An der Westküste des Landes sucht man das Klischée der mexikanischen Kakteenwüsten vergeblich. Die Wiege Mexikos liegt dort in einem tiefgrünen Mangrovendelta.

Mit meinen herzlichen Gasteltern durfte ich 2.000 Kilometer des Westens von Mexiko erkunden und hatte doch nur drei der 31 mexikanischen Bundesstaaten gesehen. Die dortigen Strände, wie Puerto Vallarta, sind das Traumziel der Kanadier, die besonders im Winter und Frühling so dem Schnee entfliehen. Ein paar Kilometer weiter draußen liegen die Inseln Islas Marietas mit ihren Höhlenstränden, die angeblich ganz natürlich und nicht durch Sprengungen des Militärs, das lange dort stationiert war, entstanden sein sollen. Wale ziehen an den kleinen Fischerdörfern und dicken Touristenorten vorbei. Auch der Ort Tequila mit einigen Destillerien ist ein Touristenmagnet. Interessant sind die vielen spanisch geprägten Städte, wie Guanajuato und Cordoba, in deren engen Gässchen und imposanten Kathedralen ich mich wie in die Kolonialzeit zurückversetzt fühlte. Dass ich nicht in Spanien war, merkte ich aber ganz schnell wieder, etwa beim Ausflug durch die Krokodilsümpfe. In einem mangrovengesäumten Flussdelta liegt auch die winzige Insel Mexcalitán. Das heutige Fischerdorf soll die ethnologische Wiege der Azteken und damit Mexikos gewesen sein.


Einige Mexikaner kennen die Legenden und Traditionen der verschiedenen eingeborenen Völker und in mehreren Rathäusern und Museen gibt es Kunst- und Geschichtsausstellungen. Viele Ureinwohner selbst haben sich jedoch dem Tourismus angepasst und verkaufen handgeknüpfte Armbänder vor Sehenswürdigkeiten – so etwa die Guichol im Staat Nayarit. Nach diesem Volk ist auch der scharfe Tabasco benannt, dessen allgegenwärtige Flaschen in Guichol-Trachten gehüllt sind.
Essen und Musik als Weltkulturerbe
An scharfes Essen, dachte ich, sei ich von Indonesien und China schon gewöhnt – doch in Mexiko ist diese Schärfe noch einmal eine ganz anders. Das Essen ist trotzdem unglaublich lecker. Wenn ich länger geblieben wäre, hätte man mir das unweigerlich angesehen. Als Vegetarierin freute ich mich, dass mich der Verkäufer am Tacos-Stand fragte: „con carne?“. Erst als ich seinen verständnislosen Blick nach meiner verneinenden Antwort sah, dämmerte es mir, dass er nur eine Entscheidung zwischen Rindfleisch (carne) und Hühnchen (pollo) gefordert hatte. Tacos ohne Fleisch waren für ihn unvorstellbar. Mit den vielen Beilagen konnte ich sie aber auch so gut füllen. Zu jedem Essen gab es außerdem Limetten, die hier viel verbreiteter sind als Zitronen. Obst verkaufen Bauern an jeder Straßenecke auch außerhalb der Stadt. Die bunten Märkte in den Stadtkernen werden jedoch langsam von amerikanischen Supermarktketten verdrängt, wie mir meine Gastmutter traurig berichtete.

Die mexikanische Küche ist sogar UNESCO Weltkulturerbe, genauso wie die traditionellen Mariachi-Bands. Es ist fast unmöglich, Mexiko zu besuchen, ohne in den Genuss dieser Musik zu kommen, denn viele Mexikaner lieben ihre Fiestas. Das führt so weit, dass die großen Parteien die Bevölkerung lieber mit mehrtägigen kostenlosen Kirmes- und Konzertspektakeln bei Laune hält, als das Geld in Straßen und Schulen zu stecken. Die staatlichen Schulen haben keinen guten Ruf, wer es sich leisten kann, gibt seine Kinder auf eine Privatschule. Doch die Partei, die gerade an der Macht ist, streicht und plakatiert auch in Nicht-Wahlkampf-Zeiten lieber großflächig in den Städten und gibt dem Volk: Brot und Spiele.
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