Hallo Herr Jaksche. Zunächst als Einstieg die Frage, wie Sie überhaupt zum Radsport gekommen sind?
Es entstand aus der Freude, die ich beim Radfahren hatte. Da meine Eltern meinten, dass die Verletzungsrate beim Fußball zu hoch sei und selber Ärzte waren, suchte ich mir etwas, in dem ich gut und glücklich war.
Sind Sie denn im Nachhinein vom Radsport enttäuscht? Schließlich haben Sie 2007 als Kronzeuge über Dopingvorfälle in der Szene ausgesagt und dabei selber ihr Vergehen zugegeben. Wie kamen Sie zu diesem Schritt?
Wegen der Heuchelei. Einerseits bekam ich dafür eine kürzere Sperre und andererseits merkte ich, dass umso weiter ich in diesen Sumpf gezogen werde, desto mehr wollte ich damit nichts mehr zu tun haben. Doping braucht für die Medien immer eine Personifizierung. Spätestens als meine Eltern involviert wurden, entschloss ich mich, die Leute an den Pranger zu stellen, die mich zum Dopen animierten und dann nichts mehr mit mir zu tun haben wollten.
Trotz all der Konsequenzen würden Sie wieder als Kronzeuge auftreten? Oder hätten Sie rückblickend einfach nur das Doping gestanden?
Man muss einfach abwägen: Möchte ich die Wahrheit sagen und jeden Betroffenen nennen und dann ohne Einkommen und Job dastehen, oder nehme ich eine längere Sperre in Kauf und kann dann wieder als Radfahrer einsteigen, da mich die Verantwortlichen als vertrauenswürdig sehen? Das ist sehr schwierig zu sagen. Ich war froh, dass ich es gemacht habe, habe es aber eigentlich jeden Tag bereut.
Der DOSB hat sich nun zu der Einführung eines Anti-Doping-Gesetzes entschlossen. Was ist Ihre Meinung bezüglich einer möglichen Bewerbung Deutschlands, für die Ausrichtung der Olympiade 2024 und 2028, da ab diesem Zeitpunkt das Gesetz rechtskräftig sein wird? Glauben Sie, dass manche IOC-Mitglieder deswegen absichtlich gegen Deutschland votieren werden?
Das bezweifle ich, die haben andere Beweggründe. Es wird bei der Entscheidung nicht um mögliche rechtliche Konsequenzen für „Doper“ gehen. Falls die Olympischen Spiele nach Deutschland kommen, könnte man das Gesetz solange auch einfach aussetzen.
Kommen wir nun zu einem etwas freudigen Thema, Ihren sportlichen Erfolgen. Was war denn die größte Errungenschaft Ihrer Karriere?
Da der französische Frühjahrsklassiker Paris-Nizza zu den wichtigsten Etappen gehört, die man neben den großen Rundfahrten gewinnen kann, war das eines meiner besten Rennen.
Welches Gefühl empfanden Sie in dem Moment der Zieldurchfahrt?
Ich war immer jemand, der alles ein wenig konnte, aber nie etwas so richtig gut (schmunzelt). Da mein Durchbruch erst mit 27 Jahren gelang, war es schon eine Art Befreiung für mich. Im Nachhinein war es vielleicht auch ein Fehler, dass ich direkt zu so großen Teams im jungen Alter wechselte. Es war nämlich so, dass es zum Beispiel T-Mobile gleichgültig war, ob man bei der Tour Achter, Zwölfter oder Letzter wird, solange Jan Ullrich gewinnt. Die individuelle Entwicklung der jungen Fahrer interessierte niemanden.
Gefragt wurde nur, wie lange man Jan Ullrich am Berg mit hochziehen konnte und dann war man entweder dabei oder nicht. Erst mit meinem späten Wechsel zum dänischen Team „CSC“ von Bjarne Riis änderte sich diese Mentalität. Wahrscheinlich lag das auch daran, weil Bjarne Riis für mich eine Art Mentor wurde. Er glaubte nämlich, dass ich selber gut genug sei, um solche Rennen zu gewinnen. Von daher war dieser Sieg eine Art Genugtuung und wichtig, es mir selbst bewiesen zu haben, dass ich es kann.
Da hört man nun etwas Unzufriedenheit über Ihre damalige Einschätzung seitens T-Mobile heraus, ist das so?
Nein, nur das ist der Unterschied zwischen Amateur und Profi. Man wurde für etwas bezahlt, was man machen musste. Da fragt auch keiner, wie zufrieden man mit dieser Rolle ist, selbst wenn es nur entscheidende fünf Minuten im Rennen sind, für die man bezahlt wird. Ich habe den mir zugewiesenen Platz im Team einfach stillschweigend angenommen, ohne darüber nachzudenken, zu was ich noch in der Lage gewesen wäre.
In welchem Ihrer Radteams fühlten Sie sich denn am wohlsten? War der Teamspirit bei CSC für Ihren individuellen Erfolg dort entscheidend?
Die Verhältnisse bei „Once“ und dem Nachfolgeteam „Liberty Seguros“, waren sehr familiär, was auch dazu führte, dass wir einigermaßen erfolgreich waren. Das empfand ich schon als sehr angenehm.
T-Mobile und CSC dagegen waren sehr professionell, dort sah ich meine Mitstreiter mehr als Kollegen, statt als Familie. Meiner Meinung nach erkennt man ein gutes Team und deren Habitus auch daran, wie lange Mechaniker oder Masseure angestellt sind.
Basierte denn jeder Erfolg Ihrer Karriere auf Ihrem Talent, oder hatten Sie auch manchmal einfach Glück?
Ja, im Grunde nur (lacht). Nein, es ist natürlich so, dass man auch ein Quäntchen Glück braucht. Wobei „Glück“ ist relativ. Man sollte einfach kein Pech haben. Im Schlusssprint kann beispielsweise immer was passieren, wenn man in den letzten Kurven im Getümmel nicht vorbei kommt oder ähnliches.
Hing Ihr privates Glück vom sportlichen ab, oder war das eher umgekehrt? Wie haben Sie den Crossover vom Profi-Dasein zum entspannten Privatleben gemeistert?
Ja, das ist relativ schwierig. Es ist nicht einfach, mit einem Leistungssportler zusammenzuleben. Da man eben aus dieser Parallelwelt kommt und dann gibt es per se nichts Wichtigeres als diese Parallelwelt. Das kann ein Außenstehender dann womöglich gar nicht so richtig nachvollziehen. Ich glaube, meine damaligen Freundinnen sind verrückt geworden (lacht). Man lebt eben in dieser „24-Stunden-Leistungssport-Bubble“. Das heißt, du musst immer aufpassen, was du isst, musst früh ins Bett gehen und hast einen ganz strukturierten Tagesablauf.
Zum Ende hin nochmal eine Frage zu Ihrer Zukunft. Ihr letztes Team, welches 2009 allerdings keine Lizenz bekam, war Cinelli-OPD. Das ist nun über fünf Jahre her. Kann man denn noch mit einem Comeback von Jörg Jaksche rechnen?
Nein, nein. Auf keinen Fall. Damit habe ich abgeschlossen.
Vielen Dank für das Gespräch!
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