Die in Kunstmuseen und auf Autobahnen ausgetragenen Klimaproteste des Bündnisses „Die Letzte Generation“ haben in den vergangenen Monaten zu einer Welle der Empörung und hitzigen Debatten geführt. Vergessen wird dabei jedoch konsequent, worum es wirklich geht. Ein Kommentar.
Mit Sekundenkleber auf der Autobahn festkleben und Kunstwerke mit Kartoffelbrei bewerfen? Für das Aktionsbündnis „Die Letzte Generation“ sind diese Aktionsformen der Protest, den es braucht, um eine angemessene Klimaschutzpolitik von der deutschen sowie österreichischen Bundesregierung einzufordern. Das sehen längst nicht alle so. Die mittlerweile beinahe täglich stattfindenden Proteste haben in der Politik, den Medien sowie weiten Teilen der Gesellschaft eine Welle der Empörung ausgelöst, die in ihrer hitzigen Diskussion über die Legitimität vermeintlich neuer Protestformen stagniert.
Die Fragen, was Protest darf und wo seine Grenzen liegen, sind im Kontext der Klimabewegung omnipräsent. Geführt wurden sie mitunter auch in Bezug auf die Schulstreiks von “Fridays For Future” oder die Waldbesetzungen im Dannenröder Forst. Dabei verfangen sich die an der Diskussion beteiligten Akteur*innen jedoch nicht selten in ihren Argumenten und lassen das, worum es tatsächlich geht, nämlich die Klimakatastrophe, ungeachtet im Hintergrund verschwinden.
Das Klima als Quelle gesellschaftlicher Konflikte
Während hartnäckig über die Rechtmäßigkeit von Sitzblockaden gestritten wird und härtere Strafen dafür eingefordert werden, schreitet die Verschlechterung des Klimas auf unserem Planeten mit überhöhter Geschwindigkeit voran. Erste Kipppunkte, wie das Aussterben von Korallenriffen, könnten bald erreicht werden, mahnen Wissenschaftler*innen mittlerweile nahezu täglich. Auch in Deutschland zeigen sich die Auswirkungen jedes Jahr mit einer zunehmenden Dringlichkeit durch unerträgliche Hitzeperioden, die unsere Gesundheit gefährden, und immer trockeneren Böden, die unsere Lebensgrundlagen bedrohen.
Gleichzeitig halten uns die gesellschaftlichen Streitigkeiten vor Augen, welches Konfliktpotenzial die Klimakatastrophe tatsächlich mit sich bringt. Die Proteste entstehen schließlich nur aus ihrer Dringlichkeit sowie der Verweigerung der Politik, vor diesem Hintergrund angemessene Klimaschutzziele zu verabschieden und diese auch umzusetzen. Es ist kaum vorstellbar, welches Ausmaß diese annehmen könnten, wenn wir uns in einer Welt mit vier Grad Erwärmung befinden. Auch der Weltklimarat hat in seinem diesjährigen Bericht erneut betont, dass die Erhitzung unserer Planeten das Risiko gewaltsamer Konflikte, unter anderem durch die Verstärkung von Armut und Ressourcenknappheit, erhöht.
Mehr Enthusiasmus in der Klimadebatte
Es ist offensichtlich, dass die Proteste der “Letzten Generation” unbequem sind. Dieser Umstand liegt immerhin in der Natur des zivilen Ungehorsams. Die Empörung ist das Ziel. Der Diskurs ist gewollt. Die Frage ist nur, wie dieser ausgetragen wird. Das Zeitfenster, was uns noch bleibt, um diese Krise zu bewältigen, reicht für uninformierte, emotional geführte Debatten nicht aus. Es braucht eine sachliche und konstruktive Auseinandersetzung mit dem, was vor sich geht. Das schließt zu einem gewissen Grad die Auseinandersetzung mit Protestformen natürlich mit ein.
Dennoch darf nicht in Vergessenheit geraten, dass das Ausmaß, welches die Klimakatastrophe annehmen wird, wenn nicht die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, weitaus unbequemer sein wird als der Protest der “Letzten Generation”. Somit ist es ratsam, sich nicht zu lange an der Aufregung über die nächste Sitzblockade zu beteiligen, sondern den Enthusiasmus für die Empörung auf das klimapolitische Versagen unserer Regierung zu verlagern.
Zwicklbauer Jan
Es ist meiner Meinung nach totaler Nonsens, sich festzukleben oder Bilder zu beschmutzen!!! Es führt in die gegenteilige Richtung! Vergessen wird dabei, dass Überzeugung und miteinander Reden die einzigen Möglichkeiten sind, miteinander diese Krise zu bewältigen.
Vielleicht ist das Klima in den Städten anders, aber auf dem Land werden “Grüne” und “Linke” oder “Umweltschützer” unheimlich stigmatisiert. Das kommt nicht von irgendwoher, sondern auch aus der Ignoranz umweltfreundlich denkender mit diesen Leuten in den Diskurs zu gehen. Die neuen Protestformen führen nur zu mehr Stigmatisierung und zu weniger Bekenntnis zu Umweltschutz. “Bist du etwa auch so ein Klebe-typ?”
Ja und auch die ältere Generation darf nicht vergessen werden. Sie sind die Arbeitenden, die unser Land aufrecht erhalten. Die Rentner sind diejenigen, die gearbeitet haben, um ein Land mit diesem Ausmaß an Wohlstand aufzubauen. Dieser Wohlstand erlaubt es uns heute, über Umweltschutz in dem Ausmaß nachzudenken, wie wir es tun.
Ängste plagen diese Menschen wie auch den jungen, streikenden Schüler oder Studenten. Es sind aber andere und alle dieser haben auch eine Daseinsberechtigung!
Stoppt die Zerstückelung unserer Gesellschaft und sorgt für einen politischen Diskurs zwischen allen Ebenen unserer Gesellschaft. Öffnet Diskurs-Zentren in jeder Stadt und schafft einfache Informationsmöglichkeiten. Keiner darf auf der Strecke bleiben. Das geht nur gemeinsam!
Helena Renz
Hallo Jan, danke für deinen Kommentar.
Ich kann deine Meinung durchaus nachvollziehen und teile sie in gewisser Hinsicht. Dennoch müssen wir im Blick behalten, dass wir seit nunmehr drei, fast vier Jahrzehnten nur am Reden sind und nicht ausreichend passiert. Das Zeitfenster, in dem wir handeln können, wird zunehmend kleiner und die Auswirkungen immer schneller immer größer. Unterschiedlichste Organisationen der Klimabewegung haben seither in unterschiedlichsten Formen stets daran gearbeitet, das Notwendige von der Politik einzufordern. Das Resultat sind leere Versprechen und unzureichende Klimaschutzziele, die nicht einmal mit den getätigten Maßnahmen erreicht werden. Die Aktionen der Letzten Generation sind eine verzweifelte Antwort auf dieses politische Versagen. Im Übrigen sind diese Protestformen nichts Neues (siehe Startbahn West). Zu den Kunstaktionen muss ich ergänzen, dass die Bilder nicht beschädigt worden sind, da sie von Glasscheiben geschützt werden.
Die Stigmatisierung ist selbstverständlich zu Bedauern. Genau das ist aber auch ein Grund, weswegen die Aktionen eingeordnet werden müssen, so wie ich es in meinem Artikel versucht habe. Tatsächlich gibt es in der Stadt auch genug Menschen, die das Thema und den Aktivismus nicht ernst nehmen.
Für den Wohlstand bin ich natürlich dankbar. Dennoch dürfen wir auch hier nicht vergessen, dass das rasante Wirtschaftswachstum sowie der damit verknüpfte Wohlstand der wesentliche Grund für die Klimakatastrophe ist. Wirtschaftswachstum geht mit steigenden Emissionen einher. Unter den Folgen leiden jedoch grundsätzlich die Menschen, die am wenigsten von diesem Wohlstand profitieren, also die Ärmsten unserer Bevölkerung. Das sehen wir auf globaler Ebene gerade leider ziemlich gut an dem Gefälle zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden. Für diese Bevölkerungsgruppen setzt sich die Bewegung also indirekt ein.
Ja, die Bewältigung der Krise geht nur gemeinsam. Das würde auch kein*e Angehörig*e der Klimabewegung bestreiten. Wir sehen nur leider, dass die Politik und Unternehmen weiterhin an einer fossilen Welt interessiert sind und sich dadurch nur wenig kooperativ zeigen.
Helena Renz
Ergänzend dazu halte ich es für sinnvoll, mit den Protestierenden ins Gespräch zu gehen und ihren Aktionismus nicht direkt zu diffamieren. Hinterfragen ist super wichtig, aber dann auch im Gespräch mit den Beteiligten.