Endlich 18, endlich volljährig, endlich gänzlich selbstbestimmt , erst einmal raus von zu Hause, irgendwohin. Irland? Schafe und Kühe? Guinness? Grüne Wiesen und ganz viel Pampa? Auf den ersten Blick vielleicht. Für uns ist Irland der Inbegriff unserer neuen Freiheit und des Abenteuers dem wir uns stellen wollen: Drei Mädels in einem fremden Land, mit fremden Menschen und jeweils einem Rucksack Gepäck.

Es ist Samstagmorgen, wir liegen noch alle in unseren Betten. Durch den kleinen Spalt der Vorhänge fällt Licht; aus der linken Ecke des Raumes ist ein Schnarchen zu vernehmen. Ein tolles Geräusch um geweckt zu werden. Ich liege schlaftrunken im Bett, aber zu wach, um noch einmal einschlafen zu können. Über mir im Hochbett liegt Christina, leise flüstere ich in die Stille: „Christina?“. Sie verlagert ihr Gewicht auf die rechte Seite des Bettes, es knarzt. „Ja?“, antwortet sie, mit einer etwas belegten Stimme, die Nacht war kurz. Braune Locken hängen nun auf der rechten Seite des Bettes hinunter und sie fügt noch hinzu: „Es ist Viertel vor acht.“ „Och nö, schon Viertel vor acht“, denke ich mir, der Wecker ist auf halb neun gestellt. Das Mädchen, das irgendwo im linken Teil des Raumes schläft, gibt erneut einen lauten Schnarcher von sich. Reflexartig ziehe ich meine Bettdecke etwas höher, fast bis ans Kinn, als könnte ich so die Geräusche dimmen. Leise frage ich Christina: „Schläfst du noch?“, „Nein, wie denn? Hier ist es ja wie im Zoo.“ Ihr trockener Humor lässt mich schmunzeln und ich versuche das Schnarchen irgendwie auszublenden. Christina, Esther und ich haben die Nacht in einem Dubliner Hotel verbracht, unweit der O’Connell Street, Dublins meist befahrener Straße und einer der breitesten in ganz Europa.
Später, als wir den Frühstückssaal betreten, schallt uns aus den Lautsprechern Bob Marleys weiche Stimme mit „Every little thing is gonna be alright“, entgegen. In der alten, umfunktionierten Kirche riecht es nach frisch gebrühtem Früchtetee. „Was ist das denn für ‘ne Kiffermusik?“, fragt sich Esther, als sie ihr weißes, labbriges Toast in den Toaster schiebt und sich mit der Hüfte gegen die Tischkante lehnt. Ich muss mich daran erinnern, dass wir in Irland sind, auf einer Insel, die Iren lieben Musik, anscheinend auch schon zum Frühstück. „Naja, Bob Marley, es gibt sicherlich belebendere Musik am frühen Morgen, aber hey, ‘every little thing is gonna be alright’, was kann jetzt noch schief gehen?“, denke ich mir und nehme an einem der langen, dunklen Holztische Platz.
A lovely day for a Guinness
Es ist unser zweiter Tag in Dublin. Gestern haben wir schon das Trinity College, Irlands älteste Universität und die Molley Malone, eine Statue von Dublins berühmtester Fischhändlerin gesehen. Für heute steht eine Besichtigung des Guinness Storehouse auf dem Plan. Christina, Esther und ich machen uns auf den Weg, entlang der Patrick Street und vorbei an der St. Patrick’s Cathedral. Auf unserem Weg begegnen wir immer wieder Sängern und Musikern, die am Straßenrand mit einer Gitarre oder einem Keyboard ihr Können zeigen. „Hier sitzt echt an jeder Straßenecke jemand, der Musik macht, verrückt“, stellt Esther fest, während wir an der viel befahrenen Straße entlang schlendern. Die Autos rauschen vorbei, der Gestank von Benzin und Abgasen steigt uns in die Nase. Die meisten Menschen sind in Eile, es ist mittlerweile zehn vor eins. Erneut stehen wir an einer der vielen Fußgängerampeln. Die Ampel zeigt rot, ein gelb-blauer Doppeldeckerbus schneidet scharf die Kurve, er bremst ab, die Reifen quietschen. Kaum ist er vorbeigefahren, läuft die Masse der wartenden Fußgänger los, die Ampel zeigt immer noch rot. Esther und ich schauen erst uns fragend an, dann nach rechts und links. Die meisten Fußgänger haben bereits die Straße passiert, als die Ampel endlich grün anzeigt und uns Christina mit einem breiten Grinsen von der anderen Straßenseite zuwinkt. Die Kreuzung ist breit und als Esther und ich den Übergang zu zwei Drittel passiert haben, zeigt die Ampel orange an. „Wie witzig, dass es in Irland auch orangenes Licht für Fußgänger gibt“. Ich laufe die letzten Meter bis zur anderen Straßenseite etwas schneller.
Im Guinness Storehouse kostet der Eintritt für eine ermäßigte Schüler- und Studentenkarte 13 Euro, noch etwas das anders ist in Irland: Hier bekommen Schüler und Studenten nicht nur ermäßigte Eintrittspreise, sondern oft auch Rabatt im Supermarkt. Wir besichtigen das Gebäude, das die Form eines Pints hat. Es wird viel über die Geschichte, aber auch die Herstellung eines der berühmtesten und beliebtesten Exportmittel Irlands berichtet, dem „Guinness“. Im Eintrittsgeld inbegriffen ist ein kostenloses Guinness, das man in einer der drei Bars zu sich nehmen kann. Beliebt ist die Gravity Bar, wo man ein Pint Guinness oberhalb den Dächern von Dublin verkosten und dabei einen 360 Grad Rundumblick genießen kann. Die Sicht aus dem achten Stock ist atemberaubend, auch wenn das Wetter heute eher wechselhaft ist, erst Sonne, dann Regen, dem wir aber gut gelaunt mit Regenjacken und Schirm trotzen.
Let the music be your guide
Wieder auf der Straße kommen wir an einer großen Menschentraube vorbei, die einen Halbkreis um drei Musiker bildet, die am Straßenrand ihre Songs spielen. „The 68’s“ bringen zunächst nur drei junge Mädchen mit ihren High-Heels auf dem Kopfsteinpflaster zum Tanzen, aber schon bald scheint die halbe Straße mit zu wippen. Eines der Mädchen stürmt aus der Menge hinaus und steuert auf eine ältere Frau zu, die einen roten Trenchcoat trägt. Das Mädchen greift nach der Hand der Frau, „Hey, do you wanna dance with me?“, fragt sie und zerrt die Frau mitten hinein ins Getümmel. Auch wir lassen uns anstecken, obwohl wir noch immer nicht glauben können, dass es mittlerweile erst Viertel vor zehn ist. Wären wir daheim und würden an einem Samstagabend ausgehen, ständen wir gerade vor dem Spiegel und würden uns fragen, was wir anziehen.
Grün, grün, grün ist alles was wir seh’n
Nach dem Auschecken am nächsten Morgen machen wir uns auf den Weg zum Dubliner Busbahnhof „Busaras“. Hektisch laufen wir mit unseren großen Rucksäcken die O’Connell Street hinunter, in einer halben Stunde fährt der Bus nach Galway ab. „Wir finden das nie, Käthe geh’ mal da im Subway nachfragen!“ „Warum eigentlich immer ich, ihr könnt auch Englisch!“, protestiere ich. Die beiden werfen mir einen allessagenden Blick zu, grinsend betrete ich den Laden. Ein rotblonder Ire erklärt mir in breitem Englisch den Weg, indem er eifrig und bestimmt auf einem Stadtplan einige Kreise und Kreuzchen macht. “Okay, that’s the easiest way, I give you a 100-percent- guaranty, if that doesn’t work come back and you’ll get something for free!” Ich bedanke mich und bin erneut erstaunt über die Hilfsbereitschaft der Iren, mit der sie Touristen stets begegnen. Dank der Wegbeschreibung finden wir schnell den Busbahnhof. Auf der vierstündigen Busreise quer durch Irland, bis nach Galway im Westen des Landes, haben wir zum ersten Mal die Möglichkeit etwas von der Landschaft zu sehen. Saftige grüne Wiesen auf denen gelegentlich Schafe oder Kühe weiden, wechseln sich mit kleinen Ortschaften ab. „Echt wie im Reiseführer, aber voll schön!“ stellt Christina mit einem Blick aus dem Fenster fest.
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