Size 0, die perfekte Bikinifigur, die neusten Diätrezepte. Durchgehend umgeben von dem Wahn nach der perfekten Figur und von zu viel Druck erkranken immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene, vor allem Frauen, an Bulimie, Magersucht oder dem Binge-Eating-Syndrom. Doch was heißt das wirklich für Betroffene und ihr Umfeld?
Die Zahl der an Essstörungen erkrankten Jugendlichen und jungen Erwachsenen steigt stetig. In Deutschland leidet mehr als jedes vierte Mädchen an einer Essstörung und den dazugehörigen Symptomen. Die Betroffenen sind in knapp über 95 Prozent der Fälle junge Frauen und Mädchen. Als Risikogruppe gelten in erster Linie Mädchen und Frauen zwischen 15 und 24 Jahren. Magersucht zählt bei Mädchen und jungen Frauen sogar zu den häufigsten Todesursachen in dieser Altersspanne.
Eine Person mit Anorexie, auch Magersucht genannt, isst so gut wie nichts pro Tag und nimmt als Folge dessen stark ab. Bei der Bulimie allerdings isst der Betroffene sehr viel und versucht das Essen dann mit Sport, durch Erbrechen oder Abführmittel wieder loszuwerden. Außerdem gibt es das Binge-Eating-Syndrom. Bei dieser Krankheit nimmt der Betroffene große Mengen Nahrung in kurzer Zeit zu sich, ohne kontrollieren zu können, wann er aufhören sollte und nimmt als Folge zu. Oftmals lässt sich ein Betroffener keiner dieser Krankheiten eins zu eins zuordnen, sondern leidet an einer Mischung aus mehreren Krankheitsbildern. In einigen Fällen wandeln die Patienten auch zwischen den unterschiedlichen Ausprägungen der Essstörung hin und her.
Die Ursache einer Essstörung lässt sich nie auf nur ein Kriterium zurückführen. Es handelt sich vielmehr um ein Zusammenspiel unterschiedlichster Ursachen. Neben biologischen spielen auch individuelle Ursachen eine große Rolle: Ein besonders ausgeprägter Sinn für Perfektionismus, ein geringes Selbstwertgefühl, Verlustangst, traumatische Erlebnisse oder Probleme mit Stress umzugehen sind nur einige Punkte auf einer langen Liste. Zudem sehen Psychologen auch familiäre Gründe, die einen Einfluss auf das Essverhalten haben. Ein problematisches Verhältnis zu den Eltern, zu wenig Liebe und Fürsorge im Elternhaus oder fehlende Verarbeitung einer Scheidung sind hierbei nur Beispiele. Hinzu kommen noch soziokulturelle Ursachen, wie ein übertriebenes Schönheitsideal.
Circa 70 bis 80 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die an einer Essstörung leiden, überwinden diese. Prognosen besagen, dass die Heilungschancen umso höher sind, je früher die Krankheit behandelt wird. Verschiedenste Therapiemöglichkeiten behandeln die gestörte Selbstwahrnehmung der Kranken und arbeiten gleichzeitig an deren Psyche. Durch die Therapie lernen die Betroffenen, normal zu essen und wieder eine gesunde Einstellung zum Thema Essen allgemein sowie zum eigenen Körper zu erlangen. Betroffene warten allerdings im Durchschnitt zwei bis vier Monate auf einen Therapieplatz, sofern dieser von der Krankenkasse übernommen werden soll. Private Therapieplätze können oftmals schneller erlangt werden. In besonders schlimmen Fällen ist eine sofortige stationäre Aufnahme unausweichlich.
Du doch nicht – eine Krankheit im Verborgenen
Personen, die unter Essstörungen leiden, sind oftmals die, von denen wir es am wenigsten erwarten würden. Wie bei vielen psychischen Krankheiten versuchen die Betroffenen oftmals alles, um die Krankheit zu verstecken. Sieht man Magersüchtigen ihren Zustand oftmals an, ist gerade die Bulimie oder eine Vermischung verschiedener Symptome eine Krankheit, die Außenstehende niemals vermuten würden. Essgestörte sind oftmals überdurchschnittlich erfolgreich im Schul-, Uni- und Berufsleben und wahren nach außen hin eine perfekte Fassade. Hinter dieser Mauer allerdings sieht es oftmals ganz anders aus, als es von außen scheint.
Laut Forschern liegen die Zahlen bezüglich der Häufigkeit der Essstörungen bei der Bulimie sogar noch höher als bekannt, da sich die Betroffenen für ihre Krankheit schämen und diese besonders deshalb so gut wie möglich vor ihren Mitmenschen geheim halten. Neben den körperlichen Symptomen, die jeweils je nach Form der Essstörung variieren, muss vor allem der Psyche des Einzelnen eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Depressionen – die kranken Zellen in meinem Kopf
Neben einer gestörten Selbstwahrnehmung und dem Wunsch, immer dünner werden zu wollen, erschweren Depressionen Essgestörten oftmals den Alltag. Diese drücken sich häufig durch Antriebslosigkeit, ein geringes Selbstwertgefühl und dem Gefühl aus, an nichts mehr Freude zu empfinden und auf nichts mehr Lust zu haben. Oftmals ist auch Appetitverlust eine Folge und verstärkt die Essstörung natürlich noch. Depressive Menschen fühlen sich oft hilflos und ängstlich. Sie sind müde und erschöpft, obwohl sie ausgiebig geschlafen haben und sind ständig mit negativen Gefühlen und Gedanken beschäftigt. Häufig sind sie gar nicht mehr in der Lage, Positives wahrzunehmen und überbewerten negative Aspekte dafür umso mehr.
Wie gehe ich als Angehöriger, Freund oder Partner mit dieser Erkrankung um?
Bei einer Essstörung sind nicht nur die Kranken betroffen. Auch Freunde, Partner und die Familie werden oftmals involviert und vor allem gebraucht. Sätze wie „Iss doch mal mehr, dann geht es dir besser“, oder „Du musst einfach positiver eingestellt sein“, sind mehr als unangebracht und helfen den Kranken kein bisschen. Besonders wichtig ist es, zu akzeptieren, dass die Person krank ist. Es ist nicht der Fall, dass er oder sie übertreibt, schlechte Laune oder eine anstrengende Phase hat. Nein, der Mensch ist krank und er braucht professionelle Hilfe und auch die seines näheren Umfelds. Vorwürfe oder fehlendes Verständnis führen eher dazu, dass die Betroffenen ihre Situation herunter spielen, nicht mehr die Wahrheit sagen und sich zurückziehen.
Essgestörte sind wie erwähnt oftmals große Perfektionisten und daher fällt es ihnen besonders schwer, sich einzugestehen, dass sie ein Problem haben, welches sie alleine nicht lösen können und deswegen Hilfe brauchen. Gerade deswegen ist es wichtig, es ihnen nicht noch schwerer zu machen, als es sowieso schon ist. Das heißt nicht, dass man die Betroffenen wie ein rohes Ei behandeln soll. Eine gewisse Nachsicht wäre allerdings angebracht. Psychische Krankheiten führen oftmals unweigerlich dazu, dass die Person sich anders verhält, als sie es ohne die Krankheit tun würde. Bedingt durch das geringe Selbstwertgefühl oder Depressionen wirken Aussagen auf Essgestörte oftmals viel härter, als sie gemeint sind und sie fühlen sich viel schneller allein gelassen und ausgegrenzt. Gerade deswegen ist es so wichtig, ihnen in dieser Zeit ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit zu geben und Aussagen nicht zu hart zu formulieren.
Neben all diesen emotionalen Aspekten ist es wichtig, die Betroffenen bei der Therapie zu unterstützen und im Fall der Fälle dafür zu sorgen, dass die Kranken diese Möglichkeit auch wahrnehmen. Ein erster Schritt in Richtung gesundes Leben ist definitiv die Einsicht, krank zu sein und Hilfe zu brauchen. Es sollte zudem nicht zu starke Kritik am Essverhalten geäußert werden. Das verunsichert nur und genauso wenig wie Rom an einem Tag erbaut wurde, wird ein krankes Essverhalten nicht innerhalb eines kurzen Zeitraumes wieder normal. Druck und Zwang helfen auch nicht. Eher sollte man sich über kleine Fortschritte freuen. Notwendig sind allerdings auch der Respekt gegenüber dem Betroffenen und die Einsicht, dass er selbst entscheiden muss, wie er mit seiner Krankheit umgeht und inwiefern er Außenstehende einweihen möchte.
Besonders wichtig ist es auch, den Menschen als den Menschen anzusehen, der er ist und nicht nur als jemanden, der erbricht oder hungert. Vielleicht ist er oder sie gerade trauriger als sonst, funktioniert nicht wie gewohnt und nervt teilweise, aber es ist immer noch dieselbe Person und so möchte sie auch behandelt werden. Die Krankheit ist immerhin nur ein Teil des Menschen und nicht er selbst. Für Angehörige und Freunde eines Betroffenen ist aber ebenfalls wichtig, auch an sich selbst zu denken. Auch für Angehörige ist es nicht leicht, wenn ein geliebter Mensch an dieser Krankheit leidet. Gerade deswegen ist es wichtig, auch selbst offen damit umzugehen und darüber zu sprechen.
Betroffene erholen sich also nicht von einer Essstörung, indem sie schlichtweg mehr essen, genauso wenig wie Depressionen verschwinden, indem man positiver denkt. Wären psychische Krankheiten so einfach zu heilen, würde keiner darunter leiden. Allerdings sind sie heilbar. Mit einer gehörigen Portion Mut, Willenskraft, Durchhaltevermögen und Hilfe von außen.
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