Warum werden umstrittene Denkmäler eigenmächtig abgerissen? Diese Akte des Protestes sind Teil einer aktivistischen Bewegung, welche die Geschichte in die Kategorien Gut und Böse sowie „nützlich“ und „nutzlos“ einteilt. Die Folge dieser Kategorisierung ist ein erinnerungspolitischer Rigorismus, der ein Richtschwert in Form des moralischen Fortschritts über die Geschichte hebt. Ein Kommentar von Timo Feilen.

Shame on you!
Derzeit soll man sich für vieles schämen. Die jüngsten Ausartungen dessen, was gerne mit dem Schlagwort ‚Cancel Culture‘ versehen wird, sind so rigoros wie selten zuvor. Die französische Feministin Caroline Fourest hat in ihrer unlängst erschienenen Streitschrift „Generation Beleidigt. Von der Sprachpolizei zur Gedankenpolizei. Über den wachsenden Einfluss linker Identitärer“ weniger einen theoretisch ausgeklügelten Erklärungsversuch dieser schambesetzten Verbotskultur vorgelegt, denn eine Anthologie vieler zweifelsohne absurd erscheinender Beispiele. Neben Stars und Sternchen, denen aufgrund des Vorwurfes ihrer ‚kulturellen Aneignung‘ – etwa, weil sie Dreadlocks tragen, die in bestimmten Kreisen als genuin ‚schwarz‘ gelten, – geraten wird, dass sie sich schämen sollten, berichtet sie auch von weißen Dozenten amerikanischer Universitäten, die sich ob ihrer Hautfarbe und den damit verbundenen Privilegien schämen sollen.
In drastischen Fällen, so 2017 an der Universität Evergreen in Washington geschehen, wird ein Dozent, der vor neuer Segregation im Deckmantel des Antirassismus warnte, kurzerhand von einem Mob überwiegend weißer und privilegierter Studenten dazu aufgefordert, die Universität zu verlassen. Weiß-Sein, so die Studenten, sei gleichbedeutend mit Rassist-Sein. Ein besonderes Medien-Echo fand die Black-Lives-Matter-Bewegung, in deren Rahmen nicht nur in Amerika und England Denkmäler entweder eigenmächtig ganz abgerissen, beschädigt oder übermalt wurden. Aufschlussreich ist der Fall Bristol: Hier warfen Aktivisten das Denkmal des Sklavenhändlers Edward Colstons kurzerhand ins Wasser und ersetzten es durch ein Denkmal, das die Black-Lives-Matter-Bewegung rühmen soll. Dieser mitunter als Siegeszug der Gerechtigkeit proklamierte Akt wurde in Ansätzen in London wiederholt. Hier war es Winston Churchill, der den Aktivisten ein Dorn im Auge war – Churchill sei ein Rassist, so der Vorwurf. Auch ein Bismarck-Denkmal in Hamburg blieb nicht verschont und wurde mit roter Farbe versehen. Dies sind keine isolierten Akte, sondern Teil besagter „Cancel Culture“, die an den Universitäten Schützenhilfe durch Diskurse der Postcolonial-Studies erhält.
Das Schweigen der Männer
Ziel dieser dezidiert politischen Bewegung ist es, auf eine scheinbar bruchlose Kontinuität zwischen dem Kolonialismus und einer postkolonialen Welt hinzuweisen: ‚Koloniale Strukturen‘ seien heute noch allgegenwärtig. Sie werden durch Schlagworte wie „Patriarchat“, „Klasse“, „Heteronormativität“, „Macht“ und „Epistemizid“ bezeichnet. Sie zu überwinden, bedürfe einer ‚Geschichte von unten‘ – dabei müsse man gegen die dominierenden Erzählungen vorwiegend alter, weißer, heterosexueller und rassistischer Männer ankämpfen. Der öffentliche Raum, der eigene Körper, die Kunst, Bücherregale und insbesondere auch die Lehrpläne von Universitäten müssten ‚dekolonisiert‘ werden.
Dabei werden regelrechte Sprechverbote erteilt: Wer etwa alt, weiß und männlich ist und sich anmaße, über den Kolonialismus in Afrika zu sprechen, bestärke, so die Aktivistin Natasha A. Kelly, rassistische Strukturen. Wer aus einer ‚weißen Perspektive‘ über den Kolonialismus spricht, bestärke die bestehende Unterdrückung auf der Ebene ‚epistemischer Gewalt‘. Die vorläufige Konsequenz: Wer angemessen über Schwarze sprechen will, muss selbst schwarz sein. Wer nicht in seiner unmittelbaren Identität betroffen ist, hat zu schweigen. Auch an deutschen Universitäten häufen sich die Beispiele solcher auf Identitätspolitik beruhenden Sprechverbote. Der realpolitische Imperativ ist offensichtlich. Erstens: Schweig´, alter weißer Mann, du hast nichts zu sagen. Zweitens: Schäm dich dafür, dass du dich überhaupt wagtest, zu sprechen.
Komplexität und Symbole
Das Stürzen von Denkmälern ist neben Kündigungen eine weitere materielle Ausformung dieser „Cancel Culture“. Hier werden keine Redeverbote erteilt, sondern gleich Bild- oder Geschichtsverbote. Zweifelsohne produzieren die Aktivisten noch drastischere Bilder, etwa, wenn sich im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung Weiße von Schwarzen an Ketten legen und auf allen Vieren durch die Straßen führen ließen oder sich Narben aufmalten, die an die Narben ausgepeitschter Sklaven erinnern sollten. Diese Akte eines modernen Flagellantentums sind wohlmöglich der Gipfel des symbolischen Protestes. Dennoch offenbaren die Angriffe auf Denkmäler wie kein anderer Akt einen Kern der Ideologie. Kritische Kommentatoren wie etwa Jonas Anderson (Die Zeit) warnten im unmittelbaren Anschluss an die Aktionen vor einem drohenden „moralischen Rigorismus“, der dann erreicht sei, wenn man jedes Denkmal einer Person, die nicht den moralischen Ansprüchen unserer Zeit genüge, entfernen wolle.
Neben seiner Aufforderung, Ambivalenzen und widersprüchliche Komplexitäten der Geschichte auszuhalten, finden sich auch Kommentare, die dafür plädieren, die Denkmäler nicht gleich abzureißen, sondern sie entweder durch kritische Informationen auf Tafeln zu ergänzen oder einen künstlerischen Umgang mit ihnen zu finden. So schlägt etwa Jürgen Zimmerer gegenüber dem Deutschlandfunk vor, Denkmäler mit kolonialem Inhalt auf den Kopf zu stellen. Auch könnte man darauf hinweisen, dass Denkmäler in unterschiedlichen historischen Kontexten unterschiedliche Funktionen erfüllen. Sie sind nicht notwendigerweise erinnerungspolitische Einbahnstraßen, die zu jeder Zeit zur Vergötterung des Dargestellten auffordern. Der Historiker Ulrich van der Heyden meint im Interview mit Novo Argumente, es bringe nichts, die Denkmäler zu stürzen, wenn man sich nicht mit den historischen Wahrheiten, also Komplexitäten, auseinandersetze.
„Kein echter Rassist“, meint van der Heyden, „wird sich durch solche Aktionen in seiner Meinung bekehren lassen“. Van der Heyden stellt nicht als einziger die Frage nach dem Verhältnis von zuweilen selbstgerechter und identitätsstiftender Symbolpolitik und tatsächlichen politischen Veränderungen. Durchaus war das Bekenntnis zu ‚BLM‘, etwa auf Instagram, mit einem unverkennbaren sozialen Druck versehen. Wer kein Bild der Farbe schwarz postete, um sich mit der Bewegung zu solidarisieren, musste sich nicht selten den ungemütlichen Vorwurf der Solidaritätsverweigerung oder gar des Rassismus gefallen lassen: „Bist Du nicht gegen Rassismus?“ Influencer posierten vom ersten Tag an stolz und wie eh und je hervorragend gestylt vor der Kamera. Leicht hatte man das Gefühl, dass es sich bei vielen Solidaritätsbekundungen um nichts weiter handelte als um eine Ausstellung moralischer Überlegenheit.
Krankheit…
Entgegen dieser um Komplexitätssteigerung bemühten Einwürfe häuften sich auch begeisterte Stimmen, wie etwa die von Wafaa Albadry, die in der Deutschen Welle meint, Geschichte müsse voranschreiten, um gesund zu werden: „Der Rassismus ist keineswegs Geschichte. Die Wunde ist weiterhin offen; sie ist nie verheilt. Und sie wird nie verheilen, so lange Parks und Universitäten mit den Statuen von Sklavenhändlern und Kolonialisten geschmückt werden.“ Dieser Kommentar ist nicht nur aufgrund des nicht sonderlich geschickt versteckten Vorwurfes, Universitäten würden sich ganz bewusst mit rassistischen Denkmälern schmücken, als seien sie per se Teil einer ‚kolonialen Matrix‘ und als wären sie stolz auf Kolonialismus und Rassismus, aufschlussreich, sondern auch, weil er in idealtypischer Weise das Geschichtsverständnis der Aktivisten zusammenfasst. Die Metaphern aus dem körpernahen und medizinischen Bereich sind nicht zufällig gewählt. Hinter ihnen verbirgt sich die Vorstellung der Geschichte als einer organischen Struktur, die mit den Augen eines Pathologen (besser: einer Pathologin) betrachtet werden muss. Wenn Geschichte ‚krank‘ ist, kann sie auch die ihr unterworfenen Subjekte krank machen – man kann demnach an der Geschichte erkranken und Opfer ihrer ‚Struktur’ werden. Sogleich kann Geschichte, und mit ihr die betroffenen Patienten, dann aber auch einem Heilungsprozess unterzogen werden. Wenn die Makrostruktur der Geschichte gesund werden soll, muss mit der Mikrostruktur der Mentalitäten begonnen werden.
… und Heilung
Die Denkmäler, an denen sich der Hass der Aktivisten entlädt, erinnern dabei durchaus an Voodoo-Puppen, die von den Gläubigen mit Nadeln malträtiert werden, um realen Menschen Schaden hinzuzufügen. Das Denkmal symbolisiert in den Augen der Aktivisten nicht unmittelbar eine reale Person, sondern gleich die Geschichte. Wenn also dem Denkmal Schaden zugefügt wird, dann hat man damit gleichzeitig der rassistischen und kolonialen Geschichte entscheidenden Schaden zugefügt. Gleichwohl gibt es eine feine Nuancierung: Die Voodoo-Puppe soll nicht ganz verschwinden, denn damit würde sich die Möglichkeit, reale Veränderungen zu bewirken, in Schall und Rauch auflösen. Die Aktivisten hingegen gehen davon aus, dass das Stürzen des Denkmals die ‚kolonialen Strukturen‘ aufzulösen hilft. Wenn alle bösen Gestalten aus dem öffentlichen Raum verschwunden sind, sind auch Kolonialismus und Rassismus in zunehmende Distanz gerückt: Wenn man das Unding nicht mehr sieht, so diese Logik, dann existiert es auch nicht mehr.
Die Denkmäler werden als noch heute aktiv handelnde Akteure der Geschichte verstanden, die eine ‚Verheilung der Wunde‘, also eine allgemeine Genesung der als Singulärstruktur aufgefassten Geschichte, verhindern. In einem ersten Schritt werden hierbei Geschichte und Erinnerung verwechselt, in einem zweiten werden sie gleichgesetzt. Wenn die Denkmäler handelnde Subjekte des heute erlebten Schmerzes sind, dann sind sie auch gleichsam eine Ursache des Schmerzes, der einerseits historisch ist und andererseits weiterhin andauert. Die Denkmäler müssen verschwinden, denn sie verursachen jeden Tag Schmerzen. Schmerzen sind schlecht und darum bekanntlich zu vermeiden – Geschichte wird hier im Rahmen eines Reiz-Reaktions-Schemas verstanden: Es gibt klar benennbare Ursachen für eine Reaktion. Will man die Reaktion verändern, muss ‚Ursachenbekämpfung‘ stattfinden.
Binäres Erinnern
Das Verhalten der Aktivisten könnte man als Teil eines Binären Erinnerns bezeichnen, das keine Grauzonen, sondern ausschließlich Null oder Eins kennt. So sollen die Denkmäler nicht ergänzt oder kontextualisiert werden, sondern sie sollen vollständig verschwinden, weil sie dem moralischen Fortschritt von Gesellschaft und Geschichte im Wege stehen. Sie sind böse und verursachen Schmerzen. Und wer, so Albadry, „solche Symbole einer rassistischen Vergangenheit“ vor ihrer Zerstörung schützen möchte, verhindere, „dass die Zukunft besser wird“. In anderen Worten: Wer sich dem angestrebten moralischen Fortschritt der Geschichte in den Weg stellt, ist ein Rassist und reiht sich in der Tradition des Kolonialismus ein. Durchaus wird hier das Politische im Sinne Carl Schmitts bemüht, der dessen Wesenskern in der Freund-Feind-Unterscheidung sah: Entweder du bist für oder du bist gegen mich. Das Binäre Erinnern basiert wesentlich auf dieser eindeutigen Unterscheidung zwischen Freund und Feind, auf deren Grundlage wiederum die logische und folgerichtige Entscheidung getroffen werden kann, ob etwas weg muss oder bleiben kann. Hierbei handelt es sich nicht nur um einen moralischen Rigorismus, vor dem auch Anderson warnt, sondern um einen erinnerungspolitischen, dessen Folgen zugleich weitreichender und nachhaltiger sind.
Diese Form der Erinnerungspolitik setzt einen moralischen Standard, der ab heute gilt, und letztlich schon für die Vergangenheit zu gelten hatte. Die opponierenden Kategorien „gut“ und „böse“ werden dabei an die Kategorien „nützlich“ und „nutzlos“ gekoppelt. Was nicht gut ist, ist aus der Sicht eines moralischen Fortschritts nicht nützlich und muss demnach entfernt werden. Dieses Binäre Erinnern gleicht einem Nullsummenspiel, das durch die Ersetzung des Colston-Denkmals durch das BLM-Denkmal veranschaulicht werden kann. Die Erinnerung des einen verhindert die Erinnerung des anderen – solange Colston steht, ist die aktivistische Bewegung gescheitert und der Rassismus hält an. Erst wenn alle Denkmäler entfernt sind, kann ein ‚neutraler‘ erinnerungspolitischer Grund geschaffen werden.
Positivismus
Interessant ist dabei zunächst der offensiv utilitaristische Charakter, der Fragen aufwirft. Freilich soll nicht nur die Gestaltung des öffentlichen Raumes eines moralischen Fortschritts im Sinne eines Nützlichkeitsnarrativs unterzogen werden. Weil die Welt auf einen paradiesischen Zustand zulaufen soll, indem es keine Ungerechtigkeiten aufgrund von Geschlechtsunterschieden, keinen Rassismus, keine Armut, keinen Hunger, keine Kriege, keine Heternormativität etc. mehr geben soll, sollen auch Sprache, Grammatik und eben auch die Erinnerung an diesen moralischen Referenzrahmen angepasst werden. Um in dieser Logik zu verweilen: In jenem Moment, in dem man ein Denkmal (ein Kunstwerk, eine Schrift, eine Grammatik, ein Begriff) existieren lässt, das den moralischen Ansprüchen des Jetzt nicht gerecht wird und erst recht nicht den angedachten Ansprüchen von morgen, arbeitet man aktiv gegen diese gerechte Welt von morgen und ist damit zugleich ihr Feind.
Besonders problematisch wird es, wenn die eigene Identität als Maßstab für den moralischen Referenzrahmen herhalten muss. Albadry steht nicht isoliert da, wenn sie sagt: „Für mich, als schwarze Frau, ist die Entfernung dieser Symbole des Rassismus zwingend notwendig und hätte schon vor langer Zeit passieren müssen.“ Das durchaus richtige Ansinnen, Rassismus und Kolonialismus zu überwinden, wird hier einerseits seiner universalistischen Bedeutung beraubt, wenn es an die Hautfarbe gebunden wird, andererseits aber ist in weniger ‚moralisch eindeutigen‘ Fällen durchaus zu fragen, wer darüber entscheiden soll, den moralischen Referenzrahmen überhaupt zu setzen.
Gleichheit vor dem Gesetz?
Um es plakativ in das politische Gegenteil zu wenden: Würde man, just mit derselben Argumentation der Binären und fortschrittsoptimistischen Erinnerungspolitik, die in Deutschland stehenden Denkmäler Lenins stürzen, indem man darauf verwiese, dass diese der demokratischen Grundordnung im Wege stünden und allein im Zuge des sowjetischen Kommunismus um die 20 Millionen Menschen ums Leben kamen und Lenin schließlich einer der Schlüsselfiguren des Kommunismus sei, wie fiele dann die öffentliche Resonanz aus?
Sicherlich gäbe es Historiker, die darauf hinweisen würden, dass man Lenin nicht als Personifizierung der Gewalttaten des Kommunismus sehen dürfe, denn das sei schließlich eine unterkomplexe Betrachtung der Geschichte. Ganz im Sinne eines moralischen Fortschritts würde es aus einem anderen Lager heißen, dass diese Schritte nicht radikal genug seien. Man müsse auch sämtliche Marx-Denkmäler zerstören, denn es sei einseitig und unterkomplex, Marx lediglich als humanistisch gesinnten Ideengeber der Arbeiterbewegung zu bewerten. Ähnlich zu den Postcolonial-Studies könnte in Postcommunist-Studies argumentiert werden, die gewalttätigen Strukturen des Kommunismus seien heute so stark wie eh und je vorhanden, ein Band der Gewalt liege über zerrissenen Familien, während Nordkorea noch heute Menschen im Namen der Idee des Kommunismus foltere und töte. Und sicherlich kämen Argumente auf, die im Marx-Denkmal in Trier eine unmittelbare Verbindungslinie nach Pjöngjang sehen.
History – Do it yourself!
Man könnte auch „Postchristian-Studies“ einberufen, die in jeder Kirche und jedem christlichen Kunstwerk eine Misere sehen, die für Unterdrückung, Macht, Gewalt und Patriarchat steht. Blickte man mit einem erinnerungspolitischen Utilitarismus auf diese Gebilde, müsste man ohne Umwege zum Schluss kommen, dass sie schlichtweg im Wege stehen. Weg also mit den Kirchen, um Schwimmbädern den Weg zu bahnen? Wer mag das in einem Akt entscheiden, besser: wer ermächtigt sich dazu, über den moralischen Fortschritt der Geschichte zu urteilen – und wer setzt den moralischen Maßstab über akzeptabel und nicht akzeptabel?
In Bristol und andernorts hat man sich dazu entschieden, den ersten Stein zu werfen: nicht, weil man ohne Schuld ist, sondern im Gegenteil – weil man seine historische Schuld erkannt hat, und nun das Gefühl hat, handeln zu müssen. Angesichts der Härte dieses Falls ist es nicht übertrieben, diese Aktion als Selbstermächtigung der Selbstgerechten im Modus des Binären Erinnerns zu bezeichnen. Denn sie haben entschieden, was erinnert werden soll und was nicht. Ganz im Geiste des Bricolage-Selbstverständnisses der Postmoderne wird Geschichte hier als Erlebniswelt zum Anfassen und Mitmachen begriffen. Sollten die selbstgesetzten Denkmäler der BLM-Bewegung den ‚Test of Time‘ bestehen und noch in hundert Jahren an Ort und Stelle zu finden sein, wird man in ihnen vermutlich nicht nur ein Zeichen des Antirassismus und des Einsatzes für Gerechtigkeit, sondern auch ein Zeichen erinnerungspolitischer Selbstgerechtigkeit und ein Symbol des Binären Erinnerns finden.
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