„Liebe“ ist in aller Munde. Jeder wünscht sie sich, doch nur wenige finden sie. Mancher ist sogar daran verzweifelt. Dabei könnte doch alles so schön sein – mit der „Liebe fürs Leben“ – Hauptsache glücklich verliebt, Händchen haltend, so richtig romantisch mit „Schmetterlingen im Bauch“. Doch ist das eine Liebe, die wirklich trägt, die durch dick und dünn geht? Wie hoch kann der höchste Berg schon sein, wenn man ihn nicht an seinem Tal messen kann?
Vor einigen Wochen trat der Essay „Egoistische Zweisamkeit – Ersatzreligion Liebe“ aus der Feder von Markus Günther seine Erfolgstournee an. Inzwischen über 20.000 Mal geteilt, ist dieser Beitrag über Liebe, Verliebtsein, Glück und Sex noch immer en vogue. Menschen interessieren sich für das schönste, aber auch das schwierigste Thema der Welt: Liebe. Jeder Mensch möchte in seinem Leben irgendwie glücklich werden – am besten in einer dauerhaften und verbindlichen Beziehung – mit der „Liebe fürs Leben“ – Hauptsache glücklich verliebt, Händchen haltend im Park, eng umschlungen an der Schiffsreling, so richtig romantisch mit „Schmetterlingen im Bauch“, vielleicht auch ein wenig kitschig mit Liebesbriefen und dem „gemeinsamen Lied“ – und alles das für die Ewigkeit.
In seinem Beitrag für die FAZ kritisiert Markus Günther diese Form der romantischen Liebe als „Mythos“, als den „großen Selbstbetrug“ unserer Zeit, ja sogar als „Ersatzreligion“. Und er liefert Beweise dafür. In der Ersatzreligion „Liebe“ lauten die Grundgebete: „Ich liebe Dich“ und „Du bist mein ein und alles“. Der sakramentale Grundvollzug erfolgt durch Zärtlichkeiten, Zungenküsse und Sex. Das religiöse Grundsymbol ist das rote Herz(chen) – gerne auch einmal als Plüschherz, als Vorhängeschloss oder als Bettbezug. Die Heilige Schrift – das sind die Liebesbriefe. Und die „Nationalhymne“ – das ist „unser Lied“, bei dessen Erklingen die Pulse der Verliebten stocken.
Wie hoch kann der höchste Berg schon sein, wenn man ihn nicht an seinem Tal messen kann? Diesen Satz hat einer meiner Freunde neulich seiner Freundin mit auf den Weg gegeben. Die beiden sind glücklich verliebt und haben auch regelmäßig Sex. Doch das ist nicht alles. Das ist insbesondere nicht die Grundlage ihrer Beziehung. „Ich liebe Dich“ bleibt dann ein reines Lippenbekenntnis, wenn es sich nicht in den schwierigen Situationen des Lebens beweist. Verliebt sein, sich küssen, gemeinsam Zeit verbringen – das ist etwas sehr Schönes. Doch hält unsere Liebe auch dann, wenn es nicht so schön und romantisch ist? Wenn wir füreinander einstehen müssen? Wenn wir für die Liebe auf etwas verzichten, für die Liebe ein Opfer erbringen müssen? Oder enttarnt sich unsere „Liebe“ in dieser Stunde der Prüfung als „égoïsme à deux“, als „egoistische Zweisamkeit“, als Egoismus, der eigentlich nur konsumiert statt sich selbst zu verschenken?
Liebe muss wehtun. Ansonsten ist sie nicht echt
Dass Liebe und Leid in einer engen Beziehung stehen, wusste schon die selige Mutter Teresa von Kalkutta: „Wahre Liebe tut weh. Sie muss immer wehtun. Es muss schmerzhaft sein, jemand zu lieben, schmerzhaft, ihn zu verlassen, man möchte für ihn sterben. Wenn Menschen heiraten, müssen sie alles aufgeben, um einander zu lieben.“
Liebe ist nicht dasselbe wie Verliebtsein. Liebe ist mehr als ein Gefühl, mehr als Romantik, mehr als eine – ja letztlich unverbindliche – Umarmung, mehr als ein bloßes „Ich liebe Dich“. Liebe ist letztlich eine Entscheidung. Sie geht durch dick und dünn und kennt auch Momente des Verzichts, des Schmerzes und des Opfers. Ganz konkret etwa auf unser verliebtes Pärchen bezogen: Was geschieht, wenn für einen der Partner ein Wohnortswechsel in eine weit entfernte Stadt ansteht? Tut dieser Partner dann alles dafür, dass es nicht zu jener räumlichen Distanz zwischen den Verliebten kommen muss? Gibt er notfalls seine Studien- und Berufspläne in besagter Stadt auf? Und ist auf der anderen Seite seine Partnerin bereit, wenn sich der Wohnortswechsel wirklich nicht vermeiden lässt, sich ihrem Partner anzuschließen und mit ihm umzuziehen?
Ein solch banales Beispiel führt uns vor Augen, dass Liebe über Händchenhalten hinausgeht. Und dabei ist das Beispiel noch harmlos gewählt. Wie handelt die Liebe etwa in wirklich ernsten Situationen? Wenn es um das Leben des Ehepartners oder eines Kindes geht? Wäre der Vater wirklich bereit, sein Leben für seine Tochter hinzugeben? Bin ich wirklich bereit, in meinem Freundeskreis, mit meinem ehrenamtlichen Engagement oder mit meinen Hobbies, ein wenig kürzer zu treten, um mehr Zeit für meine Familie zu haben? Würde ich meine Tenor- oder Soprankarriere an den Nagel zu hängen, um unsere gemeinsamen Kinder zu erziehen? Bin ich um der Liebe willen bereit, mein ganzes Leben umzukrempeln und ein neuer Mensch zu werden? Und wenn wir auf unsere Beziehung zu Gott blicken: Sind wir im Ernstfall wirklich bereit, für unseren Glauben einzustehen, notfalls auch für unseren Glauben zu sterben – wie die Apostel und die zahlreichen Märtyrer der Kirchengeschichte?
Liebe zeigt sich in Taten
Wahre Liebe zeigt sich in Taten, nicht in Worten. Ich kann meiner Frau jeden Tag hundertmal „Ich liebe Dich, mein Schatz!“ ins Gesicht sagen, doch wenn ich parallel eine Affäre mit einer heimlichen Geliebten unterhalte, sind diese Worte nicht mehr als Schall und Rauch. In gleicher Weise gilt dies für meine Beziehung zum Nächsten, zu meinen Freunden und, wenn ich glaube, letztlich auch zu Gott. Ich kann einem guten Freund feierlich schwören: „Ich werde Dich niemals verraten!“ Doch die Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit dieser Freundschaft zeigt sich erst dann, wenn es wirklich darauf ankommt. Wie verhalte ich mich, wenn andere über meinen Freund herziehen? Werde ich zum Mitläufer, mache ich mit, verleugne ich meinen Freund oder nehme ich ihn in Schutz?
Liebe zeigt sich in Taten. Diese Erfahrung musste gerade der Apostel Petrus machen, der seinem Freund und Herrn Jesus Christus noch kurz vor seiner Gefangennahme am Gründonnerstag großtuerisch versprochen hatte: „Und wenn alle an Dir Anstoß nehmen – ich niemals!“ (Mt 26, 33). Doch es kommt, wie es kommen musste. Petrus nimmt den Mund ein wenig zu voll. Als es darauf ankommt und er im Hof des Prätoriums von einer einfachen Magd auf Jesus angesprochen wird, verleugnet er ihn dreimal – und gleich darauf kräht der Hahn, wie es Jesus prophezeit hatte. Doch der vermeintliche Sieg des Satans wird zum Sieg Christi. Petrus erkennt seinen schweren Bruch mit dem Herrn, verlässt den Hof des Prätoriums und weint bitterlich. An jenem Abend wird er wohl jenen fundamentalen Sinneswandel vollzogen haben, der ihn später in der Kraft des Heiligen Geistes befähigte, für Jesus in den Tod zu gehen. Die Wahrhaftigkeit, Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit unserer Liebe und Treue zu unseren Freunden und zu Jesus Christus zeigt sich eben nicht in Worten, sondern in ganz konkreten Taten, in unserem ehrlichen Einsatz und in unserem mutigen Zeugnis.
Liebe lebt von Kommunikation
Jede Liebe – sei es in der Ehe, in einer Beziehung, in der Freundschaft oder in unserer Beziehung zu Gott – lebt von der Kommunikation – gerade in schwierigen Zeiten. In jeder Freundschaft gibt es Hochs und Tiefs. Heute bin ich möglicherweise mit ganzem Herzen dabei und erlebe eine Hochstimmung der Gefühle. Morgen wird es mir schwerer fallen, mir Zeit für meinen Freund, meine Freundin, meinen Partner oder eben für Gott zu nehmen und mit ihm ins Gespräch zu kommen – vielleicht deshalb, weil ich mir um mich selbst große Sorgen mache und meine Gedanken ganz woanders hängen, vielleicht deshalb, weil ich einfach gerade nicht viel Zeit habe oder ich mit meinem Freund, meiner Freundin oder mit Gott unzufrieden bin. Gerade in solchen Phasen der geistlichen Trockenheit und der Entfremdung zeigt sich, ob meine Liebe und Freundschaft wirklich wahr und ernst ist.
Wir kennen das aus unserem Alltag: Echte Freunde nehmen sich gerne Zeit füreinander, selbst wenn sie diese Zeit gar nicht haben. Freundschaft lebt von der persönlichen Begegnung, vom regelmäßigen Austausch, von der gegenseitigen Anteilnahme und vom Interesse aneinander. Wenn Freunde eine Zeit lang nicht miteinander sprechen, dann beginnt ein Prozess der Entfremdung, der nach einiger Zeit sogar dazu führen kann, dass man sich gar nicht mehr wiedererkennt. Beziehungen sind nichts Statisches, sondern etwas Dynamisches. Freundschaften wollen gepflegt werden. Und bei guten Freunden und bei Verliebten ist das sogar eine Selbstverständlichkeit.
Ich persönlich lasse keinen Tag verstreichen, an dem ich meine besten Freunde nicht einmal kurz angerufen oder ihnen zumindest ein Lebenszeichen gesendet habe. Und das tue ich nicht, weil meine Freunde oder andere das erwarten, sondern weil ich gerne den Umgang mit Freunden pflege. Es ist uns ein inneres Bedürfnis, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten und mit ihnen in Kontakt zu bleiben.
Ganz genauso ist es bei Verliebten: Wer jemanden liebt, würde am liebsten den lieben langen Tag an der Seite dieser Person verweilen und niemals von ihr weichen. Liebe möchte sich mitteilen, sie möchte das ganze Leben mit dem bzw. der Geliebten teilen und gleichsam mit ihm bzw. ihr eins werden. Liebe strebt immer nach Einheit. Sie möchte mit dem Gegenüber mitfühlen, mitleiden, mitdenken und mithandeln. „Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand“ (1 Kor 13, 7).
Wenn diese Liebe mehr ist als jene verführerische Liebesromanik, dann ist auch eine „Liebe fürs Leben“ realistisch, dann ist Liebe nicht nur ein Gefühl, das verpufft und eines Tages einfach vorbei ist. Liebe ist immer eine Entscheidung, ein Ja für immer, das viele Neins voraussetzt, etwa auch das Nein zu allen Frauen bzw. Männern der Welt – minus einer bzw. einem. Wenn junge Männer und Frauen diese frohe Botschaft von der Liebe vor ihrem eigenen Leben reflektieren, so wird auch die eheliche „Liebe für immer“ leb- und liebbar.
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