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Aktuelle Seite: Startseite / Engagement / „Geigen der Hoffnung – Damit ihr Lied nie verklingt“

„Geigen der Hoffnung – Damit ihr Lied nie verklingt“

8. Dezember 2016 von Dunja Kuster Kommentar verfassen

In seiner Werkstatt widmet sich Amnon Weinstein Geigen der besonderen Art – sie gehörten einst Opfern und Überlebenden des Holocausts. Eine dieser Geigen gehörte Marek; dieser spielte im KZ Dachau im Lagerorchester, um zu überleben. Inzwischen spielen Amnons “Violins of Hope” weitweit in großen Konzertsälen und setzen ein Denkmal der besonderen Art. Eine Buchrezension von Dunja Kuster.

© pixabay / Niek Verlaan
© pixabay / Niek Verlaan

„Violins of Hope“ – den Geigen wieder eine Stimme geben

„Wenn wir die Instrumente wieder zum Leben erwecken, sie vor Publikum spielen, dann ist das der größte Beweis, dass die Nazis gescheitert sind.” Amnon Weinstein

Amnon Weinstein ist ein Geigenbauer in Tel Aviv in Israel. Das Handwerk hatte er von seinem Vater Moshe gelernt und auf vielen Reisen perfektioniert. Als sein Vater starb, übernahm er dessen Werkstatt; darunter eine Sammlung mit vielen alten und teils arg ramponierten Violinen. Auf manchen Geigen sind kunstvolle Verzierungen und Davidssterne eingearbeitet. Ihre Geschichten jedoch sind bedrückend und schrecklich zugleich: Diese Geigen gehörten einst Holocaust-Überlebenden oder KZ-Häftlingen, welche die qualvolle Zeit in den Konzentrationslagern der Nazis nicht überlebt hatten. Viele Musiker kamen Ende 1940 zu Moshe und gaben ihm ihre Geigen. „Nehmen Sie meine Geige oder ich verbrenne sie!“, sollen viele von ihnen dabei gesagt haben. Die Erinnerungen an die Nazizeit hatte vielen die Freude und die Lust an der Musik verdorben. Indem sie ihre einst geliebten Instrumente abgeben, hofften sie, dass auch ihre Erinnerungen verstummen würden.

Lange Zeit ließ Amnon Weinstein diese „besondere“ Geigensammlung in Ruhe und dachte nicht einmal daran, sie restaurieren zu wollen. Die entscheidenden Impulse gaben schließlich zwei Männer: Der erste war ein Musiker, welcher in Auschwitz Geige gespielt und seine Geige seitdem nie wieder angerührt hatte. Die Geige wollte er nun seinem Enkel schenken; besonders die Oberfläche war jedoch beschädigt, da er auch bei Regen und Schnee die Geige spielen musste.

Shlomo Mintz ist ein Violinvirtuose aus Israel und zusammen mit Amnon Weinstein im Projekt "Violins of Hope". © Irma de Jong / Yonathan Weitzman / wikiportret.nl, wikimedia Commons
Shlomo Mintz ist ein Violinvirtuose aus Israel und zusammen mit Amnon Weinstein im Projekt „Violins of Hope“.
© Irma de Jong / Yonathan Weitzman / wikiportret.nl, wikimedia Commons

Der zweite Mann war der Bogenmacher Daniel Schmidt, ein Freund und Arbeitskollege Amnons. Nachdem Amnon ihm die Herkunft der Geigen erzählt hatte, kontaktiert Schmidt mehrere Musiker, die von Deutschland nach Palästina immigriert sind und interviewt sie, fragt nach ihren Geschichten. Amnon entgeht dieser Rechercheeifer nicht und lässt sich davon nach und nach anstecken.

Erst im Jahr 1999 reist Amnon zusammen mit Schmidt nach Dresden zur 50. Jahrestagung des Verbandes Deutscher Geigen- und Bogenmacher. In der Dreikönigskirche hält er einen Vortrag über die vielen deutschen Violinen, Violen und Celli in Palästina. Während seines Vortrages wird ihm selbst klar: Die Musik mag viele in ihren Tod begleitet haben; vielen hat sie aber auch das Leben gerettet. Seitdem widmet sich Amnon Weinstein seinen „Violins of Hope“, restauriert sie und macht sie konzerttauglich. Gleichzeitig recherchiert er die Geschichten der Vorbesitzer und hält diese in einem Notizbuch fest. Warum er das tut? Er möchte die Erinnerungen an jene Menschen aufrechterhalten, die die Geigen einst besessen und darauf gespielt haben. Er fand aber auch, dass „zu den Berichten über Erniedrigung und Tod (…)“ auch die von „(…) Mut, Hoffnung und der Kraft der Musik“ gehört. Die Restaurierung und Aufführung der Geigen ist für Amnon aber auch ein Weg, den Holocaust zu verarbeiten.

Zwischen Erniedrigung und Hoffnung

“Ihm war gar nicht bewusst gewesen, wie dringend sein Inneres Musik brauchte, welchen Hunger er danach verspürte. Es machte aus ihm, der stundenweise nur noch an Brot hatte denken können, wieder einen Menschen.”

Mareks Geschichte erzählt vor allem, welche Rolle die Musik in den Konzentrationslagern gespielt hat: Sie sollte die Häftlinge zusätzlich demütigen und erniedrigen. Ob beim Marsch zum Appellplatz oder auf dem Weg zu den Arbeitskommandos – abgemagert und geschwächt, wie sie waren, mussten sie immer lautstark fröhliche bayerische Volkslieder singen. Wer nicht mitsang, einen falschen Text gesungen hat oder das Lied gar nicht kannte, wurde angeschrien und schlimm bestraft. Gleichzeitig gibt die Musik Marek die Kraft, die er benötigt, um durchzuhalten und sich nicht kleinkriegen zu lassen. In das Geigenspiel kann er all jene Gefühle und Erinnerungen legen, die sonst stumm in seinem Kopf verborgen liegen. Leichter gesagt als getan, denn natürlich hat die SS ihre ganz eigenen Wünsche, wie das Orchester die Lieder zu spielen hat: Schnell, stark, zackig.

Durch die Musik kann Marek aber auch den anderen Häftlingen Trost und Hoffnung geben: Als sein Bruder Stanis (wie er ihn immer nennt) mit Fleckfieber in der Krankenbaracke liegt, bittet er Marek, ihm ein Lied auf der Geige zu spielen. Schmuggeln. Er spielt für Stanis und die anderen Kranken das „Hebräische Lied“ von Joseph Achron, da Stanis sich ein „Lied von zu Hause“ gewünscht hatte. Daneben zeigt Mareks Geschichte noch weitere Aspekte des Alltags im KZ Dachau: Nicht jeder Kapo und Blockältester schrie die Häftlinge freiwillig an oder schlugen sie. Viele von ihnen waren eher ruhig, manche sogar nett und freundschaftlich. Agressiv wurden sie nur dann, wenn jemand von der SS in der Nähe war.

Mareks Geschichte zeigt aber auch, dass es durchaus möglich war, Freundschaften unter diesen Bedingungen zu schließen – auch zu Blockältesten und Kapos. Der Blockälteste Willi Baader wurde von seinen Mithäftlingen sehr geschätzt. Als Willi Baader am Fleckfieber stirbt, bahren ihn die Häftlinge auf und legen ihm die ersten Frühlingsblumen auf sein Haupt.

Beeindruckende Geschichten erschreckend nah an der Realität

Besonders gefallen hat mir am Buch die Authentizität und der tiefe Eindruck beider Geschichten. Zu verdanken ist dies der eifrigen Recherchearbeit der beiden Autoren: Christa Müller reiste immer wieder zu Amnon Weinstein nach Tel Aviv, hat sich mit ihm und seiner Frau unterhalten und über Tage und Wochen begleitet. Titus Müller recherchierte die Geschichte einer der Geigen aus Amnons Werkstatt: Jede der Figuren – von Marek Król bis zu SS-Oberscharführer Köcher – hat entweder wirklich existiert oder ist an der Geschichte einer realen Person orientiert. Geschichten wie die von Marek Król und Amnon Weinstein liefern Eindrücke und ein Verständnis, die kein Geschichtsbuch oder Geschichtsunterricht je liefern könnten. Solche Einzelgeschichten machen immer wieder deutlich: Hinter jedem historischen Fakt stand einst ein Mensch und jeder einzelne dieser Menschen hat die Zeiten ganz unterschiedlich wahrgenommen und erlebt.

Für seine Arbeit wurde Amnon Weinstein unter anderem von der Deutsch-Israelischen Gemeinschaft (DIG) mit der Ernst Cramer Medaille ausgezeichnet. Benannt ist die Medaille nach dem jüdischen Journalisten Ernst Cramer; dieser setzte sich in der Spitze des Axel Springer Verlages über Jahrzehnte hinweg für die bilaterale Beziehung zwischen Deutschland und Israel ein.
Gespielt wurden die „Violins of Hope“ unter anderem bei einem Konzert der Berliner Philharmoniker am 27. Januar 2015 (1. Video), bei dem auch Frank-Walter Steinmeier anwesend war; sowie bei einem Konzert in Zusammenarbeit mit dem Cleveland Orchestra (2. Video), ebenfalls im Jahre 2015.

(Länge: 3:10 Minuten)

(The Cleveland Orchestra – Violins of Hope Concert 2015; Länge: 1h 37:53min)

Aus meiner Sicht besteht das Buch aus zwei sehr langen Reportagen, die hervorragend geschrieben sind und den Leser in Gedanken wirklich nach Tel Aviv zu Anmon oder ins KZ Dachau zu Marek führen. Deswegen würde ich auch jedem empfehlen, der Journalist werden will oder sich mit dem Schreiben einer Reportage schwer tut, dieses Buch zu lesen. Reportagen sind zwar meistens um ein vielfaches kürzer als dieses Buch; Trotzdem vermittelt es ein gutes Gefühl von Sprache und lebendig erzählten Geschichten, die einen Film im Kopf des Lesers entstehen lassen – und genau das soll eine gute Reportage am Ende auch können.

Mein Fazit: Mehr als lesenswert!

Ich empfehle das Buch darüber hinaus aber auch allen anderen, die gerne mal ein gutes Buch lesen und sich für die Thematik interessieren. Es schadet nicht, wenn man sich vorher schon einmal mit dem Zweiten Weltkrieg auseinandergesetzt hat (zum Beispiel im Geschichtsunterricht). Manche Stellen im Buch kann man besser verstehen, wenn man über ein entsprechendes Vorwissen verfügt. Aus meiner Sicht kann man das Buch aber auch ohne dieses Vorwissen lesen. Die Geschichten sind nicht nur hervorragend geschrieben, sie vermitteln auch mehr als genügend Eindrücke und Informationen ohne den Leser zu verwirren. Auf Grund der Thematik allerdings würde ich das Buch schlussendlich eher jungen Erwachsenen und älteren Jugendlichen empfehlen, deren geistige Entwicklung soweit fortgeschritten ist, dass man ihnen eine inhaltlich so schwere (und bedrückende) Lektüre zutrauen kann.

Infos zum Buch:
Geigen der Hoffnung. Damit ihr Lied nie verklingt
Autor/-en: Titus Müller und Christa Roth
Verlag: adeo (2016)
Seitenzahl: 208 Seiten
ISBN: 978 – 3863341176
Preis: 17,99 €


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Ich wurde 1994 in Albstadt in Baden-Württemberg geboren, wo ich auch 2013 mein Abitur abgelegt habe. Zusammen mit meinem Abiturzeugnis wurde mir auch der Scheffel-Preis der Literarischen Gesellschaft Karlsruhe ("Scheffelbund") verliehen. Zu Schulzeiten war ich vor allem als begeisterte Leseratte bekannt und auch heute sind meine Begeisterung für das Lesen und die Literatur ungebrochen. Neben der Literatur interessiere ich mich auch für Filme, Video-Spiele und mache gelegentlich gerne Fotos - Analog wie Digital.
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Kategorie: Engagement Stichworte: Amnon Weinstein, Geigen, Holocaust, Konzentrationslager, KZ

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