Mehr und mehr Frauen entscheiden sich gegen das Kinderkriegen. Für diesen Entschluss werden sie allerdings oftmals als egoistisch oder karrieregeil bezeichnet. Wir haben mit vier Frauen gesprochen, denen es so ergangen ist.
Wann und unter welchen Umständen wurde Ihnen bewusst, dass Sie keine Kinder bekommen möchten?
Sarah: Mir war schon immer klar, dass ich keine Kinder haben möchte und das hat auch mehrere Gründe. Zum einen verspürte ich noch nie positive Gefühle gegenüber Kleinkindern und Babys. Wo einige Menschen ein vermeintlich süßes Babylächeln sahen, stieg in mir nur Abneigung oder Gleichgültigkeit hoch. Zum anderen sehe ich mich in meiner Zukunft, einfach und simpel gesagt, nicht mit Kindern an der Seite. Ich käme nicht mit ihnen zurecht und ich hätte keine Freunde daran mich mindestens 16 Jahre um (m)ein Kind zu kümmern. Ich hege kein Interesse daran eine Familie zu gründen oder die „Mama“ zu sein, denn mein höchstes Ziel ist es, glücklich und zufrieden alleine mit meinem Partner zu leben und dieses Glück würde uns ein Kind, so bitter es sich für einige anhören mag, zerstören. Ganz unabhängig von den genannten Gründen wäre ich u.a. auch nicht in der Lage, eine Schwangerschaft physisch und psychisch, aufgrund gewisser Erkrankungen, zu verkraften.
Michelle*: Ich wusste es, seitdem ich ein Kind bin. Damals wurde ich noch belächelt.
Anna*: Ungefähr mit Ende 20, Anfang 30 wurde es mir bewusst. Als Kind hatte ich Krebs, der mit Chemo- und Strahlentherapie behandelt wurde. Das allein ist keine Kontraindikation für eine Schwangerschaft, jedoch habe ich damals immer öfter semimaligne Tumore in Gebärmutter und Brust entwickelt. Hinzu kommt eine, durch die Erkrankung bedingte, Körperbehinderung. Grundsätzlich kann und darf ich schwanger werden, aber es wäre mit diversen Komplikationen und Risiken verbunden. Letztlich habe ich nicht den Mann getroffen, mit dem ich gemeinsam das Abenteuer hätte angehen wollen. Gleichzeitig war und ist mein Leben erfüllt und voller Abenteuer, so dass ich mich nie wirklich nach einem Kind gesehnt habe. Der Kinderwunsch war und ist latent vorhanden, aber nicht stark und ausgeprägt genug, damit er die Risiken und Gefahren überwiegt.
Tanja*: Ich habe es realisiert, als ich mit 20 Jahren noch ein Geschwisterchen bekommen habe und real mitbekommen habe, welche Arbeit dahintersteckt und wie unflexibel man ist.
Vor allem Frauen, die sich gegen Kinder entscheiden, werden oftmals gesellschaftlich geächtet und werden unter anderem als egoistisch bezeichnet. Sind Sie ähnlichen Reaktionen begegnet?
Sarah: Ja leider schon, wobei man sich fragen muss, wie schrecklich es wäre Frauen dazu zu zwingen, Kinder zu gebären. Diese Ausbeutung wäre das höchste Maß an Egoismus und ein großer Schritt zurück ins primitive Mittelalter. Was uns jüngere Menschen jedoch wohl am meisten widerfährt, ist die Unterstellung von Naivität, Unwissenheit und Schwachsinn. Wir wären nicht in der Lage, darüber entscheiden zu können oder zu dürfen. Natürlich ist dabei zu beachten, dass einige ihre Meinung ändern werden, andere wiederum bleiben bei ihrem Entschluss und diesen sollte man dann auch respektieren. Nicht jede Frau hat eine ‘ „biologische Uhr, die bald schon anfangen wird, zu ticken“ und solche Frauen sollten nicht minder gut behandelt werden, wie jene mit Kindern. Wir sind mittlerweile im 21. Jahrhundert angelangt und sollten von menschenunwürdigen und frauenverachtenden Traditionen und Bräuchen ablassen.
Michelle: Natürlich. Immer wieder. Ich erwiderte: „Seid Ihr egoistisch, weil Ihr welche bekommt? Jeder muss diese Entscheidung für sich allein treffen.“
Anna: Ja, das kenne ich. Erkläre ich meine gesundheitliche Problematik, hat jeder Verständnis. Nur „hinkt“ dieses Verständnis für mich ein wenig. Zum einen möchte ich nicht unbedingt jedem meine Erkrankung erklären und ich finde, ich habe den Anspruch, auch unabhängig davon entscheiden zu dürfen, ob Kind oder nicht. Dann ist es ja nicht meine Erkrankung allein, die mich so entscheiden lässt. Und zuletzt: In diesem „Verständnis“ schwingt auch immer die Anspruchshaltung mit rein, dass Kinder immer gesund und fit sein müssen. In meinem Fall besteht das erhöhte Risiko, ein krankes Kind zu gebären. Nun bin ich aber dagegen, dass kranke oder behinderte Kinder fast bis eine Woche vor dem Geburtstermin abgetrieben werden dürfen. Wäre mein Kinderwunsch ausgeprägter gewesen, hätte mich das nicht abgeschreckt.
Tanja: Ja, das kommt des Öfteren vor. Wenn ich jedoch meine Meinung zu dem Thema schildere, dann höre ich meistens: Dann ist es gut, dass du keine Kinder bekommst.
Einige Menschen sind der Auffassung, dass ein Leben ohne Kinder kein erfülltes Leben ist. Wie stehen Sie zu dieser Aussage?
Sarah: Das ist völliger Unsinn. Diese pauschale Aussage ist genauso unrealistisch, wie dass man ohne Kinder alleine sterben würde. Nichts im Leben ist ein Garant für Glück und Wohlsein. Genauso wie einen Kinder erfüllen können, können sie einen auch zerstören. Einige gehen dieses Risiko gerne ein, sterben glücklich und zufrieden, andere sehen ihre Familie aufgrund von Streitigkeiten nie wieder und ebenfalls andere sind gern „alleine“ oder unter Freunden.
Michelle: Jeder besitzt sowieso andere Werte, Träume, Wünsche. Daher ist die persönliche Erfüllung individuell.
Anna: Ohne zu verallgemeinern, diese Aussage kann wirklich gefährlich sein. Werden zu viele Wünsche und Bedürfnisse auf ein Kind projiziert, die vermeintlich oder tatsächlich zu einem erfüllten Leben gehören, geht das ganz oft schief. Ein Kind sollte bedingungslos geliebt werden. Diese bedingungslose Liebe ist aber nur möglich, wenn das eigene Leben grundsätzlich bereits erfüllt und glücklich ist. Ein Kind soll nicht ein eigenes „inneres Loch“ oder eine Leere stopfen. Zu oft habe ich beruflich und privat gesehen, wie unglücklich alle Beteiligten werden, wenn das Kind gar nicht die Hoffnungen auf ein erfülltes Leben erfüllt.
Tanja: Ich sehe das auch absolut nicht so. Da ich es nicht weiß, wie es mit Kindern ist, vermisse ich auch nichts.
Gibst es sonst noch etwas, das du diesbezüglich mit der Welt teilen möchtest?
Sarah: Jeder sollte selber entscheiden können, was er mit seinem Leben anfangen möchte. Das ist Freiheit und Selbstbestimmung.
Michelle: Lasst jeden einfach sich selbst sein und macht es euch gegenseitig nicht so schwer.
Anna: Trotz unserer recht freien, demokratischen und toleranten Gesellschaft begegne ich vielen Vorurteilen: Single, kinderlos, Ende 30. Mit der kann was nicht stimmen, karrieregeil, Zicke, neurotisch, gestört oder hässlich. Schade. Aber für mich gehören zum Leben noch so viele andere Werte: Echt und authentisch sein, auf mich und nicht auf die anderen hören, Achtsamkeit mit mir und meinen Mitmenschen, Toleranz und Neugier und vieles mehr. Ja, wenn eine Frau lieber Karriere machen möchte, warum denn nicht? Warum soll mein Lebensglück von einer Beziehung oder Kindern abhängen? Glücklicherweise empfinde ich mein Leben als sehr viel vielfältiger.
Vielen Dank für das Gespräch!
*Namen von der Redaktion geändert
Matthias Baumgart
Ich lese immer nur “persönliche Erfüllung”, “eigenes Glück” und “unflexibel”. Dass man vielleicht als auch soziale Verpflichtungen hat, interessiert nicht. Natürlich ist es leichter, kinderlos zu sein und natürlich ist man flexibler ohne Kinder. Finanziell geht es einem in Deutschland auch besser – solange das Rentensystem nicht kollabiert.
Für mich sind es an den Haaren herbeigezogene Begründungen. Ein ehrliches “Ja, ich weiß, dass es der Gesellschaft einen großen Mehrwert bringt und ich weniger auf meinen Luxus (Geld, Flexibilität, Ruhe, …) schauen könnte. Aber ich kann dem einfach nicht entsprechen” anstatt den Missstand zur Tugend zu machen, wäre wünschenswert gewesen.
Helena Renz
Vielen Dank für diesen Einwand, Matthias. Das ist selbstverständlich ein wichtiger Aspekt in dieser Diskussion und ich kann ihn durchaus nachvollziehen. Dennoch bin ich der Meinung, dass man keinen Menschen dazu zwingen kann, Kinder zu bekommen. Schließlich ist es für Einige einfach keine Option, Kinder zu bekommen. Das eigene Wohl spielt dabei für mich schon eine gewisse Rolle.
Zudem begegnen auch meist nur Frauen negativen Reaktionen, wenn sie sich dazu bekennen, keine Kinder bekommen zu wollen. Es gibt kaum bis gar keine Männer, die eine solche Abneigung erleben. So nehme ich es zumindest war. Dieses Gefühl war übrigens auch der Grund, weswegen ich diesen Artikel schreiben bzw. das Gespräch mit den Frauen führen wollte.
Sarah
Ich finde es interessant, dass scheinbar zunehmend jüngere Frauen sich gegen Kinder entscheiden und dies auch öffentlich diskutieren. Daher fehlt mir in dem Artikel die Altersangabe. Sind das Frauen in meinem Alter? Mitte Ende dreißig? Mathias möchte ich folgendes sagen: eine alleinerziehende Mutter findet nicht mal eben so einen Job der sich mit Kind vereinbaren lässt. Die Verkäuferin bei kik, die knapp über hartz verdient würde ich auch nicht als karrieregeil bezeichnen. Kinder sind scheiße teuer! Selbst auf hartz Niveau kostet so ein Kind gerne 54.000 Euro bis es 18 ist! Haushaltseinkommen von 3000 – 4500 Euro zahlen gern mal 160.000 Euro für einen nachkommen. Unabhängig davon dass die Hartzmama eh schon gucken muss wovon sie sich ein Buch kaufen soll, ist das durchaus auch eine wirtschaftliche Entscheidung. In Berlin verdient eine Freundin von mir mit 36 Jahren 1400 netto. Nun ist ihr freund finanziell unzuverlässig. Da ist ja schon die Nachricht, dass sie schwanger ist ein Grund zum heulen. Der wirtschaftliche Abstieg eingeleitet. Nachdem sie nach der Uni ewig Praktika machen musste und nie richtig durchstarten konnte, wäre es eigentlich jetzt an der Zeit. Endlich kann sie Erfahrungen aufführen und gehaltsforderungen stellen. Stattdessen darf sie dann bald stempeln gehen. Toll. Und im Alter wird sie nix in die Kassen eingezahlt haben und statt Rente wieder hartz bekommen. Kinderwunsch hin und her. Selbst mit Kinderwunsch entscheiden sich viele Frauen gegen Kinder, einfach weil sie kein Netzwerk haben, das sie finanziell auffängt. Wer von den Eltern oder Großeltern nichts erbt, der braucht nicht zu glauben, dass in der Praktikumsgesellschaft die in den letzten 15 Jahren in Berlin so beliebt und hip War und die die FDP so gern behalten hätte, viele williger Mütter herangezogen sind. Meine Freundin ist kein Einzelfall. Ich kenne nur zwei Sorten Frauen hier. Die einen die am Ende des Monats nicht mehr wissen was sie dem Kind vorsetzen können, und diejenigen die keine haben. Im Rest von Deutschland ist das anders. Meine Freundinnen in westdeutschen Städten haben fast alle Kinder. Sie sind alle zu 100% abhängig vom Kindsvater und ihren Familien. Aber wenigstens haben die schon mal was verdient und nicht nur Praktika gemacht. Die weinen vielleicht auch wenn sie schwanger werden. Aber vor Glück. In Berlin eher selten.
Helena Renz
Die Frauen, mit denen ich gesprochen habe, waren zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr!
Karin Fischer
Auch ich hab mich dagegen entschieden, hauptsächlich wegen einer Erbkrankheit die eine Schwangerschaft vom Anfang bis Ende zu einem großen Risiko gemacht hätte!
Wenn der Wunsch unbedingt da gewesen wäre hätte ich diesen Hürde genommen,sie war aber nie da und außerdem habe ich keine soziales Fangnetz was mann heutzutage dringend braucht!
Meine Familie wohnt im Ausland.die Schwiegereltern auch 40 Kilometer weiter und mein Mann und ich verdienen beide nicht so viel das ich es mir leisten könnte nicht oder weniger zu arbeiten!
Dazu ein Mann der nur am Wochenende da war mit unregelmäßiger Arbeitszeiten und ich im Schichtdienst…
Kombinier das mal mit einem Kind!
Trotzdem wird das oft nicht verstanden und als egoistisch ausgelegt…
Mir ist das egal, damit kann ich Leben, mittlerweile bin ich Anfang 40 und werde ich nicht mehr so oft gefragt, ich habe aber auch kein Problem damit das zu begründen!
Traurig ist das mann oft sich gezwungen fühlt zu erklären warum mann sich so entschieden hat!
Ich bin kein Kinderhasser, ich habe aber einfach kein “Kindergen” und konnte mich aber auch nie vorstellen mein ganzes Leben nach einem Kind zu richten und wenn es dann um sozialen Verpflichtungen geht ,dann habe ich Vater Staat vielleicht auch viele Unkosten erspart, falls mein Kind nämlich schwer behindert gewesen wäre und im Heim hätte leben müssen!
Das wäre für alle Beteiligten schlimm gewesen und ich glaube mein Mann hätte das nicht verkraftet…
Dafür arbeite ich in einem sozialen Beruf und versuche da jeden Tag mein bestes zu geben…
Maria
Das Kommentar von Matthias macht uns klar, dass in den Augen der Gesellschaft die Frau immer noch keinen Wert per se hat. Der Mehrwert, den die Frau in die Gesellschaft bringt, hängt von ihrer Gebärfähigkeit ab. Kinderlos bleiben zu wollen sei “ein Missstand”, den man “zur Tugend machen wolle”.
Ich antworte: Angesichts dieser Denkweise sollte eine Frau erst recht beschließen, kinderlos zu bleiben und sich dem Mutterschaftszwang nicht zu beugen!
Die Gesellschaft versucht immer wieder, die Frau in ihre traditionelle Rolle von Ehefrau und Mutter zurückzudrängen.
Diesem Versuch habe ich mich widersetzt, indem ich bewusst kinderlos geblieben bin. Ich würde mich jederzeit wieder so entscheiden.
An den Haaren herbeigezogen sind nicht die Begründungen für die Kinderlosigkeit, sondern das Argument mit dem Rentensystem. Angeblich sollen Kinder unsere Rente sichern. Was passiert jedoch, wenn diese Kinder erwachsen werden und beschließen, auszuwandern? In diesem Fall werden sie nie für unsere Rente aufkommen, obwohl wir jahrzehntelang für sie bezahlt haben.
Ich bin mir sicher, dass ich, die egoistische kinderlose Frau, seit vielen Jahren mit meiner Steuer (die höher als bei anderen ausfällt, da ich kinderlos bin) für die Kinder anderer Leute kräftig mitzahle. Ich und viele andere Kinderlose gehören in dieser Gesellschaft definitiv zu der Gruppe, die immer gezahlt und nie genommen hat. Ob so mancher kinderreicher Zeitgenosse das Gleiche über sich selbst behaupten kann, wage ich zu bezweifeln.
Was zu kollabieren droht ist nicht das Rentensystem, sondern das Ökosystem. Es wurde neuerdings wieder mal nachgewiesen, dass weniger Kinder eine Wohltat für den Planeten wären. Religionen und Politik handeln unverantwortlich und sogar kriminell. Sie ermutigen die Menschen, noch mehr Kinder zu bekommen, obwohl sie wissen, wie es um den Planeten steht.
Die Religionen berufen sich dabei auf Vorstellungen, die vor Jahrtausenden entstanden sind. Damals war die Situation auf der Erde eine ganz andere, es gab nicht so viele Menschen, die Menschen lebten nicht so lange und verbrauchten nicht so viele Ressourcen wie heute.
Die Politik handelt im Sinne der Industrie. Die Industrie braucht Konsumenten und die Menschen sollen Konsumenten produzieren.
Wann wird der Mensch endlich einsehen, dass sein Gebärwahn in den Abgrund führt?