Abraham Lincoln ist einer der populärsten Präsidenten der USA. Durch seine entschiedene Haltung gegen die Sklaverei und durch seine erfolgreiche Führung der Nordstaaten durch den amerikanischen Bürgerkrieg, der schließlich doch zur Einigung des Landes führte, machte er sich einen Namen in der Geschichte. Am 15.04.1865 starb Lincoln an den Folgen eines Attentates. Doch wo stehen die USA 150 Jahre nach dem Tod eines ihrer meist geschätzten Idole?

Vor 150 Jahren starb Abraham Lincoln, einer der geachtetsten Präsidenten Amerikas. Er ist Vorbild, Amerikas Leitstern und von seinen Nachfolgern wurde er häufig zitiert. Es gibt kaum einen Präsidenten, der sich nicht auf Lincoln berufen hat, kaum einen Politiker, der sich nicht von ihm hat inspirieren lassen. Martin Luther King hielt 1963 seine berühmte Rede „I have a dream“ in Washington D.C. vor dem Lincoln Memorial. King bezog sich direkt zu Anfang seiner Rede auf die von Lincoln 1863 unterzeichnete Erklärung zur Abschaffung der Sklaverei in den Südstaaten. King beschrieb genau 100 Jahre später die noch immer währende Rassentrennung und Diskriminierung und setzte ein unübersehbares Zeichen für den Frieden, seinen Traum.
Einen Traum hatte Lincoln auch: Die Einheit des Landes wahren. Das Lincoln Memorial in Washington D.C. stellt den ehemaligen Präsidenten auf einem Stuhl sitzend dar, seine Unterarme auf den Lehnen abgelegt. Dabei hält er die linke Hand zu einer Faust geschlossen, die rechte ruhig und entspannt in einer natürlichen Haltung. Eine Verbildlichung seines Führungsstiles, entschlossen und doch einfühlsam. Beides Qualitäten, die entscheidend für den Erhalt des noch jungen Landes waren. Unter Lincolns Präsidentschaft starben hunderttausende Soldaten im Krieg zwischen den die Sklaverei ablehnenden Nordstaaten und den die Sklaverei befürwortenden Südstaaten. Nach Abspaltung der Südstaaten blieb er standhaft und wünschte sich auch für farbige Menschen Chancengleichheit, aber vor allem Freiheit. 1863 schaffte er schließlich die Sklaverei ab. Einmal sagte er: „Immer wenn ich jemanden höre, der die Sklaverei befürwortet, habe ich das Bedürfnis zu sehen, wie er der Sklaverei ausgesetzt ist.“ Durch die Kapitulation des Südens wurden die Nordstaaten und Südstaaten schließlich wieder vereint, doch Lincoln blieb in den Augen der Südstaatler der böse Feind, der ihnen ihre Existenz geraubt hat.

Noch während des Bürgerkrieges hielt Lincoln 1863 zur Eröffnung des Soldatenfriedhofes in Gettysburg, wo eine entscheidende Schlacht stattfand, eine seiner berühmtesten Reden. Die „Gettysburg Address“ gilt als rhetorisches Meisterwerk, in dem Lincoln an das Amerikanische Selbstverständnis erinnert und erneut zum Frieden aufruft. Wie auch viele Präsidenten nach ihm bezieht er sich auf die Amerikanische Verfassung: „Alle Menschen sind gleich.“ Dieses Versprechen hat Amerika in seiner jungen Geschichte oft gebrochen. Damals war das Land gespalten unter der Frage der Sklaverei, ein Land, das sich auf seine Fahne „das Recht auf Leben, Freiheit und Glück“ geschrieben hat. Leben, Freiheit und Glück – für jeden. Dass die Realität auch heute anders aussieht beweist die aktuelle Lage der USA.
Amerika heute
Das Amerika dieser Tage zeichnet einen Präsidenten, der das Eis zum langjährigen Feind Kuba bricht. Bei dem Treffen zwischen US- Präsident Obama und dem kubanischen Präsidenten Raùl Castro ging es vordergründig um die Wiedereröffnung von Botschaften, aber viel mehr ging es um den Dialog nach einem halben Jahrhundert Funkstille. Es heißt, es würde eine Ära zu Grabe getragen, das Ende des Kalten Krieges sei auch endlich zwischen den USA und Kuba beschlossen. Dass die beiden gerade jetzt den Dialog suchen, 53 Jahre nach dem Kuba zu einem der Schauplätze des Ost-West-Konflikts wurde, ist nicht unbedingt verwunderlich. Obama will seiner Präsidentschaft außenpolitisch noch einmal seinen Stempel aufdrücken, eine Aufhebung der Sanktionen wird stark diskutiert. Und Kuba sieht seine Chance im Dollar, nach langer wirtschaftlicher Schwäche. Obama versprach bereits 2009 die Auflösung Guantanamos innerhalb eines Jahres. Guantanamo, ein Militärgefängnis auf der kubanischen Insel, in dem größtenteils mutmaßliche Terrorverdächtige sitzen und fernab von jeglichen Menschenrechten behandelt werden. Dass die USA Kuba gegen Menschenrechtsverstoße anprangert, scheint so mehr als paradox.
Die USA befinden sich aber auch in einer Diskussion über Polizeigewalt. Einer unterschwellig brodelnden, sich neu auftürmenden Welle von Rassismus. So erfuhr man doch lange nur vereinzelt und nur wenn man genau hinsah, welche Rolle Rassismus jeden Tag in Amerika spielt, trotz eines farbigen Präsidenten. Oder gerade deswegen? In seinem Wahlkampf 2008 spielte das Wort „Change“ eine große Rolle – einen Wandel, nach dem sich viele Amerikaner nach acht Jahren Präsidentschaft des Republikaners George W. Bush sehnten. Ohne Zweifel, Obama trat im Weißen Haus kein leichtes Erbe an. Doch inzwischen hat es den Anschein, dass Obamas strengere Worte in jenen Tagen, mit denen er immer wieder vor zu viel Euphorie warnte und auf das Ausmaß der zu bewältigenden Aufgaben hinwies, die eigentlich doch so ausdrucksstarken „Yes we can!“-Gesänge übertönt haben. Der Fall übergriffiger „weißer“ Polizeigewalt in Ferguson in Missouri vergangenen Sommer war nicht der Erste und die Häufung ähnlicher Fälle in letzter Zeit lassen die Proteste lauter werden. Die USA sind erneut gespalten, zwischen heftigen Protesten und rassistischen Handlungen. In seiner „Rede zur Lage der Nation“ im Januar gab sich Obama optimistisch: Die Arbeitslosenrate sei gesunken, nun gelte es, die Mittelschicht zu stärken. Obama spricht auch von den Vorfällen in Ferguson und New York. Er sagt, man könne verstehen, wenn eine Frau abends auf ihren Mann wartet, bis er seine Schicht beendet habe. Man könne auch verstehen, dass sich ein Vater Sorgen um seinen Sohn macht, wenn er abends nach Hause geht. Im nächsten Satz sagt er, dass doch sicher jeder zustimmen würde, wenn man es für gut heiße, dass die Kriminalitätsrate nach mehr als 40 Jahren gesunken sei. Natürlich ist das gut. Aber nicht vor dem Hintergrund, dass Rassismus immer noch ein hoch aktuelles und akutes Thema ist. Dass die Kriminalitätsrate gesunken ist entschuldigt trotzdem keine Art von Gewalt. Und erst Recht nicht, wenn sie auch von jener gesellschaftlichen Berufsgruppe ausgeführt wird, die als „Hüter des Gesetztes“ betitelt wird. Obama spricht erneut davon, die „Seite umzublättern“. Vielleicht wäre es ratsamer, noch einmal jene wichtige Seite im Buch Amerikas zu lesen, auf dem die Unabhängigkeitserklärung abgedruckt ist und dabei dem kleinen, aber alles entscheidenden Nebensatz Beachtung zu schenken, der besagt, dass „alle Menschen gleich sind.“
Aussicht auf Besserung?
In diesen Tagen kündigte Ex-Außenministerin Hillary Clinton nach zahlreichen Spekulationen ihre Kandidatur für die Wahl 2016 an und möchte, so scheint es, ihrer Karriere die Krone aufsetzen. Auf Twitter schreibt sie: „Ich kandidiere als Präsident. Jeden Tag brauchen Amerikaner einen Champion und ich möchte dieser Champion sein.“ Es wäre eine erneute Premiere für Amerika: Nach dem ersten farbigen Präsidenten wäre sie die erste Frau an der Spitze der USA und würde – erneut- einen langen Atem beweisen. Ob sie tatsächlich Amerikas Champion wird bleibt abzuwarten. Viel spannender ist aber, ob sie es schafft, der Champion jeder Amerikanerin und jedes Amerikaners zu werden, obgleich welche Hautfarbe er hat, wo er herkommt und welcher sozialen Schicht er angehört.
Das Ende des Bürgerkrieges hat Lincoln nicht mehr erlebt. Das Versprechen der amerikanischen Verfassung wurde bis heute nicht eingelöst und die Frage, wie farbige Menschen einen Platz in der Gesellschaft finden hat ihn bis heute überdauert.
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