Doch was versetzt Menschen weltweit so in Ektase und Begeisterung, wenn von Primark die Rede ist? Zunächst fällt vor allem das Konzept des Modediscounters auf: Keine bzw. kaum Werbung, günstige Kleidung (einige würden an dieser Stelle „billig“ sagen) in Massen und eine enorme Vielfalt. Der Modekonzern mit Hauptsitz in Irland hat es innerhalb weniger Jahre geschafft, ein Mode-Imperium aufzubauen. Die Werbung funktioniert überwiegend durch Mundpropaganda. Nirgends hängen Plakate, im Fernsehen laufen keine Werbespots, wie man es von andere Modeketten wie zum Beispiel H&M gewohnt ist, die mit teuren Models viel Geld in die kurzen Clips investieren. So spart Primark zumindest bei der Werbung deutlich ein. Leider aber auch bei den Arbeitern in den Entwicklungsländern. Ein Großteil der Kleidung wird in Bangladesch produziert. Die einzelnen Produktionsstätten werden vom Modekonzern aber (bewusst) verdeckt gehalten.
Genau über diese Machenschaften von Primark versuchte ZDF in der Reportage „Primark- Kleidung zum Wegfwerfen“ Genaueres zu erfahren. Drehgenehmigungen waren gar nicht oder nur sehr schwer zu bekommen. Als eine Reporterin es dann doch schaffte, eine Näherin zu interviewen, brachte diese die bedrückende Lage auf den Punkt: „Irgendjemand zahlt dafür. Und das sind unsere Arbeiter, mit ihrem Blut, Schweiß und ihrem Leben.“ Änderungen diesbezüglich hat Primark auch nach der Dokumentation nicht angekündigt. Die katastrophalen Arbeitsbedingungen, die sich unter anderem durch mangelnde Sicherheitsbestimmungen in den Fabrikgebäuden kennzeichnen, blendet ein Großteil der Kundschaft beim Kauf wohl aus. Immer wieder ereignen sich schlimme Katastrophen in den Fabriken. Doch trotz der medialen Aufmerksamkeit setzen sich zu wenige Leute für bessere Arbeitsbedingungen ein. Denn warum sollte man sich auch um das Wohl anderer Menschen in fernen Ländern kümmern, wenn man ein T-Shirt für drei Euro kaufen kann und eine Hose für zwölf?
Die Kunden sind zufrieden
In Deutschland wurden Primark-Kunden gefragt, was sie an der Modekette am meisten schätzen und wie sie sich den extremen Konsumrausch erklären. Die Antworten waren immer dieselben: Es ist günstig. Es gibt Auswahl. Es ist das Paradies für Teenager. Aussagen über eine besonders gute Qualität der Waren fallen nicht. Verständlich, wenn man sich bewusst macht, das ein T-Shirt für drei Euro nicht zu 100 Prozent aus Baumwolle sein kann, wenn gleichzeitig noch die Arbeiter bezahlt werden müssen und Primark selbst Profit daraus schlagen will. Doch auf Qualität scheinen die vielen Teenager gar nicht zu achten. Wichtiger ist der volle Kleiderschrank und das Gefühl, sich alles auf einmal leisten zu können. Fraglich ist nur, wie lange dieses Konsumverhalten noch tragbar ist.
Mode zum Wegwerfen
Der Titel der ZDF-Dokumentation trifft ins Schwarze. Es handelt sich um "Mode zum Wegwerfen", die kaum noch Wertschätzung erfährt. Eine gute Bekannte von mir arbeitet seit einiger Zeit in einer Primark-Filiale in England und erzählte eine Geschichte, die eben diese fehlende Wertschätzung der Kleidung bestätigt. Nachdem sie ganze zwei Stunden damit verbracht hatte, die Blusen, Tops und T-Shirts zu falten, fand sie fünf Minuten später nur noch einen einzigen Wühlberg vor. Kein Kunde hatte scheinbar die Absicht, die Kleidung wieder ordentlich auf den Tisch zurückzulegen. Noch schlimmer traf ich es bei einer London-Reise vor einigen Jahren an. Damals, unaufgeklärt über das Konzept von Primark, war ich dem Hype auch verfallen. Trotzdem konnte ich meinen Augen nicht trauen, als ich sah wie ein Mitarbeiter im Eingangsbereich Massen an Klamotten mit einem überdimensional großen Kehrblech vom Boden auffegte. Anschließend „schüttete“ er das Aufgekehrte lieblos auf den Tisch und das Gewühle ging weiter. Überall im Laden lagen Kleidungsstücke und Accessoires auf dem Boden, über die sekündlich shoppingaffine Teenies trampelten.
Doch was ist der Grund für die fehlende Wertschätzung? Höchstwahrscheinlich ist es der Preis. Denn aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Klamotten von Primark sind kein langer Wegbegleiter. Viele Freunde von mir haben sich schon oft darüber entrüstet, dass Blusen und Hosen nach einigem Malen tragen und waschen verblassen oder sogar Löcher aufweisen. Und genau dann kauft man sich diese eben neu. Viel hat man ja schließlich nicht dafür ausgegeben. Traurig an dieser Konsumentwicklung ist eigentlich nicht nur der Wertverfall und viel zu günstige Preise, sondern auch der Umstand, dass nur ein bestimmter Teil der Welt davon profitieren kann – zumal wir unendlich viele Möglichkeiten haben, uns bewusst für andere Ware zu entscheiden. In vielen Städten gibt es mittlerweile Fair Trade Shops, die Kleidung zu angemessenen Preisen anbieten, an der neben den Käufern auch die Näher profitieren. Diese symbiotische Beziehung zwischen Modekette und Produzenten ist (leider) kaum noch anzutreffen. In nahezu jedem Stadtzentrum sind die immer gleichen Läden wie H&M und Zara zu finden, von denen ähnliche Produktionsbedingungen und Preisniveaus wie bei Primark bekannt sind. Beim direkten Preisvergleich fällt eines jedoch sofort ins Auge: Primark bietet mit Abstand die günstigste Kleidung an.
Wachsender Wohlstand?
Für mich erscheint es fraglich, wieso mit einer derartigen Konsumentwicklung medial immer wieder von wachsendem Wohlstand die Rede ist. Nimmt man es genau, können Klamotten aus Plastik, die nahezu keinen Wert besitzen, nicht als Wohlstandsindikator bezeichnet werden. Klar, die Masse macht`s für viele. Letzen Endes ist es jedem selbst überlassen, wo und wie viel er einkauft. Doch wichtig ist es zu verstehen, dass die Macht etwas zu verändern in den Händen der Käufer liegt. Der Spruch, Qualität hat ihren Preis, scheint sich doch zu bewahrheiten, zumindest in Bezug auf die Mode von Primark. Mir persönlich hat die Dokumentation von ZDFzoom die Augen geöffnet, sodass ich seitdem einen großen Bogen um Primark mache. Heute kann ich die Beobachtung, die eine Facebook-Freundin in einem Post kundtat, nur teilen. Da heißt es: „Auch interessant wie sich alle immer über Leute im Kik lustig machen und jetzt alle stolz ihre Einkaufstüten von Primark posten.“
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