Die skeptischen Blicke der Freunde sprechen Bände, wenn du sagst, dass du Home-Office eigentlich ganz gut findest und dich noch nicht mit deinem Partner gestritten hast. Ja, Covid19 ist immer noch in aller Munde und noch lange nicht vorbei. Doch haben sich viele von den Bekannten über die Nähe beschwert, die durch die übermäßige Heimarbeit entstanden ist. Warum es so ist und wie wir jetzt am besten weiter durchhalten.

Es fühlt sich an, als wäre es erst gestern gewesen, als der harte Lockdown die einzige Option zur Eindämmung der Pandemie war. Vielleicht haben wir uns sogar ein bisschen darüber lustig gemacht, dass wir jetzt im Home-Office weniger arbeiten würden und mehr Zeit für die Beziehung hätten.
Anfangs war alles großartig!
Trotz der Maßnahmen haben wir uns über das gemeinsame Frühstück, das spätere Aufstehen, die kürzeren Wege zur Arbeit (nämlich nur die Wege zum Laptop) und auch das selbstgekochte Essen gefreut. Es schien, als könnte man Luft holen und auch noch nebenbei ein bisschen Freiheit gewinnen. Doch mit jedem Tag, den diese neue Freiheit anhielt, wurde es in vielen Beziehungen komplizierter.
Wenn man früher gestritten hat, gab es genug Möglichkeiten, sich aus dem Weg zu gehen. Mit Sicherheit trifft es vor allem auf Menschen in Großstädten zu. Durch die Knappheit des bezahlbaren Wohnraums sind viele Paare und auch Familien mit Kindern dazu gezwungen, auf engstem Raum zusammen zu wohnen und auszukommen. Das führt nicht selten zu Konflikten, denn jeder Mensch braucht einen eigenen Rückzugsort und auch Freiraum. Das gestaltet sich umso schwieriger, wenn beide Partner zu Hause sind.
Die Rolle der gemeinsamen positiven Erlebnisse

Wo man früher durch die Arbeit, von Zuhause fort musste und die Zeit ohne Partner verbracht hat, dadurch Ablenkung hatte, ist jetzt nur noch vielleicht das Badezimmer da, um sich nicht in die Quere zu kommen. Verstärkt wird das Ganze noch zusätzlich davon, dass Reisen und auch sonstige Unternehmungen einfach nicht möglich waren oder die Furcht und das Risiko zu groß waren, sie doch durchzuführen. Das kann man insgesamt als eine Durststrecke ohne positive Erlebnisse bezeichnen, die für viele Pärchen zur Hürde wurde, oder wiederum eine Minderheit zusammengeschweißt hat.
Wofür bin ich trotzdem dankbar?
An dieser Stelle hilft es vielleicht, sich zu fragen, wofür man dankbar ist. Natürlich hat jeder von uns einen beträchtlichen Teil seiner oder ihrer Freiheiten eingebüßt. Aber wenn wir uns daran erinnern, dass wir damit möglicherweise das Menschenleben eines Großvaters gerettet haben, wirft es ein ganz anderes Licht auf die Sache. Ja, vielleicht ist es nur ein kleiner Prozentsatz an Menschen, die dem Virus erliegen. Aber wenn wir uns vorstellen, dass unsere geliebte Großmutter zu diesem Prozentsatz gehören könnte, sehen wir es auch anders.
Auch können wir dafür dankbar sein, dass unser Partner seinen Job noch hat, dass wir kaum von Lebensmittelmängeln oder sonstigen elementären Knappheiten betroffen sind. Irgendwo auf dieser Welt gibt es immer jemanden, dem es tausendmal schlechter geht, als uns. Das ist zwar nicht in erster Linie unsere Messlatte, aber wenn wir uns immer mit denen vergleichen, denen es besser geht, warum dann nicht auch andersherum? Für irgendwen auf dieser Welt sind wir es, denen es besser geht. Es ist immer eine Frage des Perspektive.
Die XXL Lupe
Durch die viele Zeit mit dem Partner sehen wir viel mehr Dinge, die wir sonst nicht sehen würden. Vielleicht nehmen wir auch vieles einfach deutlicher wahr, als sonst in der Hektik morgens oder im Feierabendmodus. Tatsache ist, auch unsere Sicht auf den Menschen, den wir lieben verändert sich auch stetig. Und das sollten wir akzeptieren, in dem Wissen, dass auch seine Sicht auf uns sich stetig verändern kann.
Aber was kann man denn noch tun, außer umzuziehen in eine Wohnung mit mehr Zimmern? Vielleicht eine banale Idee, aber gemeinsam oder alleine Sport machen, Joggen, einem eigenen Hobby nachgehen. Wenn wir uns auf uns selbst konzentrieren, laufen wir weniger Gefahr, unseren Partner mit unserer Unzufriedenheit zu konfrontieren. Wir arbeiten an uns, um jeden Tag besser zu werden. Denn wir wissen; wenn wir an uns arbeiten und besser werden, dann wird es die Beziehung mit hoher Wahrscheinlichkeit auch werden. Wer alleine nicht glücklich oder mit sich nicht im Reinen ist, wird dieses Glück und Zufriedenheit wohl kaum in einer Beziehung finden. Nur wenn wir auch alleine glücklich sind, können wir etwas weitergeben. Sei es Liebe, Fürsorge oder Glück.
Matthäus 7: „Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge siehst du nicht?“
Es steckt viel Wahrheit und auch Weisheit in diesen Worten. Wir neigen zu oft dazu, zu übersehen, dass wir nicht perfekt sind und dass unsere Art, die Dinge zu sehen, nicht die einzig richtige ist. Wir haben ja auch noch nie vorher in der Haut des anderen gesteckt und wir wissen viel zu wenig. Es ist leicht, Dinge an dem Partner zu kritisieren und die eigenen Unzulänglichkeiten zu übersehen. Es passiert auch bei den kleinsten Dingen im Alltag immer wieder. Aber auch hier heißt der Schlüssel zur Besserung: Reflektion.
Das Zauberwort heißt: Reflektion. Je mehr und häufiger wir reflektieren, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir beim nächsten Mal nicht überreagieren und uns erstmal damit begnügen, dass jeder Mensch seine eigenen Schwächen hat. Und seien wir mal ehrlich: Wäre es nicht schrecklich, wenn alle perfekt wären und ohne jegliche individuelle, liebenswerte Eigenheiten? Denn Tatsache ist, dass wir uns für den Menschen neben uns aus Gründen entschieden haben, dass wir ihn so lieben, wie er oder sie ist. Und gerade die Eigenheiten machen die Menschen, die wir lieben, zu ihnen selbst.
Es ist kein Geheimnis, dass nur etwa 10 Prozent der Anteil ist, den eine Situation und ihre Eigenschaften ausmachen, die anderen 90 Prozent macht unsere Wahrnehmung aus. Das ist insofern erschreckend, dass wir eigentlich im wahrsten Sinne des Wortes unseres Glückes Schmied sind. Ist es nicht ein großartiges Gefühl, zu wissen, dass wir alles selber beeinflussen können? Es ist nur eine Frage des richtigen Know-Hows und wir wären glücklicher, langfristig zufriedener und hätten die komplette Kontrolle und Macht über uns und über unser Leben.
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