Wer die Schauplätze der Bibel hautnah erleben möchte, dem sei eine Reise in das Hl. Land empfohlen. Die Orte des Wirkens Jesu Christi strahlen unzweifelhaft eine magische Anziehungskraft aus. Wem die Reise nach Israel jedoch zu weit, die Sicherheitslage zu unsicher erscheint, oder den Blick auf die Geschichte des jungen Christentums legen möchte, dem stellt f1rstlife-Reporter Lukas Schröder einen Geheimtipp vor: Die Türkei.

Zunächst mag man gar nicht vermuten, dass die Türkei eine Wiege des Christentums ist. Die gegenwärtigen Bilder von den Auseinandersetzungen zwischen dem türkischen Staat und den Kurden und das Wissen um die politische Unterdrückung der Christenheit zeichnen ein schwieriges Bild von dem Land, welches etwa gleich viele Einwohner wie die Bundesrepublik Deutschland hat. In sieben Tagen konnte ich – trotz aller Schwierigkeiten – einen anderen Eindruck von der Region Kleinasien und seine große Bedeutung für das frühe Christentum gewinnen.
Antalya – Start an der sonnigen Riviera
In wenigen Stunden bringt der Flieger meine Reisegruppe und mich an die türkische Rivera, ins sonnige Antalya. Das beliebte deutsche Urlaubsziel mit seinen malerischen Steilküsten macht heute einen modernen Eindruck, lediglich das Hadrianstor lässt die historische Bedeutung erahnen. In der Apostelgeschichte begegnet Antalya mit seinem antiken Namen Attalia (Apg 14,24-26). Die erste Missionsreise des Apostels Paulus (46-47 n. Chr.) führte ihn hier in die Region Pamphylien, in die Stadt Perge und schließlich nach Attalia. Von dort fuhr er mit seinen Begleitern mit dem Schiff nach Antiochia.
Der nächste Tag führt nach Side, einer bedeutenden antiken Stadt östlich von Antalya, deren gut erhaltene und rekonstruierte Ruinen uns begeistern. Von dort geht es in das bereits erwähnte Perge, in dem Paulus und Barnabas zweimal Halt machten, zunächst Apg 13,13 und schließlich Apg 14,25. Das 15.000 Zuschauer fassende Stadion und die ausgedehnte Thermenanlage mit Aquädukt zählen hier zu den Sehenswürdigkeiten. Ehe wir Pamphylien verlassen, führt unsere Weiterfahrt im Kleinbus noch über Aspendos, dessen Theater mit seinen 20.000 Plätzen als eines der am besten erhaltenen Theater der Antike gilt und heute wieder für musikalische Aufführungen genutzt wird.
Die Sieben Gemeinden der Offenbarung des Johannes
Von der Rivieraküste fahren wir Richtung Norden in das Gebiet, in dem die sogenannten Sieben Gemeinden der Offenbarung liegen. Johannes verfasste an jede Gemeinde ein Sendschreiben, welche im zweiten und dritten Kapitel der Offenbarung überliefert sind und die frühchristlichen Gemeinden ermutigen und ermahnen sollten. Von den Gemeinden besuchen wir zunächst Laodicae, Smyrna (das heutige Izmir), Pergamon und später Ephesus. Die Region Phrygien hält für uns zudem noch weitere Highlights bereit: Eindrucksvoll ist Hierapolis, die „Heilige Stadt“, mit seiner gigantischen Nekropole, welche mehr als
1.200 Gräbern zählt. Hier soll nach nicht-biblischen Berichten Philippus, einer der sieben Diakone, sein Martyrium erlitten haben und begraben worden sein. Die Philippus-Basilika ist aber nur noch in Ruinen erhalten. Überwältigend sind die gigantischen Kalksinterterrassen in Pamukkale, welche auf der Liste des Weltkulturerbes der UNESCO stehen und über Jahrtausende durch kalkhaltige Thermalquellen entstanden sind.
Diese Thermalquellen scheinen auch Johannes bekannt gewesen zu sein, als er Gemeinde in Laodicae schreibt: „Du bist weder kalt noch heiß [sondern] lau“ (Offb 3,15f.) Am Abend können wir dies angenehm nachvollziehen, als wir die herrlichen Thermalquellen genießen.
Tempel der Artemis, Maria und Paulus – Ephesus der Höhepunkt
An der Ägäisküste angekommen, besichtigen wir Ephesus, den unumstrittenen kulturellen Höhepunkt dieser Reise und der westlichen Türkei. Im Altertum eine der bedeutendsten und größten griechischen Städte; unter römischer Oberhoheit wurden sogar 200.000 Einwohner gezählt. Ephesus war somit eine antike Metropole. Hier stand der Tempel der Artemis, eines der Sieben Weltwunder, von dem heute aber nur noch spärliche Ruinen erhalten sind. Der Apostel Paulus selbst geriet mit dem Artemiskult in Konflikt, nachdem zuvor Apollos den christlichen Glauben in Ephesus verkündigt hatte. Paulus besuchte Ephesus zweimal (Apg 18 und 19) und verbrachte vermutlich über drei Jahre dort, zum Teil in Gefangenschaft. Er verfasste dort seine Briefe an die Philipper und an Philemon, eventuell auch den Römerbrief, den ersten und zweiten Korintherbrief und den Galaterbrief. Schließlich wurde Paulus durch die Silberschmiede vertrieben, da er den Götzenkult mit silbernen Artemistempeln in Verruf brachte und die Künstler um ihre üppigen Einnahmen fürchteten. Die Apostelgeschichte berichtet, dass die Anwesenden im Theater „fast zwei Stunden lang [schrien] wie aus einem Mund: Groß ist die Artemis von Ephesus!“ (Apg 19,34).
Der Apostel Johannes soll in Ephesus gestorben und in der nahe gelegenen Johannes-Basilika begraben worden sein. In Verbindung damit stehen außerbiblische Berichte, dass auch die Gottesmutter Maria nach der Himmelfahrt Christi und der Trennung von den übrigen Jüngern mit Johannes in die Region um Ephesus gekommen ist. Sie soll dort abgelegen in einem Haus auf dem Nachtigallenhügel, dem heute sogenannten „Haus der Maria“, gelebt und gestorben sein. Der Ort ist heute ein kirchlich anerkannter Wallfahrtsort und wird ebenfalls von Muslimen besucht, die dort Maria als die Mutter des Propheten Isa ibn Maryam verehren.
Istanbul als Abschluss der Reise
Mit Kurzbesuchen in Bursa, der ehemaligen Hauptstadt des Osmanischen Reiches und der Konzilsstadt Nicäa (325 und 787) am Iznik-See, kommen wir in die Marmararegion. Hier liegt auch Troas, wo Paulus eine Vision hatte: „Ein Mazedonier stand da und bat ihn: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns!“ (Apg 16,9). Wäre das Christentum nach Europa gekommen, falls Paulus mit seinem Begleiter, dem Evangelisten Lukas, nicht den Entschluss gefasst hätte, auf seiner zweiten Missionsreise nach Europa aufzubrechen?
Weiter führt die Reise schließlich in Richtung des Zielortes Istanbul. Nach einer Fährüberfahrt über das Marmarameer und einem stundenlangen Verkehrschaos auf den Einfallstraßen in die mit circa 15 Millionen Einwohnern zweitgrößte Metropole Europas, fahren wir über den Bosporus, der Kontinentalgrenze zwischen Europa und Asien. Die Größe der Stadt mit ihrer imposanten Architektur und der malerischen Landschaft am Bosporus und Goldenen Horn beeindrucken uns nachhaltig.
In den drei Tage konnten wir hier nur einen minimalen Bruchteil der kulturellen Schätze erkunden: Die Sülemaniye und die Sultan-Ahmed Moschee, auch Blaue Moschee genannt, der Topkapi-Palast mit einem faszinierenden Panorama-Blick über Marmarameer, Bosporus und Goldenes Horn. Schließlich die Hagia Sophia, die trotz einem großflächigen Baugerüst im Inneren uns in tiefes Staunen versetzt. Daneben die unscheinbare Hagia Irene, in der das 2. Ökumenische Konzil, das Erste Konzil von Konstantinopel, dem ehemaligen Namen von Istanbul, im Jahre 381 tagte und in welcher das Nicänisch-konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis in seiner endgültigen Form festgesetzt wurde. Auch wenn Istanbul keine biblische Stadt ist, können wir hier doch das frühe Christentum erspüren. Deutlich wird dies nochmals beim Besuch der Chora-Kirche, dessen Mosaike und Fresken zu den bedeutendsten weltweit gehören und die bei einem Istanbul-Urlaub unbedingt zum Pflichtprogramm gehören sollte. Vor dem Rückflug schließen wir unsere Reise mit einem Besuch in der Georgskathedrale, dem Sitz des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomäus I., ab.
Fazit und Tipps
Uneingeschränkt kann festgehalten werden: Die Türkei ist für jeden, der den Spuren Pauli folgen will, eine Reise wert! Lohnenswert ist es, den biblischen Orten der paulinischen und johanneischen Briefliteratur und vor allem der Apostelgeschichte, zu begegnen. Landschaftlich haben uns die Regionen beeindruckt, auch wenn aufgrund der großen Hitze eine Reise in den Sommermonaten nicht zu empfehlen ist. Istanbul als kulturell-historischer Abschluss schlägt die Brücke von den urchristlichen Erzählungen, über die Konzilien bis hin in die Gegenwart mit ihrer spannungsreichen Pluralität und der nicht konfliktfreien Begegnung von Islam und Christentum. Unsere Reise wurde organisiert durch das Unternehmen ECE Studienreisen und vor Ort von Smyrnatour fachkundig begleitet, worauf niemand verzichten sollte, der einer inhaltlich gehobenen Exkursion gegenüber aufgeschlossen ist. Die Unterbringung in guten Hotels und die tadellose Organisation, inklusive Transfer im Kleinbus, ermöglichten es, genügend Energie und Ausdauer zu haben, um das anspruchsvolle Programm absolvieren zu können.
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