Dieser Beitrag erscheint im Rahmen unserer Diskussionsreihe “Schlagabtausch”. Lies hier den anderen Schlagabtausch-Artikel zum Thema: “Schlagabtausch: Cannabis legalisieren? Absolut!”, um Dir eine eigene Meinung aus den Argumenten zu bilden.
Mit ihrer Aussage, Cannabis sei kein Brokkoli, sorgte die frühere Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig, für große Lacher. Dabei hat sie recht, wenn sie darauf hinweist, dass Cannabis – wie jede andere Droge – nicht geringe Risiken birgt.
Wenn es bei der Ausarbeitung des Koalitionsvertrags auch große Differenzen gab, waren sich die Ampel-Parteien jedoch schon früh in einem Punkt einig: Cannabis soll legalisiert werden. Dies sei längst überfällig, denn der Besitz kleinerer Mengen werde schon lange nicht mehr verfolgt und der Konsum sei Teil der gesellschaftlichen Realität. Vor allem über die gesundheitlichen Risiken wird dabei aber viel zu wenig gesprochen oder Bedenken teilweise heruntergespielt. Cannabis ist und bleibt eine Droge – und Drogen darf man nicht verharmlosen!
„Weil Alkohol gefährlich ist, ist Cannabis kein Brokkoli“
Oft wird in der Diskussion über die Legalisierung von Cannabis die polemische Frage eingebracht, warum man sich totsaufen dürfe, aber der viel harmlosere Genuss von Haschisch oder Marihuana verboten sei. Tatsächlich ist es hinreichend bekannt, dass es praktisch unmöglich ist, eine tödliche Cannabis-Überdosis zu konsumieren. Wenn auch nicht todbringend, so kann der Konsum aber doch gesundheitsschädlich sein.
So lässt sich beobachten, dass bei Menschen, die intensiv Cannabis rauchen, die Leistungsfähigkeit der Lunge deutlich abnimmt.[1] Wie bei vielen Verbrennungsprozessen entstehen auch bei dem von Cannabis karzinogene Stoffe. Ob diese tatsächlich das Krebsrisiko für Lunge, Mund und Rachenraum signifikant erhöhen, ist allerdings umstritten. Als nachgewiesen sieht die WHO jedoch an, dass der Konsum von Cannabis das Risiko für Prostatakrebs erhöht.[2]
Cannabis macht dumm!
Cannabis hat deutliche negative Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit, die sich über Tage bis Wochen nach dem Konsum hinziehen können.[3] Einer neuseeländischen Studie zufolge, sinke der IQ bei Konsumenten dauerhaft, also auch nach Beendigung der Einnahme des Rauschmittels.[4] Dabei sei der Effekt umso größer, je früher der Konsum begonnen habe. Hier gibt es allerdings ebenfalls Studien, die diesen Effekt nicht beobachten können.
Hinsichtlich der schweren Auswirkungen von Cannabis auf die vor allem kognitive Gesundheit Jugendlicher, von der man in jedem Fall ausgehen darf, wird oft eine Legalisierung der Droge befürwortet. Der illegale Dealer frage nicht nach dem Personalausweis. Er sei nicht daran interessiert, Cannabis nur an Menschen zu verkaufen, die bereits volljährig sind. Mit einer Legalisierung könne der Verkauf an Minderjährige kontrolliert und unterbunden werden. Dies scheint allerdings, ein Trugschluss zu sein. Wie auch beim Alkohol werden dann eben ältere Freunde den Minderjährigen die Droge besorgen – und dies auf völlig legalem Wege.
Jugendliche auf Dauertrips
Wer bereits in der Pubertät sein Gehirn in der Ausreifung behindert, indem er Cannabis konsumiert, läuft Gefahr, einen Dauerrausch zu erleiden, der über Jahre anhält.[5] Selbstverständlich ist dafür ein wirklich intensiver Konsum in jungen Jahren erforderlich, doch die Fälle solcher Dauertrips häufen sich. Daher ist es sehr gefährlich, wenn Cannabis als Wunderdroge verherrlicht wird, die etliche Krankheiten lindere, viel weniger schädlich als der teuflische Alkohol sei und womöglich sogar gesundheitsfördernd wirke. Genau das Gegenteil muss Jugendlichen in Präventionsprogrammen klargemacht werden.
Begünstigt Cannabis Psychosen?
Während verschiedene Studien heilsame Auswirkungen von Cannabidiol (CBD), ein populär gewordenes Cannabinoid, bei Schizophrenie feststellen, gibt es dennoch Anzeichen für durch Cannabis ausgelöste Psychosen. Dauerhafter Konsum hoher Dosen THC, dem in Cannabis enthaltenen Rauschmittel, korrelierte laut einer in „The Lancet“ veröffentlichten Studie mit der Ausprägung von Psychosen.[6] Besonders deutlich fiel dies bei Teilnehmern auf, die bereits genetisch ein hohes Risiko für psychotische Störungen mitbrachten.
Mit Cannabis fing alles an…
Ob der Konsum von Cannabis mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für den Konsum anderer – womöglich härterer – Drogen einhergeht, ist nicht abschließend geklärt. Die Auffassung von Cannabis als sogenannter „Einstiegsdroge“ sorgt immer wieder für gesundheitspolitische Auseinandersetzungen. Eine Korrelation ist in diesem Bereich tatsächlich beobachtbar,[7] ob es sich hier allerdings auch um eine Kausalität handelt, bleibt fraglich.
Eine Droge mit Suchtpotenzial
Die WHO führt bereits im Handbuch ICD-10, dem weltweit wichtigsten Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen, eine Cannabisabhängigkeit auf. Es gehen sogar Studien davon aus, dass 4,5 Prozent der Menschen, die jemals Cannabis konsumiert haben, früher oder später süchtig nach Cannabis werden.[8] Was hilft es mir, wenn mich eine Droge nicht umbringt, aber dennoch mein Leben zerstört?
Jedem sollte bewusst sein, dass Alkohol und Tabak gefährliche Genussmittel sind. Ihre schädlichen Auswirkungen in verschiedensten Lebensbereichen sind bekannt. Müssen wir wirklich noch eine weitere gefährliche Droge legalisieren?
Einzelnachweise
1. Mark J. Pletcher et al.: Association Between Marijuana Exposure and Pulmonary Function Over 20 Years, 2012.
2. WHO Expert Committee on Drug Dependence: Critical Review – Cannabis and cannabis resin, 2018.
3. S. J. Broyd et al.: Acute and Chronic Effects of Cannabinoids on Human Cognition – A Systematic Review, 2016.
4. M. H. Meier et al.: Persistent cannabis users show neuropsychological decline from childhood to midlife, 2012.
5. Quarks: Kiffen – 7 Dinge über Cannabis, TV-Erstausstrahlung 2014.
6. Marta di Forte et al.: The contribution of cannabis use to variation in the incidence of psychotic disorder across Europe (EU-GEI) – a multicentre case-control study, 2019.
7. E. Hoch et al.: Risks associated with the non-medicinal use of cannabis, 2015.
8. Eva Hoch, Miriam Schneider: Cannabis – Potential und Risiken, 2018.
Christian
Hallo Hannes,
dein Artikel ist offensichtlich die Gegenposition zum Artikel von Catarina Clément. Daher ist die Einseitigkeit logische Konsequenz. Spannend zu beobachten ist allerdings, dass all deine Argumente obsolet werden wenn ein Verbot im Vergleich zur Entkriminalisierung nicht den Konsum verringert, bzw. die Entkriminalisierung nicht den Konsum ansteigen lässt.
Hannes Rolfs
Hallo Christian,
in Kanada wurde Cannabis im Oktober 2018 legalisiert. Viermal im Jahr findet der National Cannabis Survey statt. Seit der Legalisierung verzeichnet Kanada steigende Konsumentenzahlen. In den letzten zwölf Monaten Cannabis konsumiert zu haben, gaben 2018 22 Prozent der Befragten an, 2019 25 Prozent, 2020 27 Prozent (Canadian Cannabis Survey 2020).
Das Argument, die Legalisierung von Cannabis würde den Konsum nicht beeinflussen, wird gerne von Befürwortern einer liberalen Drogenpolitik genannt. Es lohnt sich aber, selbst in die Studien zu schauen. Oft wird Augenwischerei betrieben oder unzureichende Studien zitiert. Doch nirgends ist die Datenlage so gut wie in Kanada. So erhebt die portugiesische Regierung beispielsweise gar keine offiziellen Daten zum Drogenkonsum seit der Liberalisierung von Cannabis aber auch von harten Drogen.
Es geht im Endeffekt auch nicht darum, das Konsumlevel aufrecht zu erhalten, sondern die Gefahren von Cannabis einzugestehen, Präventivmaßnahmen zu ergreifen und Verkauf und Konsum als Straftatbestand bestehen zu lassen. Alle genannten Maßnahmen fordere ich in meinem Artikel. Womöglich kann dann sogar das Konsumlevel sinken.
Und vor allem gegen die Titulierung der Notwendigkeit von Präventionsmaßnahmen bei Jugendlichen als “obsolet” wehre ich mich entschieden.
Christian
Gut, dass du die Studie erwähnst, die auch schon Zahlen für 2021 veröffentlicht hat: Da sind es wieder ‚nur’ 25 %. Ich hoffe die Umfrage wird weiter durchgeführt und wir können daraus lernen.
Mein Kommentar bezog sich lediglich auf die Argumente unmittelbar gegen eine Legalisierung unter der beschriebenen Bedingung. Natürlich sind gut durchdachte Präventionsmaßnahmen nicht überflüssig. Die Legalisierung und Präventionsmaßnahmen schließen sich meines Erachtens gegenseitig aber auch nicht aus.
Ein schönes Wochenende 🙂