Besagter Mottowagen war in einer Abstimmung auf Facebook aus insgesamt vierzehn Entwürfen ausgewählt worden und inzwischen gibt es sogar eine Online-Petition, die sich dafür einsetzt, ihn doch zu bauen und beim Zoch mitfahren zu lassen. Die Kölner Jecken scheinen Wagen und Witz also zu befürworten, und die Argumente des Festkomitees wirken in sich widersprüchlich: Der Persiflage-Wagen würde „die Freiheit und leichte Art des Karnevals“ einschränken, sagte Pressesprecherin Sigrid Krebs dem Express. Dabei ist doch ausgerechnet der „Charlie Hebdo“-Wagen das Symbol für Meinungsfreiheit schlechthin, der fadenscheinig begründete Rückzieher des Festkomitees hingegen erinnert eher ein bisschen an inhaltliche Zensur.
Kein erhöhtes Sicherheitsrisiko wegen „Charlie Hebdo“-Wagen
Natürlich möchte niemand am Rosenmontag, dem wohl absoluten Höhepunkt des Kölner Karnevals, Angst vor Terroranschlägen haben. Allerdings ist eine derartige Massenveranstaltung immer ein Sicherheitsrisiko, wie Hildegard Stausberg in ihrer Kolumne für „Die Welt“ schreibt. Erhöht würde dieses durch den „Charlie Hebdo“-Wagen aus Sicht der Polizei definitiv nicht. Übrigens muss der Attentäter, der auf dem Wagen von einem Clown mit einem Bleistift attackiert wird, nicht zwangsläufig Islamist oder überhaupt religiöser Fanatiker sein: Auf die Hass und Angst schürende Gleichsetzung Muslim gleich Terrorist wurde hier ganz im Sinne von gut kölscher Weltoffenheit und Toleranz zum Glück verzichtet. Aiman Mazyek, Sprecher des Zentralrats der Muslime, findet es „nicht nachvollziehbar, warum der Mottowagen zurückgezogen wurde“, und auch vom Koordinationsrat heißt es, religiöse Gefühle würden nicht verletzt.
Oberflächliches Massenbesäufnis ohne Gesellschaftskritik?
Es mag Leute geben, die beim ausgelassenen Feiern in erster Linie ihre eigenen Sorgen, aber auch die tragischen Nachrichten aus aller Welt, die uns tagtäglich durch die Massenmedien kommuniziert werden, vergessen möchten. Allerdings ist es im Kölner Karneval seit nunmehr fast zweihundert Jahren üblich, Kritik an gesellschaftlichen oder anderen Missständen zu üben, eine Tradition, die auch im am Sonntag stattfindenden „Schull- un Veedelszöch“ an die daran beteiligte nächste Generation weitergegeben wird. Zwar wirkt die Kritik manchmal etwas plump und entspricht nicht jedermanns Geschmack – jeder Jeck ist anders – aber genau das ist Meinungsfreiheit nun einmal. Mit leicht verständlicher Satire ein großes Publikum zu erreichen ist sogar höchst demokratisch.
Persönlich bin ich zwar nicht wirklich mit dem alljährlichen Karnevalstreiben aufgewachsen, habe die kölschen Feierlichkeiten jedoch ein paar Mal miterlebt. Dabei war ich fast schon positiv überrascht von der Tatsache, dass es dabei nicht nur um massiven Alkoholkonsum und oberflächliche Heiterkeit geht, sondern auch und ursprünglich vielleicht sogar in erster Linie um eben jene Gesellschaftskritik. Die Freiheit, seine Meinung auszudrücken, Übel aufzuzeigen und zu kritisieren, darf nicht eingeschränkt werden, selbst wenn sie teilweise in geschmackloser Satire ausartet. Dazu zu stehen ist nicht nur wichtig, um den Opfern der Attentate in Paris die Ehre zu erweisen, sondern auch angesichts der unzähligen Menschenrechtsverletzungen, die leider nach wie vor in diversen Ländern der Welt begangen werden.
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