Wir hören viel, hören aber nur selten wirklich zu. Die Fastenzeit will die Aufmerksamkeit für Gott und für den Nächsten wieder in den Mittelpunkt stellen. Das kann man ganz bewusst üben. Ein Impuls von Benedikt Bögle.

Es war wohl mehr als unwahrscheinlich, dass dieses Gespräch überhaupt stattfinden würde. Eigentlich hatte die Frau nur Wasser holen wollen. Am Brunnen begegnet sie aber Jesus – und der verwickelt sie in ein Gespräch. Er, der Mann, mit ihr, der Frau. Er, der Jude, mit ihr, der Samaritanerin. Unwahrscheinlich. Von dieser Begegnung am Jakobsbrunnen erzählt das Evangelium des dritten Fastensonntags (Johannes 4,5-42). Jesus spricht mit der Frau über das Wasser. Sie war ja gekommen, um ihre Wasserkrüge aufzufüllen. Jesus hatte um Wasser gebeten, sagt jetzt aber: „Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werden, wir niemals mehr Durst haben“.
Anfangs reden die beiden aneinander vorbei. Die Frau denkt an echtes Wasser, über das man für gewöhnlich spricht. Jesus meint etwas ganz anderes. Irgendwann aber beginnt die Frau, nicht nur zu hören, sondern zuzuhören. Sie erkennt, dass sie es nicht mit einem gewöhnlichen Mann zu tun hat. Sie hält Jesus erst für einen Propheten, dann erkennt sie in ihm den Messias. Sie hat sich auf das Gespräch mit dem unbekannten Mann eingelassen, der noch dazu einer anderen Religion angehörte als sie selbst. Sie hat es gewagt – und einfach zugehört.
Unnützes Geschwätz
Die Fastenzeit will den Menschen wieder zur Besinnung bringen. Im Alltag übernehmen oft Dinge die Überhand, die eigentlich nicht wesentlich sind. Das betrifft auch das Hören: Wie oft hören wir zwar etwas, nehmen es aber gar nicht wirklich wahr? Wir hören, hören aber nicht zu. Wie oft sind wir so auf das fixiert, was wir sagen, dass wir gar nicht mehr merken, was andere sagen? Das ist eine Form des Egoismus. Wer aber wirklich hört, der bricht automatisch seinen eigenen Radius auf und wagt einen ersten Schritt auf seinen Nächsten hin. Papst Franziskus sagte in seiner Predigt zum Abschluss der Bischofssynode im Herbst 2018: „Wie wichtig ist es für uns, auf das Leben zu hören! Die Kinder des himmlischen Vaters schenken ihren Brüdern und Schwestern Gehör: nicht dem unnützen Geschwätz, sondern den Bedürfnissen ihres Nächsten.“
Übung für die Fastenzeit
Wer seinem Nächsten zuhört – wirklich zuhört – begreift irgendwann, was er will, was er braucht, was ihm fehlt. Auch das sollte eine Übung für die Fastenzeit sein: Zuhören, sich also ganz bewusst auf einen Gesprächspartner einlassen und ihm nicht nur nebenbei zu lauschen – sondern wirklich zuzuhören. Zu dieser Übung gehört es aber auch, Gott wirklich zuzuhören. Oft gehen uns Inhalte durch den Kopf, wir nehmen sie vielleicht am Rande wahr, konzentrieren uns aber nicht wirklich auf sie. Die Fastenzeit kann zu einer Zeit werden, in der man sich wieder ganz bewusst auf das Wort Gottes konzentriert – etwa, indem man in der Bibel liest.
„Höre, Israel!“
Es müssen ja nicht lange Abschnitte sein. Manchmal genügen schon kurze Texte oder sogar nur wenige Zeilen. Immer wieder findet sich in der Bibel die Aufforderung, zuzuhören. Eine der wichtigsten Aufforderungen Gottes im Alten Testament beginnt mit den Worten: „Höre, Israel! Der HERR, unser Gott, der HERR ist einzig.“ (Deuteronomium 5,5) Bis heute sind die folgenden Worte Sätze, die gläubige Juden durch jeden Tag begleiten. Am Anfang steht das Hören auf das Wort Gottes. Dazu gehört der Mut, sich wirklich etwas vom Wort Gottes sagen zu lassen, ihm wirklich zuzuhören. Die Frau am Jakobsbrunnen hat das getan – und es hat ihr Leben verändert.
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