Der weibliche Körper wird konstant glorifiziert. Wenn es allerdings um den weiblichen Zyklus und die Menstruation geht, wirken sich bestehende Tabus und der mangelnde Zugang zu Hygieneprodukten auf das Leben vieler Mädchen und Frauen aus.
Sei es auf dem Titelbild eines Modemagazins oder in einer Werbung für Dessous – der weibliche Körper ist in den Medien allgegenwärtig. Wenn es allerdings um den weiblichen Zyklus geht, verstummen viele Menschen oder sie zucken entsetzt zusammen. Eigentlich ist die Menstruation einer der natürlichsten Prozesse. Schließlich würden wir ohne dieses Phänomen jetzt nicht hier sitzen. Trotzdem ist sie immer noch ein Tabuthema und führt in einigen Ländern, gekoppelt mit dem mangelndem Zugang zu Hygieneprodukten, sogar häufig zu einem Ausschluss aus der Gesellschaft.
Die Stigmatisierung in westlichen Medien
2015 veröffentlichte Rupi Kaur, eine kanadische Künstlerin und Dichterin, eine Fotoserie, die verschiedene Situationen, in der sich menstruierende Frauen wiederfinden, zeigt. So sieht man sie unter anderem im Bett liegend mit einem Blutfleck im Intimbereich und wie sie eine benutzte Slipeinlage in den Mülleimer wirft. Das Ziel dieser Serie war es, die Menstruation zu entmystifizieren und die Schwierigkeiten menstruierender Frauen zu betonen. Dieses Projekt entwickelte sich jedoch schnell zu einer Kontroverse. Das soziale Netzwerk „Instagram“ blockiert eines dieser Bilder sogar mit der Begründung, dass diese gegen die Richtlinien verstößt. Damit zeigte Instagram genau das Verhalten, welches die Fotoserie kritisieren sollte.
Diese Geschichte ist allerdings nur eine von vielen Beispielen, wie sehr die Menstruation von der Gesellschaft in die Tabuzone gedrängt wird. Tagtäglich wird dieses Stigma reproduziert. Das zeigt sich schon in unserer Sprache, die sich einer Reihe an Euphemismen bedient, wenn die Monatsblutung zum Thema wird. Die Rede ist dann von der „Erdbeerwoche“ oder man gibt die „Alarmstufe Rot“. Selbst in einer Werbung für Tampons und Binden wird die Menstruation, statt sie so zu zeigen, wie sie auch tatsächlich ist, durch eine blaue Flüssigkeit dargestellt. Genauso schämen wir uns davor, Tampons und Binden in der Öffentlichkeit zu zeigen und drücken diese still und geheimnisvoll unserer Freundin in die Hand als handele es sich dabei um eine Droge. Die Blutung soll möglichst diskret behandelt und unsichtbar gemacht werden. Die menstruierende Frau ist unrein, eklig und sollte sich schämen. So war es schon immer.
Die vermeintliche Unreinheit menstruierender Frauen
In einigen Ländern und Kulturen zeigt sich dieses Stigma noch schwerwiegender. So starb im vergangenen Jahr ein 18-jähriges Mädchen in Nepal an einem Schlangenbiss, da es dazu gezwungen wurde, ihre Menstruation in einer Lehmhütte zu verbringen. Dieses Ritual namens „Chhaupadi“ ist im westlichen Nepal üblich und begründet sich durch den Hindu-Glauben, dass menstruierende Frauen oder Frauen, die ein Kind geboren haben, unrein wären und somit isoliert werden müssen. Auch in Indien wird es vielen Frauen während ihrer Menstruation verwehrt, an religiösen Ritualen teilzunehmen oder die Küche zu betreten. Zu groß ist die Angst, dass beispielsweise Lebensmittel kontaminiert werden.
Generell herrscht vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern absolute Unwissenheit über den weiblichen Zyklus. Eine große Anzahl an Frauen weiß nicht über die Menstruation Bescheid, bevor sie zum ersten Mal eintritt. Es wird einfach nicht über das Thema geredet, was dazu führt, dass Mädchen glauben, sie seien krank oder müssen sterben, wenn sie ihre Periode zum ersten Mal bekommen. Dabei ist es von großer Bedeutung, über die Vorgänge im eigen Körper Bescheid zu wissen, um beispielsweise zu verstehen, wie ich mich während der Menstruation angemessen um meinen Körper kümmere oder wieso ich mich diese eine Woche im Monat nicht so dynamisch und vital fühle wie die Wochen davor und danach.
Mangelnder Zugang zu Hygieneprodukten
Doch nicht nur das Tabu an sich, sondern auch der fehlende Zugang zu Hygieneprodukten stellt eine Herausforderung dar. Diese werden nämlich in vielen Ländern als Luxusgut deklariert. Selbst in Deutschland zum Beispiel werden Tampons und Binden mit dem allgemeinen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent und nicht dem ermäßigtem von 7 Prozent, welcher für Grundnahrungsmittel sowie andere Produkte des täglichen Bedarfs gilt (wozu angeblich auch Kaviar und Schnittblumen zählen), belegt. In England kann sich laut einer Studie der NGO „Plan“ sogar eine von zehn Mädchen und Frauen im Alter zwischen 14 und 21 Jahren keine Damenhygieneprodukte leisten. Die Folge ist meist ein Rückzug aus dem gesellschaftlichem Leben oder die Nutzung unhygienischer Mittel wie das wiederholte Tragen von Binden.
Ähnlich sieht es in Entwicklungs- und Schwellenländern aus. Da es in ländlichen Regionen Indiens beispielsweise schwierig ist, Binden zu bekommen, werden häufig Stofftücher verwendet. Durch das Tabu rund um die Menstruation schämen sich Frauen aber davor, die Tücher vor den Augen der Bewohner zu waschen und zum Trocknen aufzuhängen, wodurch Keime nicht richtig abgetötet werden und es zu Infektionen kommen kann. Wer sich weder Binden noch Stofftücher leisten kann, sucht Hilfe in gesundheitsgefährdenden Mitteln wie trockenem Grass oder benutzt einfach gar nichts. Dies führt zu häufigen Unfällen und folglich zu wiederkehrender Scham. Dadurch vermeiden viele Mädchen während ihrer Menstruation den Besuch des Schulunterrichts, bleiben mit dem Lernstoff zurück oder brechen die Schule ganz ab.
Menstruation sichtbar machen
Eine langsame Besserung ist allerdings in Sicht, denn mittlerweile gibt es einige Initiativen zur Enttabuisierung der Menstruation. Programme wie „Dignitiy Period“ in Äthiopien sollen für einen offeneren Umgang mit der Menstruation sorgen und den Zugang zu Hygieneprodukten erleichtern. Literatur wie „Ebbe und Blut“ von Eva Wünsch und Louisa Stömer klären über den weiblichen Zyklus auf. Auch in sozialen Netzwerken wird das Thema zunehmend sichtbar gemacht und von verschiedenen „Influencern“ angesprochen.
Trotzdem ist die Problematik erst behoben, wenn Mädchen nicht mehr den Schulunterricht aufgrund fehlender Utensilien meiden müssen, junge Mädchen und Frauen angemessen über die Vorgänge in ihrem Körper aufgeklärt werden und die Menstruation so dargestellt wird, wie sie ist – völlig unverblümt. Wir sollten uns nicht für einen gesunden Körper schämen. Wir sollten uns nicht für etwas schämen, das Grundlage unserer Existenz ist und somit die gesamte Gesellschaft betrifft, sei es direkt oder indirekt. Daher müssen wir darüber reden. Wir müssen offen sein und informieren. Die weibliche Fruchtbarkeit sollte kein Tabu sein.
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