Zeit verbringen am Lieblingsort: Das macht einen Ort besonders

„Wo verbringt Ihr am liebsten Eure Zeit? Mit welchem Ort verbindet Ihr besondere Erlebnisse und Erinnerungen?“ Diese Fragen habe ich Studenten aus aller Welt gestellt. Hier ihre vielseitigen Antworten.

Mu Yu, 22, aus Chongqing, China

Mu Yu ist in Chongqing aufgewachsen und studiert auch dort. Sie reist selten, China hat sie bisher nicht verlassen.
„Ich denke, dass Chongqing mein Lieblingsort ist. Weil ich so viele Freunde hier habe und viele wunderschöne Erinnerungen mit ihnen in dieser Stadt teile. Es sind die Menschen, die mich glücklich machen, nicht so sehr der Ort an sich.“

Juli, 29, aus Costur, Spanien

Juli kommt aus einem kleinen spanischen Dorf und arbeitet seit einigen Jahren in Barcelona. „Mein Lieblingsort ist die `Parany´ meines Großvaters. Du wirst nicht wissen, was eine „Parany” ist, deswegen werde ich es erklären… Im Oktober ist die Migrationsperiode des Vogels „Zorzal“ und seit antiken Zeiten werden sie bei uns gejagt. Mein Großvater konnte damit genug Geld verdienen, um den Reis für das gesamte Jahr zu kaufen, also war es für ihn eine Art Halbzeit-Job.

Als sich die Technik weiterentwickelte, konnte diese Lebensweise nicht aufrechterhalten werden und man hörte damit auf. Aber ich habe die letzte Phase dieses Brauchs miterlebt. Als ich ein Kind war, lebten alle Mitglieder unseres Dorfes den ganzen Oktober über auf dem Land, in ihrer eigenen „Parany”. Jede Familie hatte ein riesiges Feld mit einem kleinen selbstgebauten Haus, dem jeder Komfort fehlte: ohne Elektrizität, ohne Toilette, mit Wasser, das aus einer Quelle kam. Ein Monat purer Natur, zusammen mit unserer Familie. Nachts spielten wir Karten im Licht einer Olivenölkerze. Zwischen den ersten zwei oder drei Stunden des Tages ging mein Großvater jagen. Den Rest des Tages verbrachte er damit, seine Bäume zu pflegen und sein landschaftliches Wissen an mich weiterzugeben. Ich war neun Jahre alt oder jünger, aber wenn ich an diesen Ort zurückkehre, weiß ich, dass es mein Lieblingsort ist.“

Diana, 28, aus Mexiko Stadt

Diana ist im mexikanischen Vorort Ecatepec de Morelos aufgewachsen. Sie war ein halbes Jahr lang in Deutschland, um in Düsseldorf Germanistik zu studieren. „Ich denke, mein Lieblingsort ist eine Plattform, auf der ich gerne sitze. Dort steht ein circa 20 Meter hoher Bau. Mir gefällt dieser Ort, weil ich den Kontrast zwischen der Struktur des Baus und dem Himmel mag, vor allem in der Dämmerung und am Abend und in der Nacht. Da, wo ich wohne, gefällt es mir besser als in der großen Stadt, weil ich hier die Ausdehnung des Himmels sehen kann.“

Xingkai Li, 22, aus Shenyang, China

Xingkai Li hat ein Jahr lang in Spanien studiert und ist durch Europa gereist. „Der Ort, an dem ich am liebsten Zeit verbringe, ist KTV – ein kleiner, oder manchmal auch größerer Raum mit gemütlichen Sofas und moderner Audio-Ausstattung. Ich und andere Freunde können vor uns einen Bildschirm sehen, auf dem Musikvideos laufen und wir singen mit, wie Sänger. Wir sind entspannt, wenn wir unsere Lieder hören und miteinander reden. Im KTV kann man auch Snacks, Essen und Trinken bestellen. Es ist ein sehr schöner Ort für uns, um unsere Zeit zu genießen.“

Jens, 28, aus Münster

Jens lebt zusammen mit seiner Frau in Münster. Er studiert Lehramt Berufskolleg mit den Fächern Englisch und Bautechnik. „Das ist mein Lieblingsplatz, weil es eine große Wiese ist, die irgendwie niemandem so wirklich zu gehören scheint. Keiner mäht den Rasen und jeder kann da hin und sich unter den einzigen Baum setzen, der da steht. In der Nähe steht ein altes Bauernhaus und die Wiese ist groß genug, um einen Bumerang zu werfen und tatsächlich wieder zu fangen. Vor etwa einem Jahr wurde begonnen, ein Teil der Wiese zur Industriefläche zu machen, wo jetzt verschiedene Baustoffe gelagert und verkauft werden. Das fand ich mega schade, weil dieses Stück Erde wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten war, wo man noch unter einem solchen Baum saß und die Schwerkraft anhand von fallenden Äpfeln bestaunen konnte.

Sicher gibt es in Münster viele Grünflächen, aber diese Wiese ist anders. Ich bin dort mit meinem ersten Auto hingefahren und habe die Ruhe genossen. An einem anderen Tag im Herbst bin ich mit meinem kleinen Lenkdrachen dorthin gegangen und habe zwei Typen mit ‘nem richtigen Kite getroffen. Ich hatte sowas noch nie ausprobiert und ehe ich mich versah, flog ich unkontrolliert circa zehn Meter durch die Luft und verstauchte mir den Arm. Heute ist die Fläche etwas kleiner und ich bin mir nicht sicher, ob der Bumerang noch zurückkommen würde, aber ich hoffe, wer auch immer für meinen Lieblingsort verantwortlich ist, verhindert die weitere Erschließung. Zumindest bis meine Kinder dort mit ihrem ersten Auto hinfahren können.“

Enrique, 24, aus Mexiko Stadt

Enrique hat in Mexiko seinen Bachelor in Chemie gemacht, nun studiert er in Dresden weiter. „Mein Lieblingsort ist Veracruz, eine Hafenstadt am Golf Mexikos. Mir gefällt Veracruz, weil das Wetter da das ganze Jahr über gut ist und man im Meer schwimmen kann. Ich besuche die Stadt jedes Jahr und immer wenn ich dort bin, findet ein internationaler 10-Kilometer-Lauf am Strand statt. Ende April fahre ich mit meiner Familie und Freunden nach Osten, nach Veracruz. Aber wir gehen nicht nur joggen in Veracruz, sondern auch in der Stadt spazieren, im Meer schwimmen und Küstenessen essen, Fisch und Meeresfrüchte. Schließlich gefällt mir Veracruz, weil ich dort ein schönes Wochenende mit meiner Familie, Sport, Strand und Entspannung verbringen kann.“

Adam, 28, aus Santiago de Chile

Adam studiert Psychologie und hat ein Semester in Spanien verbracht. „Ich habe zwei Lieblingsorte – einen zum Leben und einen Ort der Ruhe mitten in meiner Stadt. Die Stadt, in der ich lebe, ist ziemlich groß. Es wohnen sieben Millionen Menschen auf einer Fläche von etwa 20 mal 30 Quadratkilometern. Das Besondere ist, dass es eine riesige Oase inmitten der Stadt gibt, die wir „Santiagos Lunge“ nennen: den San Cristobal-Berg. Wenn ich mit dem Fahrrad fahre, brauche ich nur 10 Minuten von meinem Haus aus, bis ich da bin. Es gibt da viele Picknick-Möglichkeiten, einen Zoo, einige öffentliche Pools, einen Platz, auf dem Musik gespielt wird, einen chinesischen Garten… und man hat einen tollen Blick auf die Stadt – zumindest, wenn nicht zu viel Smog in der Luft hängt.

Der Ort, an dem ich am liebsten leben würde, liegt im Süden meines langen Landes: Punta Arenas. Es ist eine geheimnisvolle Gegend, voller natürlicher Schönheit. Die Landschaft wird durch das langsame Absinken der Anden ins Meer bestimmt. Es ist felsig und voll von Kanälen und nah beieinanderliegenden Inseln. Die Kanäle sind atemberaubend. Es gibt nicht viele Bäume, aber da es sehr südlich liegt, ist es grün und kalt. Manchmal ist es auch sehr windig und in den kälteren Monaten wird ein Seil um den Rathausplatz gespannt, damit man nicht weggepustet wird! Es ist ein wunderschöner Ort und im Gegensatz zum kalten Wetter sind die Einwohner sehr warme Menschen.“

Welcher ist Euer Lieblingsort auf der Welt?