Es ist einerseits wunderbar und andererseits bloß natürlich, dass viele junge Menschen sich danach sehnen, eine eigene Familie zu gründen und auch Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Allerdings gibt es genauso auch Individuen, die sich nicht – oder nicht ausschließlich in erster Linie – dazu berufen fühlen, Kinder zu bekommen. Die Gründe dafür sind unterschiedlich, deswegen wäre es fatal, alle über einen Kamm zu scheren und als Egoisten zu bezeichnen.
Das Christentum kennt und schätzt den Verzicht auf Ehe und Familie
Dies ist selbstverständlich auch gar nicht die Absicht des Kirchenoberhauptes. Denn das Christentum erkennt nicht nur an, dass Gott jede einzelne Person liebt und einen persönlichen Plan für sie hat, was uns gebietet, jedem Menschen gemäß seiner unantastbaren Würde mit Respekt zu begegnen. Die Kirche kennt sogar die explizite Berufung zur Ehelosigkeit, die sich im zölibatären Leben von Priestern und Ordensleuten ausdrückt. Meine wichtigste Beziehung als Christin ist und bleibt die zu Gott, den mir kein Freund oder Ehepartner ersetzen kann, auch wenn Gott oft durch die Begegnung mit anderen Menschen zu uns spricht. Der Glaube an die Auferstehung und an das Kommen des Reichs Gottes macht jede Angst davor, dass nach meinem Tod „nichts mehr von mir übrig bleibt“ oder ich „in Vergessenheit gerate“ zunichte, ja lässt solche Gedanken sogar lächerlich wirken.
Engagement kann unterschiedlich aussehen
Natürlich wird eine Gesellschaft durch Kinder bereichert und kann ohne sie nicht fortbestehen. In ihrer Weiterentwicklung gefördert und vorangetrieben, wird sie jedoch nicht selten von einigen wenigen, die sich in größerem Rahmen als in ihren eigenen vier Wänden für das Gemeinwohl einsetzen. Gesellschaftliches Engagement – beispielsweise in der Politik oder im Ehrenamt, als JournalistIn oder KünstlerIn – kann unterschiedlich aussehen und muss dem Wunsch nach einer eigenen Familie und Zeit für diese nicht zwangsläufig widersprechen. Tatsächlich wäre eine größere Familienfreundlichkeit einschließlich Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben (unabhängig vom Geschlecht der Arbeit nehmenden Elternteile) ein großer Fortschritt in unserer leistungsorientierten Gesellschaft.
Verantwortung geht Hand in Hand mit Freiheit
Verantwortung ist nicht die „Kehrseite“ der Freiheit, sondern sie setzt diese voraus: Erst wenn ich mich wirklich frei für oder gegen etwas entscheiden kann, bin ich für diese Entscheidung auch voll verantwortlich. Dies bedeutet auch, dass wir uns nicht gegenseitig in unseren Entscheidungen beeinflussen oder gar manchen Menschen die Fähigkeit und das Recht, Entscheidungen zu treffen, abzuerkennen, indem wir manche Entscheidungen von vornherein als „unverantwortlich“ disqualifizieren. Über diese Freiheit, die die Freiheit der anderen einschließt, sollten wir in unseren gemütlichen Demokratien mehr als froh sein: Im Iran zum Beispiel wird der österreichischen Tageszeitung „der Standard“ zufolge gerade über eine Reihe von Gesetzen diskutiert, die die Geburtenrate steigern sollen. Geplant sind ein Verbot von Verhütungsmitteln und sogar der Information über dieselben, sowie die Benachteiligung kinderloser Frauen am Arbeitsmarkt, was von internationalen (Menschenrechts-) Organisationen natürlich scharf kritisiert wird.
Ideologisches Denken bringt uns nicht weiter
Eine vergleichbare Situation wird in Europa wohl kaum so bald eintreten, jedoch scheint es in manchen Kreise ein gewisses Ideal von Familie beziehungsweise Mutterschaft zu geben – die Väter bleiben dabei komischerweise oft außen vor – das eher an romantisierende Mythenbildung erinnert, denn an eine realistische Auseinandersetzung mit der Lebenssituation von Menschen. Wie sich leicht erahnen lässt, ist dabei vor allem für Frauen eine eher traditionelle Rolle vorgesehen.
Es ist durchaus eine feministische Position, Wertschätzung und auch gerechte Bezahlung für die Erziehung der eigenen Kinder beziehungsweise der Pflege älterer Familienmitglieder zu fordern. Das sind anstrengende und wichtige Aufgaben, die hauptsächlich von Frauen übernommen, aber nicht als vollwertige Arbeit anerkannt werden. Allerdings empfinden es nicht wenige junge Frauen auch als entwürdigend, ausschließlich oder vor allem als (potenzielle) Mütter wahrgenommen zu werden, weil sie sich in erster Linie als Menschen mit vielen verschiedenen Interessen und Zielen betrachten. Genau wie Männer, für die tendenziell immer noch andere Maßstäbe gelten, wenn sie sich gegen Kinder entscheiden oder die Zeit, die sie mit ihnen verbringen in keinem Verhältnis zu der steht, die sie in ihre Karriere investieren.
Eine differenzierte Betrachtung des Kindeswohls
Einer Frau, die gegen ihren Willen dazu gedrängt wird, ihre Zeit und Energie in die Kindererziehung zu investieren und die damit dementsprechend unglücklich ist, wird es schwerer fallen, ihren Kindern ihre Liebe zu zeigen, als einer Mutter, die mit ihrem Leben glücklich ist. Egal, ob sie sich zuhause in Vollzeit und mit Leidenschaft um ihre Familie kümmert oder aber einem anderen Beruf nachgeht und dafür die Zeit mit ihren Kindern bewusst erlebt. Auch eine Überbehütung in Ermangelung einer sinnvollen, erfüllenden Aufgabe außerhalb der Familie ist für die Entwicklung des Kindes nicht gerade förderlich. Somit kann es im Einzelfall auch höchst verantwortlich sein, sich gegen ein (weiteres) Kind zu entscheiden, wenn die Eltern sich zum Beispiel aus körperlichen oder geistigen Gründen nicht in der Lage sehen, sich so liebevoll um dieses Kind zu kümmern, wie sie es eigentlich möchten.
Die von der katholischen Kirche vorgeschlagenen natürlichen Methoden zur Empfängnisregelung haben zweifellos viele Vorteile, nicht zuletzt erinnern sie uns daran, wie wichtig Respekt und Rücksichtnahme in einer Partnerschaft sind. In einer Kultur, in der diese Werte selbstverständlich sind, in der Männer Frauen nicht zum Sex drängen, wird die Nachfrage nach künstlichen Verhütungsmitteln zweifelsohne rekordartig sinken. Um dieses Stadium der Kultur zu erreichen, müssen wir einfach nur weiterhin Verantwortung in der Gesellschaft übernehmen – und das schließt mit ein, dass wir dies nicht nur auf die jeweils für uns passende Art und Weise tun, sondern auch unseren Mitmenschen die Freiheit lassen, es vielleicht anders zu machen und unseren Beitrag so als Ergänzung anzusehen.
Schreibe einen Kommentar