Ursprünglich war der Advent eine Fastenzeit. Noch heute merkt man das, wenn man am ersten Advent einen katholischen Gottesdienst besucht. Wieso das so ist, erklärt unser Autor Benedikt Bögle.
Es wird kälter. Irgendwann wird der erste Schnee fallen. Auf den Weihnachtsmärkten dampfen die Glühweintassen, zuhause wächst der weihnachtliche Schmuck beständig an: Tannenzweige, Kerzen, Lichterketten, irgendwann dann auch der Christbaum. Denkt man an Weihnachten, kommen kindliche Erinnerungen hoch, voller Glanz, beinahe geheimnisvoll. Wir denken an eine Zeit voller Glück. Heimelig, ruhig.
Wer am ersten Adventssonntag einen katholischen Gottesdienst besucht, wird in diesem harmonischen Bild gestört. Nicht Harmonie und Liebe stehen zu Beginn des Advents im Fokus. Im Evangelium (Markus 13, 24-37) spricht Jesus vom Ende der Zeit. Eine große Not werde kommen, danach werden sich Sonne und Mond verfinstern und „dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken kommen sehen.“ (Markus 13,26). Das Ende der Zeiten, der Untergang der Welt. Eine bedrückende Vorstellung.
Wachsam bleiben!
Jesus gibt dann noch Tipps, wie man sich denn zu dieser Zeit verhalten soll. Und wie so oft tut er das in Bildern, die jeder Mensch verstehen kann. Es sei wie mit einem Mann, der sein Haus verlässt und auf Reisen geht. Jeder Diener bekommt einen bestimmten Verantwortungsbereich, um den er sich sorgen soll, solange sein Herr abwesend ist. Einer der Diener ist der Türwächter. Er bekommt einen logischen Auftrag: Als Wächter soll er wachsam sein. Er soll überwachen, wer in das Haus hineinkommt.
Natürlich wollen die Diener ihrer Aufgabe gerecht werden. Das Problem nur: Sie wissen nicht, wann der Hausherr wiederkommt. Faulenzen? Schwierig. Jederzeit kann der Herr in der Türe stehen und seine Diener ertappen. Der Rat Jesu: „Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, wann der Hausherr kommt, am Abend oder um Mitternacht.“ (Markus 13, 35). Genauso sei es auch mit dem Ende der Zeiten. Keiner weiß, wann der Herr kommen wird. Also sollte man die Zeit sinnvoll nutzen und jederzeit damit rechnen, dass der Herr zurückkommt. Diese Botschaft hat auf den ersten Blick nichts Weihnachtliches. Es geht nicht um schöne, romantische Gefühle. Mehr noch: Es geht nicht einmal um die Geburt Jesu. Im Gegenteil, das Ende der Zeiten steht im Mittelpunkt.
Doppelte Blickrichtung im Advent
Das hat auch seinen Sinn. Schon seit den frühen christlichen Jahrhunderten steht der Advent unter einer doppelten Erwartungshaltung: Die Christen bereiten sich zum einen auf das Kommen Jesu mit seiner Geburt vor. Das bringt auch schon die Bezeichnung zum Ausdruck: Advent stammt vom lateinischen Wort „adventus“ und bedeutet „Ankunft“. Gleichzeitig aber ist es auch der Glaube der Kirche, dass Jesus am Ende der Zeiten wiederkommen wird, um die Welt zu richten. Dann kommt das ganze Leben vor ihn, das Gute wie das Schlechte, um von ihm „gerichtet“, gerade gerückt zu werden. Auch darauf blicken Christen im Advent.
40 Tage Fasten vor Weihnachten
Früher war deswegen der Advent auch eine Fastenzeit. Wie in der Zeit vor Ostern verzichteten Christen 40 Tage lang, um das Wesentliche wieder zu sehen. Deswegen begann der Advent nicht erst vier Wochen vor Weihnachten, sondern schon am 11. November. Auch deswegen wird der heilige Martin, dessen Fest an diesem Tag gefeiert wird, bei Katholiken groß gefeiert: Ein letztes Mal konnte man essen und feiern wie man wollte, bevor es bis Weihnachten ernst wurde.
Ein väterliches Gericht
Dieser Glaube ist nicht nur schön. Am Ende des Lebens Jesus in die Augen sehen und all seine Schuld zuzugeben, wird sicherlich keine leichte Erfahrung, für niemanden. Deshalb ist es sehr wichtig, unter welchem Vorzeichen Christen auf dieses Gericht blicken. Und dazu hilft die erste Lesung am ersten Advent. Zunächst spricht das Volk Israel in der ersten Lesung (Jesaja 63,16-17.19; 64, 3-7) zu seinem Gott. Israel gibt zu, gesündigt zu haben: „Ja, du warst zornig; denn wir haben gegen dich gesündigt, von Urzeit an sind wir treulos geworden.“ (Jesaja 64,4) Das ist die Situation des Menschen vor Gottes Gericht: Er muss seine Schuld zugeben. Unumwunden. Doch damit ist nicht Schluss. Auch dieses Schuldeingeständnis wandelt sich: „Und doch bist du, Herr, unser Vater.“ (Jesaja 64,7) Wenn die Kirche im Advent auf das Wiederkommen Jesu und auf sein Gericht schaut, ist das eine Zuversicht. Dieses Gericht wird väterlich sein.
Schreibe einen Kommentar