Wegen des Verdachts auf eine Corona-Infektion musste Aykut* für zwei Wochen in häusliche Quarantäne. Wie er die Tage überstanden hat und wie es ihm dabei erging, erzählt er im Gespräch mit f1rstlife.
Die Infektionszahlen steigen und somit auch das Ansteckungsrisiko. Dass das Virus näher kommen würde, war ihm bewusst. Immerhin steckt er, wie so viele Menschen weltweit, gerade in der zweiten Welle der Corona Pandemie. Den Kontakt zu Menschen kann der Pädagoge durch seinen Beruf kaum reduzieren. Die Besorgnis darüber, dass er selbst irgendwann betroffen sein könnte, lähmt ihn zwar, doch es bleibt ihm keine Alternative: Schließlich muss er seine Miete bezahlen und das Leben geht doch irgendwie weiter…
Aykut arbeitet als Pädagoge an einer Grundschule in Köln. Sein Job macht ihm Spaß. Er liebt die Kinder und sie lieben ihn. In Corona-Zeiten hat sich einiges für ihn in der Schule verändert. Da die Kinder so jung sind und an einer Grundschule während des Unterrichts keine Maskenpflicht herrscht, scheint es schwieriger zu sein, genau dort dem Virus den Kampf anzusagen. Seine Arbeitsgemeinschaften (AGs) finden deshalb im Klassenverbund statt. Es wird häufiger gelüftet und die Kinder dürfen sich in ihren dicksten Pullovern präsentieren.
Den Abstand, aus pädagogischer Sicht, zu den Kindern zu wahren, ist oft beschwerlich gewesen. Und es kam der Tag, als er von seiner Chefin angerufen wurde und erfuhr, dass Schüler*innen aus seiner Klasse positiv getestet worden sind. Die ganze Klasse und die Klassenlehrerin wurden in Quarantäne geschickt, so auch der junge Pädagoge Aykut. Er war gedanklich darauf vorbereitet. Den ungefähren Ablauf kannte er schon, da es bereits einige Fälle an seiner Schule gab. Viele seiner Kolleg*innen, die in Quarantäne waren, empfanden diese Zeit als schrecklich, andere jedoch erzählten von zwei erholsamen Wochen. Nach dem ernsten Telefonat mit seiner Chefin ging Aykut noch schnell einkaufen und dann hieß es für ihn: Zwei Wochen alleine in seinem Zuhause ausharren.
Seine ersten Tage in Quarantäne
Er war gerade erst in seine neue Wohnung eingezogen und es gab noch einiges zu tun. Vor kurzem ist sein Fernseher kaputt gegangen und einen Kühlschrank hatte er auch noch nicht. Deshalb verbrachte er die ersten Tage damit, sich selbst zu organisieren und einen Tagesplan für seinen neuen Alltag zu erstellen. Freunde und Bekannte schrieb er an und bat sie um Unterstützung. Es fiel ihm nicht leicht, auf Hilfe angewiesen zu sein, aber er musste sich mit dem Gedanken arrangieren. Tatsache war, dass er die Hilfe der anderen benötigte. Seine Eltern wollte er nicht belasten, sie sollten lieber zu Hause bleiben.
„Allein den Müll wegzubringen, war schon eine Herausforderung für sich. Ich habe mich einfach wie ein Zombie gefühlt“, erzählt Aykut. Einige Situationen kamen ihm sehr komisch vor: Einmal brachten ihm seine Freunde den bestellten Einkauf vor seine Haustür. Aykut hingegen stand ihnen aus guter Entfernung mit seiner Maske in seiner gut durchgelüfteten Wohnung gegenüber. Es war klar, dass sich dann seine Freunde den ein oder anderen Witz über ihren „verseuchten“ Freund nicht verkneifen konnten.
Vieles fehlte ihm während der Isolation
Wenn ihm die Lust auf Süßigkeiten überkam, konnte er nicht mal eben zum nächsten Kiosk gehen. Er vermisste die flüchtigen Gespräche mit seinen Nachbarn, mit dem Kioskbesitzer um die Ecke oder seinen Freunden, die er beim Einkaufen begegnete. Seine Eindrücke waren auf seine vier Wände beschränkt. Dadurch fühlte er sich in dieser Zeit oft allein und isoliert.
Während der Quarantäne-Zeit glaubten seine Freunde und Bekannten, dass er nun viel Zeit hätte und riefen ihn deshalb ständig an. Auch seine Eltern wollten tagtäglich seine Stimme hören. Jetzt gab es keine Ausreden mehr für ihn, nicht ans Telefon zu gehen oder das Gespräch frühzeitig zu beenden. Zeit hatte er schließlich genug. Doch schnell war er erschöpft von den ganzen Telefonaten. Worüber sollte er denn noch reden?
Echte Symptome oder doch nur Einbildungen?
Die ersten Tage hörte Aykut zu sehr in sich hinein und glaubte, merkwürdige Zeichen seines Körpers wahrzunehmen. Einmal dachte er sogar, dass er keinen Geruchssinn mehr hätte. Er roch immer wieder an einer Tomate. So lange, dass er wirklich glaubte, nichts mehr riechen zu können. Seine Gedanken kreisten ständig um die Krankheit und ihre möglichen Folgen. Der junge Mann wusste sich jedoch abzulenken, indem er den Haushalt machte, kochte, putzte und noch einige Schränke aufbaute. Seine Wohnung konnte er so auf Vordermann bringen.
Die Zeit verging schnell. Aykut konnte endlich Aufgaben nachgehen, die er schon lange vor sich herschob. Dabei fühlte er sich produktiv. Leider gingen ihm in der zweiten Woche die Aufgaben aus. Dann fing er an, Computerspiele zu spielen und Filme zu schauen. So kam er irgendwie zur „Ruhe“. Wenigstens gewann er Abstand zu seiner aktuellen Situation. Außerdem entdeckte Aykut wieder das Lesen für sich. Es hatte ihm sehr gefehlt. Durch die Geschichten in den Fantasy-Büchern konnte er in eine andere Welt eintauchen und es tat ihm sehr gut.
Die letzten Tage in Quarantäne
Aykut hatte das Gefühl, dass sein Leben pausierte, so als hätte er die Handbremse seines Autos angezogen. Und das Leben ging nur für diejenigen weiter, die weitermachen konnten. Mit diesen negativen Gedanken vergingen die letzten Tage in Quarantäne sehr zäh. Der Fakt, dass er doch nichts gehabt hatte und in Quarantäne musste, zerrte an seinen Nerven. Alles schien sinnlos zu sein. Und eine plötzliche Lethargie erwischte ihn. Ab diesem Zeitpunkt konnte er es nicht mehr abwarten, endlich rausgehen zu können. Er brauchte neue Eindrücke, neue Gerüche, neue Geräusche und Face-to-Face-Gespräche…
Erster Tag in „Freiheit“
So genau wusste er nicht, was er jetzt mit seiner zurückgewonnenen Freiheit machen sollte. Aber er wusste, dass er erst mal seine Wohnung verlassen musste. Sonst steckte Aykut sich seine Kopfhörer ins Ohr, wenn er durch die lauten Straßen der Stadt schlenderte. Heute war er aber mit all seinen Sinnen da. Und der junge Mann war fast schon überwältigt von den ganzen Eindrücken.
Am Abend würde er zu seinem Freund fahren und endlich wieder ein Abendessen in Gesellschaft verbringen. Spaßig erzählt Aykut, dass er übrigens eine „After-Quarantäne“- Woche brauchte, um sich wieder in der normalen Welt einzufinden. Nichtsdestotrotz freut er sich, wieder arbeiten gehen zu können und die Kinder wiederzusehen.
* Name von der Redaktion geändert
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