Gerade ist es richtig in, nach dem Schulabschluss den Schritt zu wagen und eine Zeit lang im Ausland zu verbringen: ob im Rahmen von „Work and Travel“, Reisen oder einem Freiwilligendienst. Wie ist es, in einem anderen Land ein ganz neues Leben anzufangen? Ich habe mich für ein freiwilliges Jahr in einem Kibbutz in Israel entschieden und möchte mit meinen Artikeln einen Einblick in diesen neuen und ziemlich aufregenden Lebensabschnitt geben.
Ich bin Antonia, 19 Jahre alt und habe mich nach meiner Schulausbildung dazu entschieden, über die Trägerorganisation „Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners e.V.“ einen Freiwilligendienst im Ausland zu machen. Jetzt lebe ich also seit Ende August 2017 für ein Jahr lang im Kibbutz Harduf im Norden Israels zwischen Haifa und Nazareth. Wir sind fünf deutsche Freiwillige. Sophia, Anna, Johanna und ich leben in einer WG, Jakob wohnt mit israelischen Freiwilligen zusammen. Da wir uns auf dem zehntägigen Vorbereitungsseminar unserer Organisation kennengelernt haben, waren wir schon am Anfang recht vertraut miteinander und man hat dadurch ein kleines Stückchen Heimat mit dabei.
Die Arbeit in der Einsatzstelle
Wir arbeiten in „Beit Elisha“, einer anthroposophischen Einrichtung für Menschen mit Behinderung, die einen großen Teil des Lebens in unserem Kibbutz bestimmt. Die 70 Member (so werden die Erwachsenen mit Behinderung hier genannt) wohnen in Harduf in mehreren Häusern in Wohngemeinschaften, außerhalb gibt es noch zwei Häuser in einer anderen Stadt namens Tiv´on. In einem dieser zwei Häuser, in Beit Rimon („Haus Granatapfel“), arbeite ich.
Mein Tagesablauf sieht (an einem „vollen“ Arbeitstag) folgendermaßen aus: Morgens um 8:15 Uhr beginnt die Werkstatt, mit den Leuten dort wird später auch zu Mittag gegessen. Wir arbeiten in unterschiedlichen Werkstätten, es gibt unter anderem eine Küche und Bäckerei (die auch uns Freiwilligen mitversorgt), die Töpferei, die Papierwerkstatt, die Weberei, den Gartenworkshop sowie den Pferdestall, die Meschekchai – eine Art Streichelzoo – und ein Café mit Laden. Ich bin morgens in der Meschekchai, wir haben ca. 20 Ziegen, Schafe, zwei Esel, ein Pony, Hühner, Gänse, Wachteln, Hasen und Meerschweinchen. Die Arbeit mit den Tieren ist schön und auch mit den Membern verstehe ich mich gut.
Ab halb Drei gibt es dann eine Mittagspause und gegen halb Fünf fahren meine Mitfreiwillige Sophia und ich nach Tiv’on. Die Leute dort sind recht selbstständig, brauchen keine Hilfe z.B. beim Duschen, und sprechen zum Teil auch Englisch, was wirklich hilfreich ist, gerade weil wir am Anfang fast gar kein Hebräisch konnten. Wir sind also einfach da zum Reden, helfen beim Kochen, Waschen; was auch immer anfällt.
Kulturschock? Fehlanzeige! Das Leben in einem Kibbutz
Tatsächlich kam mir das Prozedere – bis wir angekommen waren – viel befremdlicher vor als der Alltag hier im Kibbutz (auch nach mehr als vier Monaten). Am Flughafen musste ich dem Personal erst einmal über Aufenthalte in fremden Ländern, meine Pläne in Israel und andere private Dinge Rede und Antwort stehen, neben den üblichen Sicherheitsvorkehrungen wurde dann auch noch mein Handgepäck durchsucht. In dem kleinen Wartezimmer zu sitzen und zu wissen, dass fremde Leute gerade deinen Rucksack durchwühlen, ist nicht unbedingt ein schönes Gefühl, auch wenn man weiß, dass man nichts zu verbergen hat. Nach einem „Thank you for your cooperation“ ließen die Mitarbeiter mich und mein Gepäck dann aber doch zum Flugzeug.
Hier in Beit Elisha sehe ich mich eher in einer anthroposophischen als in einer israelischen Einrichtung; uns wird auch immer wieder gesagt, dass Beit Elisha und Harduf (also unser Kibbutz) allgemein ziemlich deutsch sind, allein zum Beispiel, was Mülltrennung angeht. Das Leben im Kibbutz unterscheidet sich aber doch von dem in einem Dorf wie dem, in dem ich in Süddeutschland groß geworden bin. Es gibt für die Hardufniks (so nennen sich die Bewohner Hardufs) eine Art Tauschbörse und ist man in den Verteiler eingetragen, bekommt man jeden Tag eine Rundmail mit Dingen oder Dienstleistungen, die in Harduf angeboten bzw. gesucht werden. Da man hier mit öffentlichen Verkehrsmitteln so schlecht wegkommt, gibt es außerdem eine Whats-App-Gruppe, in der man eine Mitfahrgelegenheit anbieten oder suchen kann. Und beim Recyclinghof des Kibbutz gibt es einen Platz, an dem man Anziehsachen, Bücher und Küchenartikel hinlegen und mitnehmen kann; dort haben wir für unsere WG bisher unter anderem zum Beispiel Klamotten und eine (heiß geliebte!) Espressokanne gefunden.
Gerade sitze ich mit Sophia in der Abenddämmerung vor unserer Freiwilligen-WG und wir werden von einer Seite mit Muezzin-Gesang aus dem Nachbardorf, von der anderen mit Musik aus einer der Wohngemeinschaften beschallt. Wir sind hier eben an einem sehr speziellen Ort und so sollen meine Artikel von ganz persönlichen und subjektiven Erfahrungen an einem kleinen und ziemlich besonderen Stückchen Israels erzählen.
Liebe Grüße aus Harduf,
Antonia
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