Immer, wenn irgendwo Werbung läuft, könnte ich die Krise kriegen. Ich fühle mich immer häufiger manipuliert und veräppelt. Begegnet man Werbung im Fernsehen, auf Plakaten oder im Radio, trifft man auch auf veraltete Frauenbilder, Produkte, die man eigentlich nicht braucht und Innovationen, von denen ich mir nicht immer sicher bin, ob sie mein Leben wirklich bereichern werden. Das Ziel des Kapitalismus ist, dass wir immer weiter konsumieren. Sonst würde dieses System nicht funktionieren. Jedoch stelle ich mir inzwischen häufiger die Frage: Arbeite ich mehr, um mehr konsumieren zu können, statt mehr Zeit für mich und meine Liebsten zu haben und weniger zu brauchen? Ich nehme dich in diesem Artikel mit auf eine Reise des kritischen Hinterfragens unseres Systems und freue mich auf deine Gedanken dazu in den Kommentaren.
Ich möchte zu Beginn ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich einfach nur Gedankenanstöße liefern möchte, die mir häufiger durch den Kopf gehen. Ich bin mir meiner privilegierten Situation, in einer Demokratie zu leben und meine Arbeit größtenteils aussuchen zu können, bewusst und weiß auch, dass es Menschen gibt, die sich dies gerade nicht leisten können und keine Energie mehr übrig haben dafür. Gerade deshalb ist es, meiner Meinung nach, gerade die Pflicht von uns anderen, unsere Arbeit zum Guten für uns alle zu tun.
Die Scheinwelt des Vermögens
Je mehr ich arbeite, desto mehr Geld habe ich, was ich ausgeben kann, so das Gefühl. Leider wird zum einen gerade alles immer teurer und zum anderen hat man durch mehr Arbeit auch weniger Zeit zum Beispiel, um zu kochen oder sich Ruhe zu gönnen. Dann kann es dazu kommen, dass wir uns abends Essen bestellen, statt in Läden einkaufen zu gehen, viele Produkte online bestellen und am Wochenende endlich mal Zeit in der Therme brauchen. Also geben wir unser hart erarbeitetes Geld schnell wieder aus für Sachen, die wir sonst vielleicht gar nicht beziehungsweise nicht so häufig benötigen würden.
Der eine shoppt Klamotten gegen Stress und Unzufriedenheit, die andere gönnt sich besonderes Essen, Reisen oder technischen Schnickschnack. Das ist bei einer stressigen Arbeitswoche völlig verständlich. Jedoch stellt sich für mich die Frage, ob das so sein muss? Denn viel Vermögen sammelt man so auch nicht an. Da aktuell vieles teurer wird und schon die Miete beziehungsweise ein Eigenheim einen großen finanziellen Stress bedeuten kann, ist das Thema „Vermögen“ sehr schwierig und individuell. Ich möchte dich daher zu einem kritischen Gedankenanstoß mitnehmen.
Die Angst vor den steigenden Nebenkosten
Ein Bericht von Oxfam (Entwicklungsorganisation) zeigt auf, dass das reichste Prozent der Bevölkerung seit dem Beginn der Pandemie mehr als die Hälfte des von uns allen neu erwirtschafteten globalen Vermögens erhalten hat. Parallel leben 1,7 Milliarden Arbeitnehmer*innen in Ländern, in denen die Lebenserhaltungskosten stärker als die Löhne steigen. Das heißt, die Schere zwischen Arm und Reich wird sehr verstärkt (Oxfam 2023a). Was mich dabei kritisch werden lässt ist, wieso das so ist. In meinem Bekanntenkreis gibt es viele Menschen, die für sich und ihre Kinder kein Haus mehr finden, Schwierigkeiten haben, eine bezahlbare Mietwohnung zu bekommen oder Angst haben, ihre Heiz- und Stromkosten nach der Abrechnung nicht bezahlen zu können. Es wird in den Medien und der Politik von „schwierigen Zeiten“ oder der berühmten „Zeitenwende“ gesprochen.
Jedoch verwundert mich das bei den steigenden Gewinnen für das eine reiche Prozent doch etwas. Mein Vater sagte in meiner Jugend schon gerne einen Satz, der bei mir hängengeblieben ist „Das Geld ist nicht weg; es ist nur woanders“. Kann es sein, dass wir doch etwas manipuliert werden beziehungsweise mehr hinterfragen sollten, für wen wir das alles machen? Wir arbeiten mehr, erwirtschaften mehr Geld, haben mehr Stress, geben Geld aus und andere machen die großen Gewinne, ohne dass sie dazu gezwungen werden, diese mit der Allgemeinheit (ohne die sie diese gar nicht machen würden) teilen zu müssen? Deswegen fordert unter anderem Oxfam eine stärkere Umverteilung durch eine höhere Besteuerung von Gewinnen und Vermögen (Oxfam 2023b). Dadurch können soziale Unterstützungen, ein Grundeinkommen oder eben eine Senkung von Steuerbeiträgen für niedrigere und mittlere Einkommen umgesetzt werden. Ein wichtiges Thema dabei ist eine Reform der Erbschaftsbesteuerung. Marcel Fratzscher, Präsident des „Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung“ hat dazu eine interessante Kolumne für Zeit Online geschrieben.
Wir sollten uns daher stärker mit Ungleichheiten, der Besteuerung von reichen Menschen und großen Unternehmen auseinandersetzen und eine stärkere Gerechtigkeit einfordern, statt immer weiter in diesem Hamsterrad mitzulaufen. Es gibt bessere und vor allem gerechtere Systeme, in denen nicht die einen im Geld baden und gar nicht mehr wissen, was sie damit anfangen sollen, während im selben Land andere Angst haben, durch diese hohen Miet- und Heizkosten bald mit den eigenen Kindern auf der Straße zu sitzen.
Erwartungshaltung vs. Realität
Wer kennt es nicht: Ich setze mich unter Druck, um einer Erwartung gerecht zu werden – meiner eigenen oder der meiner Eltern, Freunden, meines Chefs oder Kollegen. Zum Teil sind es auch vermeintliche Erwartungen. Erwartungen, von denen ich denke, dass sie an mich gestellt werden. Dabei ist das gar nicht so. Wenn man sich mal sein eigenes Umfeld anschaut und wie viel beziehungsweise wie wenig andere Menschen diese Erwartungen erfüllen, muss man sich fragen, mache ich mir diesen Druck vielleicht zu Unrecht? Zum einen werden an uns im Leben natürlich viele Erwartungen gestellt, zum anderen basteln wir uns diese aber auch selbst. Wir allein entscheiden, was wir machen (möchten) und was nicht, wie wir unsere Einstellungen gestalten möchten oder eben nicht. Es ist schwer, sich von den an uns gestellten Erwartungen zu befreien. Doch es ist möglich.
Wie häufig kommt es vor, dass du das Gefühl hast, dass es Menschen gibt, die Posten inne haben, diese aber gar nicht ausfüllen beziehungsweise deren Anforderungen sie gar nicht gerecht werden? Aber du selbst setzt dich immer unter Druck, wenn du eine Stellenausschreibung siehst und denkst, du erfüllst die Anforderungen nicht? Das kenne ich nur zu gut. Wir haben auch durch unser Schulsystem gelernt: Das sind die Anforderungen und so und so erfüllst du sie (zum Beispiel durch eine gute Note nach tagelangem Lernen). Jedoch stellen da Menschen, die ihre eigenen Anforderungen nicht erfüllen, welche an dich. Du darfst entscheiden, welche nehme ich an, welche nicht. Du musst nicht den Traum deiner Eltern erfüllen (vor allem wenn sie ihn sich selbst nicht erfüllt haben) oder die nachhaltigste Person eurer ganzen Familie sein (vor allem, wenn die anderen sich auch mal Ausnahmen gönnen).
Wenn du merkst, dass du dir zu viele Gedanken machst und deine Erwartungen und Anforderungen an dich selbst zu hoch ansetzt: Schau dir mal deine Umgebung an und hinterfrage, ob die anderen das wirklich auch alle so machen und ob dir das so wirklich guttut. Natürlich kann Ehrgeiz einen positiven Aufwind bringen. Er sollte dich nur nicht krank machen vor lauter Druck und Angst, ihn nicht zu erfüllen.
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