Mit dem Sonntag beginnt der Advent. Der Gottesdienst der katholischen Kirche ist an diesem Tag geprägt von beunruhigenden und beängstigenden Bibeltexten – zumindest auf den ersten Blick. Das aber hat seinen Sinn. Und beinhaltet eine durchaus adventliche Botschaft.
Mit dem ersten Adventssonntag beginnt eine Zeit, die ganz besonders ist. Eine Zeit, die an die Kindheit erinnert, die nach Glühwein duftet und nach gebrannten Mandeln. Eine Zeit der Lichter. Eine stimmungsvolle Zeit bis Weihnachten, die mit so vielen Adjektiven aufgeladen ist: besinnlich, heimelig, ruhig, still. Der Advent ist zugleich auch eine Zeit, in der man sich die Frage nach dem Sinn des Lebens stellt, die Frage nach dem eigenen Leben, und ja – auch die Frage nach Gott.
Man möchte also meinen, dass auch in den Gottesdiensten des Advents diese schöne, liebevolle Stimmung weitergetragen wird. Weit gefehlt. Wer am ersten Sonntag im Advent einen katholischen Gottesdienst besucht, dem wird in den Lesetexten aus der Bibel einiges zugemutet.
Am Ende steht das Gericht Gottes
Der Text aus dem Matthäusevangelium beginnt nicht etwa mit einer Erzählung von der Geburt Jesu oder einer anderen Geschichte, die man als „schön“ bezeichnen würde. Nein, da wird eine Rede Jesu erzählt. In dieser Rede geht es um das Ende der Welt, um den Tag, an dem nach christlichem Glauben die Welt, wie wir sie kennen, endet und eine neue Welt beginnt. Eine Welt, in der Gott das Sagen haben wird und in der Gott regiert. Davor aber wird noch das Gericht Gottes kommen. Der Augenblick, in dem jeder Einzelne vor Gott treten muss. Der Moment, in dem alle Sünde, alles Schlechte, alle Fehler des Lebens auf den Tisch kommen. Und genau um diese „letzte Zeit“ geht es am ersten Adventssonntag. Beunruhigend.
Jünger sollen wach bleiben
Jesus sagt da nun, niemand würde die Stunde kennen, in der er kommen wird, um die Welt zu richten. Keiner weiß, wann es so weit ist. Und diese Situation vergleicht Jesus mit einem Hausbesitzer. Würde der wissen, dass und wann ein Dieb in sein Haus einbrechen will, er würde wohl wach bleiben und sich nicht schlafen legen. Wäre ja auch ziemlich dumm. Also soll er wach bleiben. Und das verlangt Jesus jetzt auch von seinen Jüngern. Auch sie sollen „wach bleiben“, so als wären sie die Hausbesitzer. Wach bleiben und auf ihn warten – das ist sicherlich übertragen zu verstehen. Christen sollen keine Menschen sein, die nicht mehr schlafen gehen. Sie sollen eher geistig wach bleiben und sich nicht einlullen lassen.
Dunkel und Licht prägen den ersten Adventssonntag
Und genau dieses Thema greift auch die Lesung aus dem Römerbrief des Paulus auf. Der Apostel schreibt da: „Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf.“ Auch er meint das im übertragenen Sinn. Aufstehen soll die Gemeinde in Rom, an die er seinen Brief schreibt, von der Trägheit, der geistigen Müdigkeit. Er schreibt weiter: „Darum lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts.“ Wieder ist da diese Lichtthematik: Dunkelheit, Nacht, Wachbleiben, Licht – das sind zentrale Worte an diesem Sonntag. Und ebenso interessant: Paulus fordert hier nicht die Gemeinde zu einem bestimmten Verhalten auf. Von oben herab. Nein, er nimmt sich selbst mit ein: „Lasst uns ablegen die Werke der Finsternis“ – die Werke der Sünde also.
Auch in der dritten Lesung dieses Sonntags, aus dem Propheten Jesaja, geht es um die letzten Tage. Schon am Anfang wird das ganz deutlich: „Am Ende der Tage wird es geschehen.“ Da werden alle Völker – also die ganze Welt – nach Jerusalem ziehen, dorthin, wo Gott wohnt. Und auch dieser Text endet mit einer Selbstaufforderung: „Ihr vom Haus Jakob, kommt, wir wollen unsere Wege gehen im Licht des Herrn.“
Im Mittelpunkt: Der Mensch
Erstaunlich eigentlich, dass im Advent zumindest in der katholischen Kirche kein Adventszauber zu finden ist. Es wird nicht sentimental, nicht gemütlich. Im Gegenteil: Da ist die Rede vom Ende der Welt, ein doch eher beunruhigender Gedanke. Wachen soll man, sich selbst bemühen, die Sünde hinter sich lassen – all das ist alles andere als gemütlich und heimelig. Aber vielleicht ist es ja auch genau das, was im Advent im Vordergrund stehen sollte. Der Advent ist für Christen eine Vorbereitungszeit auf Weihnachten. Und da steht eben kein Glühwein im Vordergrund, auch keine Lebkuchen und kein Weihnachtsmarkt. Sondern etwas deutlich wertvolleres: Jeder einzelne Mensch. Du, ich.
Die Botschaft dieses ersten Adventssonntags ist eine Herausforderung für jeden. Aber dennoch haben die Texte etwas Tröstendes. Bei aller Rede vom Ende der Welt ist dann doch viel vom Licht die Rede. Vom Licht Gottes, von den „Werken des Lichts“. Und das ist ein Licht, auf das sich die Menschen wohl immer verlassen können. Das „Licht des Herrn“, schreibt Jesaja.
Schreibe einen Kommentar