Tanzkurse sind spießig, von vorgestern und aus der Mode gekommen. So die typischen Vorurteile. Im Folgenden wird nicht nur der Ruf des Tanzkurses gerettet. Es erwartet euch vor allem eine Geschichte über das Leben und wieso manche Dinge einfach nicht planbar sind.
Der Tanzkurs in der Jugend ist schon fast zur Tradition geworden. Viele Jugendliche denken: Bevor ich zum Altar geschleppt werde, muss ich noch den Walzer lernen. Alles in allem habe ich festgestellt, dass man sich einen solchen Tanzkurs oft ganz falsch vorstellt, vor allem als Jugendlicher. Das Wort spießig fällt in diesem Zusammenhang sehr oft.
Auch ich hatte früher nie auch nur im Traum daran gedacht zu tanzen. Der Zufall wollte es so, dass zwei alte Schulfreunde sich für einen Tanzkurs anmelden wollten und genau mit der eben genannten Begründung ankamen: Wir müssen es irgendwann ja eh können. Viele Jungs – mich eingeschlossen – haben bei einem Tanzkurs natürlich nicht nur das Tanzen im Kopf: Da lernt man doch ganz einfach Mädchen kennen, hieß es. Umso mehr haben wir uns dann natürlich geärgert, dass wir die einzigen drei waren, die zum Einsteigerkurs kamen.
Drei Typen – einer weniger motiviert als der andere – und eine Tanzlehrerin. Wie sollte das ganze ablaufen? Die Dame bemühte sich sichtlich, uns für das Tanzen zu begeistern. Also mussten wir die ersten Versuche alleine ohne Partnerin machen und kamen uns ziemlich dämlich vor. Unsere Motivation hatte einen harten Dämpfer bekommen. Der Erste gab nach einem einzigen Kurstag auf und hat die Tanzschule nie wieder betreten. Wir beiden Verbliebenen wurden auf einen anderen Termin verlegt. Erleichterung: Der Saal war voll von mehr als 20 Gleichaltrigen und diesmal sogar beiden Geschlechts! Neuen Mutes stürzten wir uns ins Getümmel. Man kann über das Tanzen sagen, was man will, aber Spaß hat es auf alle Fälle gemacht. Auch den Angeber-Macho, der nur seiner Freundin zuliebe da war, habe ich einige Male beim Spaßhaben erwischt. Der Kumpel, mit dem ich da war, hat es zwar länger durchgehalten als der andere, aber auch er gab nach ein paar Monaten auf. Nun, alleine hätte ich wahrscheinlich auch bald das Handtuch geworfen, wäre da nicht diese Wendung in meinem Leben gewesen.
Ihr braucht Menschen, die Euer Talent sehen
Ich wurde in der Kurspause von meiner Lehrerin zum Empfang gebeten. Wahrscheinlich kriege ich jetzt eine Abreibung wegen meiner ständigen Störereien, dachte ich. Stattdessen fragte mich diese junge Frau, ob ich nicht Lust hätte, als Tanzlehrer zu arbeiten. Tanzlehrer? Ich? Im Kopf hatte ich schon die Bemerkungen meiner Mitschüler. Aber als ich so drüber nachdachte, machte mir das Tanzen schon ziemlichen Spaß. Ich hatte damals ohnehin überlegt, einen Nebenjob anzunehmen und da die Tanzschule einen tollen Stundenlohn zahlte, dachte ich mir: Warum nicht?
Ich war der Jüngste in der Ausbildung, alle waren weiter als ich und hatten höhere Kursstufen. Entmutigt von diesen ganzen Konkurrenten, die doch viel mehr konnten als ich, hatte ich keine großen Hoffnungen, genommen zu werden. Bei dem Casting wurde ich gefragt, was ich denn so in meiner Freizeit mache. Ich antwortete: Ich spiele Tennis. Und zack, fand ich mich vor fünf Juroren wieder und musste erklären, wie man einen Aufschlag richtig macht. Ball hochwerfen, anvisieren… Ich weiß es heute selbst nicht mehr, also verzeiht mir, liebe Tennis-Fans da draußen. Dieser Test diente im Nachhinein nur dazu zu prüfen, ob ich ein Talent für das Erklären habe. Jedenfalls gaben mir die Versammelten eine Chance und schon bald wurde ich zum Lehrer ausgebildet. Mein loses Mundwerk und meine geringe Erfahrung hatten sich im Nachhinein als Vorteile erwiesen. Ersteres hatte dafür gesorgt, dass ich überhaupt entdeckt wurde.
Einer meiner Ausbilder sagte einmal zu mir: „Wenn jemand seit Jahren dasselbe immer wieder falsch macht, wirst du es ihm nur schwer wieder abgewöhnen. Besser ist es, man bringt es demjenigen von vornherein richtig bei.“ Ich war also in dem Sinne ein unbeschriebenes Blatt und immer noch formbar, im Gegensatz zu manch anderen. Dies ist nur ein Beispiel, wie das, was man als Schwäche an sich wahrnimmt, eine Stärke sein kann. „Was kann ein Nebenjob als Tanzlehrer schon bringen?“, wird sich mancher Tanzmuffel vielleicht fragen. Die Dinge, die ich damals gelernt habe, sind auch wertvoll für das spätere Berufsleben. Wie bediene ich die Geräte? Wie unterhalte und begeistere ich Menschen? Wie unterrichte ich und achte darauf, dass jeder Anschluss findet?
Fürs Leben gelernt
Auch wenn ich kaum noch einen Tanzschritt beherrsche, bin ich doch sehr dankbar für diese Zeit und habe unglaublich viel mitgenommen. Ich weiß, was viele von Euch jetzt denken werden. Und wie ich schon gesagt habe, es geht mir nicht nur ums Tanzen. Es geht darum, dass Ihr Sachen ausprobieren müsst. Vielleicht entdeckt Ihr Talente, wo Ihr sie nie vermutet hättet. Was mir damals sehr geholfen hat, waren Menschen, die etwas in mir gesehen haben. Mir hat jemand zugetraut, mich ganz alleine vor eine Gruppe zu stellen und zu unterrichten. Man hat mir eine Gruppe anvertraut und gesagt: Mach mal, du kriegst das schon hin. Ob ich nun Tanzschritte oder Atomphysik unterrichte, spielt doch erstmal keine Rolle.
Man muss Entertainer, Lehrer, Ansprechpartner, Organisator und so vieles mehr sein. Was ich damals gelernt habe, werdet Ihr niemals beim Regale Einräumen im Supermarkt lernen. Die Moral von der Geschicht‘: Traut Euch. Probiert Sachen aus. Es ist immer ein bisschen Glück dabei. Und natürlich gab es viele, die über mich gelacht haben. Ich habe meinen Tanzlehrer-Job geheim gehalten, weil ich mich dafür geschämt habe. Aber jeder Mensch hat Leidenschaften und Interessen, zu denen er stehen und die er immer weiterentwickeln muss. Man ist nur gut in den Sachen, die man gerne tut. Und wenn Euer Interesse etwas Exotisches ist, dann seid Ihr doch umso mehr eine Bereicherung für andere. Es gibt schon zu viele Mitläufer, die nichts Neues zur Gesellschaft beitragen. Sie leben ein Leben, wie es schon Millionen unzufriedene Mitläufer vor ihnen gelebt haben. Vielleicht ermuntert meine Geschichte Euch, auch mal aus der Reihe zu tanzen (Wortwitz) und etwas auszuprobieren, was Ihr euch nie getraut habt, weil Ihr Angst hattet, dass andere über Euch lachen.
Schreibe einen Kommentar