie als Professor für Pastoraltheologie und Liturgiewissenschaft nach Passau berufen. Wären Sie heute manchmal lieber Professor geblieben?
Ich war nur 1,5 Jahre in Passau, aber ich habe mich dort von Anfang an sehr wohl gefühlt, nicht zuletzt aufgrund der großen Gastfreundschaft. Es war für mich eine ausdrücklich von Gott gesegnete Zeit. Ich habe in den Vorlesungen erfahren dürfen, dass eine Generation nachkommt, die viel stärker die Frage stellt „Wie kann Kirche missionarisch werden?“ und sich nicht an Themen der 68er-Generation abarbeitet. Das war für mich eine beflügelnde Erfahrung. Ich hatte gerade den letzten Karton ausgepackt, als dann der Ruf kam, als Weihbischof in mein Heimatbistum Münster zurückzukehren. Ich habe mich damals über das Vertrauen des Heiligen Vaters sehr gefreut und bin gerne an die neue Aufgabe herangegangen. Ich sehe aber auch, dass mit der Berufung ins Bischofsamt eine andere Form der Verbindlichkeit gegeben ist, die eine besondere Nähe zum Herrn bringt und auch stärker auf das Kreuz verweist. Als Professor können sie vieles vorschlagen und vertreten, aber gestalten kann man in dem Sinne nicht so. Das kann man im bischöflichen Dienst mehr. Man ist näher an der Praxis, an der Seelsorge, an der Gestaltung des kirchlichen Lebens. Es fordert auch anders heraus und es fordert anders ein. Es ist ein Dienst mit Haut und Haaren, mit allen Kräften des Leibes und der Seele.
Sie sind seit fast fünf Jahren Bischof von Limburg. Von Anfang an haben Sie aus dem Bistum auch Gegenwind erfahren. Woran liegt das?
Ich glaube, dass wir in der Kirche wie in der Gesellschaft vor einem großen Umbruch stehen. Da ist es verständlich, dass die Menschen in ihrem Alltag möchten, dass alles so bleibt, wie es ist – gerade in einer sich ständig verändernden Welt. Als ich mein Amt angetreten hatte, stellte sich für viele die Frage, wie es mit dem Bistum in personellen, finanziellen Dingen – um nur zwei zu nennen – weitergehen solle. In meinem ersten Hirtenbrief zum Pfingstfest 2008 habe ich dann versucht eine erste Antwort zu geben: Die Kirche muss missionarischer werden. Wie gesagt, es ist verständlich, dass viele Mitglieder des Bistums dabei ein Unbehagen spüren. Doch ist es meine Aufgabe als Bischof diese Themen trotzdem mit Klarheit und Behutsamkeit anzusprechen. Mir ist die Einheit mit dem Heiligen Vater sehr wichtig und es wird für das Bistum Limburg keine Sonderwege geben. Natürlich muss es darüber immer einen Dialog geben. Der Bischof muss selbstverständlich hören, aber er muss auch handeln – beides gehört untrennbar zusammen. Es war klar, dass es Veränderungen geben muss. Denn schließlich muss ich meiner Verantwortung gerecht werden und das täte ich nicht, wenn wir erst dann mit Veränderungen begännen, wenn es schon zu spät ist. So ist sicher die ein oder andere Irritation zu erklären.
Wenn Sie Bilanz dieser ersten fünf Jahre ziehen, was würden Sie rückblickend anders machen?
Ich glaube, dass ich das, was ich angesprochen habe, aus Gründen der Ehrlichkeit ansprechen musste. Taktiken und Strategien helfen nicht weiter. Wichtig ist jedoch, dass das, was angesprochen und angepackt wird, auch vermittelt wird. Ich denke, wir haben sehr viel in diese Richtung gemacht. Wir müssen uns aber immer fragen, ob wir noch mehr hätten tun müssen. Das ist sozusagen ein permanentes Anliegen. Deshalb bin ich auch pausenlos im Bistum unterwegs, mache Visitationen, lade Menschen zum Dialog ein und nehme Einladungen aus der Welt der Wirtschaft, der Gewerkschaften, des Handwerks an, um mit allen ins Gespräch zu kommen und zu vermitteln, was der Kirche und mir als Bischof wichtig ist. Man kann schlichtweg nicht genug kommunizieren. Kommunikation war, ist und bleibt der entscheidende Faktor bei der Vermittlung von Entscheidungen, die bisweilen nicht bei allen Zustimmung finden.
Was ist Ihre Botschaft an alle Gläubigen, die sich einerseits für „ihre“ Kirche einsetzen, Sie als Bischof dabei aber gleichzeitig ablehnen?
Zunächst ist mir erst einmal wichtig, ihnen Wertschätzung gegenüber zu bringen für das, was sie leisten. Das ist etwas sehr Wertvolles, Kostbares und da gilt es als Bischof immer die Vielfalt der Gaben, der Charismen und die Prägung jedes Einzelnen zu sehen. Gleichzeitig muss aber auch immer eine Einladung zum Dialog da sein. Deshalb lade ich sehr gerne Menschen ein, die mir lange Briefe schicken, weil ich immer hoffe, demjenigen meine Beweggründe vermitteln zu können, die sich für mich aus dem Ganzen der Kirche ergeben. Es ist die wesentliche Aufgabe eines Bischofs, die Ortskirche mit der Weltkirche zu verbinden und umgekehrt.
Das Interview führten Simon Steioff, Georg Dietlein und Matthias Lochner. Hier geht’s zum zweiten Teil des Interviews.
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