Als Otto von Bismarck 1889 im „Gesetz, betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung“ die Rentenversicherung einführte, war diese als ein Drei-Generationen-Vertrag konzipiert: Eine Generation in der Ausbildung und eine Generation im Ruhestand mussten demnach von der arbeitenden Generation unterhalten werden. Ein System, das heute in eine gravierende Schieflage geraten ist und eigentlich konsequenterweise durch einen Fünf-Generationen-Vertrag ersetzt werden müsste: Zu der Generation in der Ausbildung ist eine weitere Generation hinzugekommen. Der Zeitpunkt des Berufsbeginns liegt inzwischen bei 25 Jahren und durch die gestiegene Lebenserwartung und ein niedriges Renteneintrittsalter ist auch die Ruhestandsgeneration angewachsen – Tendenz stark zunehmend! In Bismarck’schen Zeiten begann das Berufsleben – und damit auch die Beitragszahlung – mit 15 Jahren und endete mit 70 Jahren. Nur zwei Prozent der Bevölkerung musste damals im Ruhestand versorgt werden, heute sind es 25 Prozent. Diese Situation macht es erforderlich, dass Politik und Gesellschaft neue Wege suchen. Doch worauf könnten solche aufbauen? Wo finden sich Hinweise für den passenden Umgang und wo innovative Ideen?
Alter(n) in der Bibel
Wer eine Weisung über das Alter(n) in der Hl. Schrift sucht, wird auf den ersten Blick nicht fündig werden. Es lässt sich keine „Option für die Alten“ ausmachen und auch heißt es in der Bergpredigt nicht „Selig die Alten“. Auf den ersten Blick begegnen hingegen zunächst im Alten Testament utopische Altersangaben. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Adam wurde 930 Jahre alt (Gen 5,5), Set 912 (Gen 5,7). Rekordhalter der Bibel ist Methusalem – sein Erdendasein soll stolze 969 Jahre (Gen 5,27) gedauert haben. Einzig realistische Angabe scheint hier das Gotteswort in Gen 6,3 zu sein: „Ich begrenze seine Lebenszeit auf 120 Jahre“ – ein Alter, das sich den wirklichen Lebensdauern zumindest annähert und nachweislich nur von der Französin Jeanne Clament überboten wurde, die als ältester Mensch der Erde im Alter von 122 Jahren starb. Bei einem intensiven Studium der Hl. Schrift lassen sich dennoch einige Aussagen über das Alter und den Umgang mit der betagten Generation ausmachen.
Heilsverheißung und Dienst der Verkündigung
Es würde den älteren Menschen in der Gesellschaft nicht gerecht, wenn sie als ‘Generation Nicht-Mehr’ bezeichnet werden. Dem setzt die Bibel eine ausgesprochen positive Heilsverheißung entgegen, wenn es in Psalm 92 heißt „Sie tragen Frucht noch im Alter“. Ja mehr noch: Das Buch Kohelet ruft sogar zur besonderen Tatkraft und Freude, trotz Vergänglichkeit des Lebens, auf. Der alternde Mensch darf sich dabei immer bewusst sein, dass Gott gesagt hat: „so alt ihr auch werdet, bis ihr grau werdet, will ich euch tragen“ (Jes 46,4). Jedoch meint die Bibel damit keinen lockeren Ruhestand, in dem man seinen Lebensabend gemütlich ausklingen lässt. Vielmehr wird die große Verantwortung betont, die der weisen Generation zukommt. Der Brief an Titus (2,2) zeichnet eine Art Vorbildfunktion der Alten gegenüber den Jungen, indem sie „achtbar, besonnen, stark im Glauben, in der Liebe, in der Ausdauer“ sein sollen.
Konkret lassen sich vier Personen im Neuen Testament finden, die durch ihren Dienst der Verkündigung als betagte Propheten bezeichnet werden können: Der greise Simeon, die hochbetagte Hanna und Zacharias mit der schwangeren Elisabeth, die im vorgerückten Alter waren. Sie alle haben nicht mehr am Fließband der großen Produktionsfirmen gestanden, sie haben vielmehr einen ihrem Alter entsprechenden Dienst für die Gesellschaft ausgeübt. Von Hanna heißt es beispielsweise, dass sie „sich ständig im Tempel“ aufhielt und dort „Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten diente“ (Lk 2,36-38). Diese betagten Propheten stellen deutlich vor Augen: Das Alter fordert Aktivität statt sozialer Isolation und jeder hat eine Aufgabe in der Gesellschaft. Auch heute sind unzählige Großeltern aktiv, wenn sie ihren Enkelkinder ein zweites Zuhause schenken oder ehrenamtlich in Vereinen, Parteien tätig sind.
Wertschätzung und Unterstützung
Ein zweiter Aspekt über die alte Generation bringt die Bibel zum Ausdruck, wenn sie sagt „die Zier der Alten“ ist „ihr graues Haar“ (Spr 20,29) und den jungen Menschen unmissverständlich anweist: „Du sollst vor grauem Haar aufstehen, das Ansehen eines Greises ehren“ (Lev 19,32). Es gilt, den Alten in der Gesellschaft eine besondere Wertschätzung und Unterstützung entgegen zu bringen. Das 4. Gebot der 10 Gebote (Dekalog) lautet: „Ehre deinen Vater und deine Mutter, wie es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht gemacht hat, damit du lange lebst und es dir gut geht in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt“ (Dtn 5,16). Eine biologische Engführung an dieser Stelle gilt wohl als unangemessen und daher dürfte die Auslegung hier nicht nur auf die leiblichen Eltern beschränkt bleiben. Vielmehr wird diese Ehre und Fürsorge für die Vorfahren sogar eng gekoppelt an das persönliche Wohl im Hinblick auf ein langes Leben und das Wohl des ganzen Volkes. Die Schutz- und Wohlstandszusage Gottes ist somit an die Wertschätzung der Volksvorfahren gebunden und den Alten kommt somit eine besonders hohe Stellung zu. Ein gottloses Volk ist hingegen jenes, „das sich dem Greis nicht zuwendet“ (Dtn 28,50).
Gesellschaft, Ökonomie und die Bibel
Kann die Bibel also Antworten auf die aktuellen Fragen nach Generationengerechtigkeit, Rentensystem und gesellschaftlichen Miteinander geben? Es scheint wohl auf ein klares und deutliches „Jein“ hinauszulaufen. Sicher können aus der Hl. Schrift keine Empfehlungen für das optimale Rentenalter, den richtigen Beitragssatz zur Rentenversicherung und keine handfesten Argumentationen für politische Standpunkte abgeleitet werden. Was die Bibel hingegen bieten kann, ist eine Leitlinie für ein gutes Miteinander in dieser politisch so hochbrisanten Diskussion. Mit der Bibel muss jede noch so kleine Form von Altersrassismus zurückgewiesen werden, die sich nur zu oft in den allgemeinen Sprachgebrauch eingeschlichen hat. Dort wo falscher Jugendkult droht und nur die ökonomisch (teure) Seite des Alters betont wird, gilt es einzutreten für eine dankbare Wertschätzung und Unterstützung gegenüber der älteren Generation. Und dies ist dann schließlich ganz unabhängig von Renteneintrittsalter und Beitragshöhe.
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