Meine Reise geht unaufhaltsam weiter in Richtung Süden. Das erste Mal war ich auf den öffentlichen Bus – das Standardreisemittel in Ecuador – angewiesen, um nach Baños de Agua Santa zukommen. Glücklicherweise brachte mich ein Hotelangestellter zum Bus, denn alleine hätte ich das nicht geschafft. Wir standen am Rande der Autobahn im Nichts und haben den Bus per Handzeichen angehalten – auf diese Idee wäre ich nie gekommen. Sechs Dollar habe ich für den Weg gezahlt. Ruhig und entspannt fuhr ich mit zahlreichen Einheimischen von rund 3.000 Metern Höhe auf knapp 1.800 Meter hinunter. Tungurahua statt Cotopaxi.
Wie einst Humboldt führte mich mein Weg entlang der Straße der Vulkane zum Tungurahua. Geschützt von anderen Bergen liegt dort die kleine Kantonalstadt Baños de Agua Santa. Das ehemalige Zuckerrohranbaugebiet war für drei Nächte mein nächster Stop auf meiner Reise durch Ecuador und Peru. Angekommen in der 18.000-Einwohner-Gemeinde machte ich mich in den späten Abendstunden auf ins „Baño de la Virgin“ – das Bad der Jungfrau. Dieses Thermalbad ist der heiligen Jungfrau gewidmet, die im Jahr 1773 die Bañeños vor einem schweren Vulkanausbruch beschützte. Bei mehr als 40 Grad Wassertemperatur bot sich ein wunderbarer Blick auf die beleuchtete Stadt und die vereinzelten Unterkünfte an den steilen Berghängen.
Entlang dieser steilen Wände machte ich mich am nächsten Tag auf, um die Straße der Wasserfälle auf dem Mountainbike zu erkunden. In der Umgebung des 5.016 Meter hohen Tunhurahua gibt es knapp 200 über- und unterirdische Wasserfälle, die das Land mit Mineralien versorgen und die Landschaft ergrünen lassen. Entlang der dortigen Flüsse führt der Weg vom Salto del Agoyan über den Monto de la Novia bis hin zum mächtigen Pialon del Diablo und den Cascades Machay. Die letzten 1,3 Kilometer hinunter zum eindrucksvollen Pialon del Diablo führen auf steinigen Treppen durch dichten Dschungel. Schon am Eingang begrüßt mich ein exotischer Vogel: Sein Gefieder leuchtet rot, gelb und grün. Sein Gesang hallt durch die Wipfel. Bevor ich die Kamera zücken kann, ist er bereits im dichten Grün verschwunden.
Neben dem Weg sickert des Öfteren Wasser aus Wänden oder tröpfelt aus hölzernen Rohren. Der Boden ist rutschig. Es wird schwül. Das Gefühl für den Dschungel kommt das erste Mal auf. Etwa 50 Minuten später gelange ich zu einer Hängebrücke. Jeder Schritt löst spürbare Erschütterungen aus, doch der Blick nach rechts ist gewaltig: Dort kracht das Wasser des Pialon del Diablo von der Spitze des Berges hinab in den Rio Verde. An eine Abkühlung ist in diesem Moment nicht zu denken: Die Macht des Wassers würde mir den Arm brechen. Doch der Guide kennt einen Ort, an dem eine Erfrischung möglich ist. Dass ich dafür auf den Knien durch enge Höhlen kriechen muss, hat er verschwiegen. Mit schmerzendem Rücken und schmutzigen Kleidern gelange ich an einen kleinen Gang in der Wand. Hier hat sich das Wasser den Weg an einigen Stellen durch den Stein gebahnt und eine natürliche Dusche geschaffen. In einem Meter Entfernung stürzt das Wasser tosend den Berg hinab, während ich abkühle. Völlig durchnässt sehe ich die Sonne durch die aufgewirbelten Wassertropfen in der Luft scheinen.
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