2008 wird Matthias Steiner Olympiasieger im Gewichtheben – die Krönung seiner sportlichen Laufbahn. Bis dahin musste er viele Hürden überwinden: er begleitet seinen ersten Trainer in den Tod, kurz darauf erhält er die Diagnose Diabetes Typ1. Nach Querelen mit dem Österreichischen Gewichtheberverband muss er die Nation wechseln, wird Deutscher und dann stirbt ein Jahr vor den Olympischen Spielen auch noch seine erste Frau. Ein Leben voller Höhen und Tiefen. Bei der KIKU Sporty Academy in Südtirol hat der ehemalige Weltklassesportler sein Wissen an junge Nachwuchstalente weitergegeben. Wie meistert man Hindernisse? Wir haben ihn gefragt.

Matthias, der Sport hat Deine Jugendzeit begleitet. Wie hast Du im Alltag schon so früh gemerkt, dass Gewichtheben wirklich “Dein” persönlicher Traum ist, dem Du folgen willst?
Ich habe im Endeffekt ganz verschiedene Sportarten ausgeübt. Klassisch begonnen habe ich mit Fußball und mit vier Jahren mit Tennis und Tischtennis. Mit 12 ist mir dann der Gedanke gekommen: Die Sportart, die mein Vater macht, ist eigentlich ganz schön. Gewichtheben hat etwas Ehrliches, Messbares.
Träume verändern. Was hat sich bei Dir ganz konkret im Alltag verändert, nachdem Du die Entscheidung getroffen und Dich aufgemacht hast?
Es war ein fließender Übergang. Mit zehn Jahren habe ich mal im Garten mit der Eigenbau-Hantel geübt. Dann mit 12 als ich zumindest regelmäßig ins Training wollte, gab es erstmal nur eine Veränderung: Wie komme ich zur Trainingsstätte, die 30 km entfernt von zu Hause war. Mein Vater hat mich dann nach der Arbeit unterwegs aufsammelt oder ich bin auch des Öfteren mit dem Rennrad zum Training gefahren.
Am 18. Geburtstag: die Diagnose Diabetes Typ 1. Unheilbar. Was ist an diesen Tagen passiert mit Deinem Traum?
Gott sei Dank kam die Diagnose nicht schon früher, denn die Jahre davor war es eigentlich kein Traum, Gewichte zu heben, sondern einfach Spaß. Aber mit 18 Jahren war es dann schon so, dass ich ein bisschen mit dem Gedanken gespielt habe, einmal bei Olympischen Spielen anzutreten. Oder zumindest Profisportler zu werden, auch wenn es eine Randsportart ist.
Aber plötzlich kommt so ein Hammerschlag von oben und setzt dich auf den harten Boden der Tatsachen. Die Ansage des Arztes war: Diät halten, kein Gewichtheben mehr, Lehrausbildung wird auch schwierig, usw. Da habe ich erstmal alle Gefühlszustände erlebt, die es gibt. Aber nach ein paar Tagen habe ich dann schon gemerkt, dass ich eigentlich immer noch derselbe Matthias bin, also muss auch mehr möglich sein, als nur zu funktionieren. Das kam bei mir der Gedanke auf: Jetzt erst recht. Der Traum wurde eigentlich so verfestigt.
Ungerechtigkeit im Leben gibt es immer wieder. Aber trotzdem ist das bei Dir ein klarer Einschnitt. Woher hast Du die Kraft genommen, eben nicht zu verzweifeln?
Die Kraft habe ich letztlich aus den Zielen genommen, die ich mir gesetzt habe. Und wenn diese Ziele mir emotional so wichtig sind, dass es weh tut, wenn ich sie nicht erreiche, dann habe ich auch Antrieb. Und natürlich ist es auch wichtig zu akzeptieren, was man nicht ändern kann. Diabetes Typ1 lässt sich nun mal nicht ändern. Also geh damit um.
Gerade auch viele junge Menschen zweifeln, weil sie sich noch nicht klar genug kennen. Wie hast Du selbst an Deiner Sicherheit – auch abseits des harten Trainings – gearbeitet?
Im Sport gibt es den Vorteil, dass es ein klares Ziel gibt, das auch zeitlich vorgegeben ist. Das ist der Druck, den man dann hat. Die Sicherheit habe ich mir darüber geholt, dass ich mir klar gemacht habe, was ist wichtig, um das Ziel zu erreichen und was nicht. Ich habe dabei auch versucht, meine Stärken zu definieren und meine Schwächen. Dabei gilt: Stärken stärken und Schwächen schwächen. Unterm Strich ist es wichtig, sich auf das zu konzentrieren, was man gut kann. Und Spaß soll es natürlich machen.
Es gibt viele “Helden des Alltags”, die jeden Tag mit Hindernissen umgehen: Welche Eigenschaften faszinieren Dich, wenn Du solche Menschen siehst?
Die Überzeugung, mit der sie die Dinge machen. Das sind im Endeffekt Idealisten, die mit sich selber im Reinen sind und überzeugt sind von dem, was sie machen und sich von außen auch nicht wirklich ablenken oder beeinflussen lassen.
Heute bist du Unternehmer im Bereich Fitness und Ernährung und Sänger. Was motiviert Dich daran, Dich immer wieder neu zu entdecken?
Ich entdecke mich eigentlich nicht immer wieder neu, sondern ich nutze die Chancen, die mir das Leben bietet. Da gibt es den berühmten Flügelschlag des Schmetterlings: Er löst dann einen kleinen Windstoß aus, der wieder etwas anderes verändert oder antreibt. Das passiert aber nur, wenn der Schmetterling sich auch bewegt. Ich bewege mich also. Ich tue etwas und deswegen ergeben sich auch neue Dinge.
Wenn Du nun zurückblickst auf das, was Du erlebt hast: Was glaubst Du ist es, was Du weitergeben kannst, das bleibt?
Letztlich: Ziele setzen, dabei ehrlich zu sich selber sein und auch gerne die Komfortzone verlassen um neue Dinge auszuprobieren. Nur so kommt man vorwärts.
Die KIKU SPORTS ACADEMY für angehende Profi-Sportler als eigenständige Veranstaltung feierte in diesem Jahr ihre Premiere. Dabei standen Themen wie Motivation, Stressüberwindung und innere Stärke im Fokus. „Die Sportler benötigen neben den wichtigen Inhalten auch die Zeit und eine vertrauensvolle Stütze, damit sie nicht nur im Sport, sondern auch als Menschen wachsen können“, so Jürgen Braun, Geschäftsführer von KIKU. Die Veranstaltung richtet sich laut Angaben der Veranstalter an alle Sportler, Sportinteressierte, aber auch an Menschen, die nach außergewöhnlichen Charakteren suchen. Die Akademie, die schon während des International Mountain Summits mehrfach stattfand, hat sich als Erfahrungs- und Wissensplattform für Sportler, Nachwuchssportler und Trainer etabliert. Die Teilnehmer bekommen durch praxisbezogene Impulsvorträge und Erfahrungsberichte wertvolle Tipps für die sportliche Karriere.
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