Das Licht in der Halle geht aus, auf der Bühne fällt der große Vorhang, der die Videoleinwand verdeckt. 15.000 fernbediente Leuchtarmbänder setzten kleine, helle Punkte im Publikum. Die ersten Takte von Taylor Swifts Hit „Welcome to New York” erklingen. Die Menge schreit, springt von den Plätzen auf und singt von der ersten Zeile an laut mit. Taylor Swift ist da. Angekommen in Köln, in Europa, im Pophimmel sowieso. Es ist das erste von zwei ausverkauften Konzerten in Köln. Mit ihren langen Beinen stolziert sie über die Bühne. Selbstbewusst und präsent. Sie ist da und – sie wird bleiben.
Binnen Sekunden hat sie die Menge nach New York entführt, der Stadt in der sie seit ungefähr einem Jahr lebt. Sie singt: „Everybody here wanted something more, searching for a sound we hadn’t heard before and it said welcome to New York”. Ja, sie wollte mehr. Und nicht nur mehr, sondern auch etwas Neues. Auf der Bühne steht eine selbstbewusste junge Frau, die weiß was sie will. Sie ist nicht mehr das süße Countrygirl mit der langen, wallenden Lockenmähne. Taylor ist auf Zack und das ganze 140 Minuten lang.
Es ist ein Mädelsabend der Superlative in der Kölner Lanxessarena. Taylor erzählt, wie „wunderbar” sie es fände, dass heute Abend so viele Menschen gekommen seien, um sie zu sehen. Es sei eine Ehre, dass all diese Leute den Freitagabend mit ihr verbringen. Taylor erzählt, spricht mit ihrem Publikum, will eine vertraute Atmosphäre schaffen. Und das schafft sie auch. Aber was wäre ein richtiger Mädelsabend ohne die besten Freundinnen? Während sie sich umzieht erscheinen unter anderem Lena Dunham, Selena Gomez und Karlie Kloss auf der Videoleinwand und erzählen, was Taylor ihnen doch für eine gute Freundin ist. Das alles könnte aufgesetzt wirken, aber das tut es nicht. Denn Taylor signalisiert, „Ich bin eine starke Frau”, aber trotzdem keine Einzelkämpferin.
Neue Töne
Dass Taylor ihre Gang braucht, zeigt sie auch in ihrem neuen Musikvideo zu „Bad Blood”, in dem sie erstmals eine ganz neue Seite von sich präsentiert. Ein Song über Liebe, Rache und Stolz. Sie tritt mit ihrer Agentengang auf, zu der auch Dunham, Gomez und Kloss gehören. Sie ist eine Kämpferin und suggeriert, dass man gemeinsam, aber vor allem, wenn man selber daran glaubt, alles schafft. Ihre Mission lautet aber nicht nur Stärke, sondern auch Aufräumen. Aufräumen mit dem Klischee, dass sie mit jedem ihrer Lieder nur eine weitere ihrer vielen Liebschaften verarbeite. Taylor kontert geschickt: „Ich singe über Dinge, die ich romantisch finde. Eine Stadt zum Beispiel, Freundschaft und auch das Gefühl, das man nachts um zwei Uhr hat, wenn man sich wünscht, dass man gesagt hätte, was man schon so lange sagen wollte.” Nach dieser Ansage singt sie ihren Hit „I wish you would”, der mit der Zeile „It’s 2am in your car” anfängt. Es geht wieder um die Liebe. Aber nicht mehr um den Prinzen mit seinem weißen Pferd. Es klingt erwachsener, reflektierter und authentischer, so wie die restlichen Songs ihres Albums „1989″. Das nette Mädchen von nebenan ist erwachsen geworden. Ihren Charme hat sie dadurch aber nicht verloren.
Geboren 1989
Die Zeichen stehen auf Neuanfang und Wandel. Im Vorwort zu „1989″ schreibt Taylor: „I’ve told you my stories for years now. Some have been about coming of age. Some have been about coming undone. This is a story about coming into your own, and as a result, coming alive.” Und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass sie ihr neustes Album, dass so ganz anders klingt, als alles was sie davor gemacht hat, nach ihrem Geburtsjahr benennt. Damit setzt sie einen Meilenstein, der ihren Musikstil, ihr Image, aber am meisten sie selbst neu herausfordert und der ihr erlaubt, sich neu zu erfinden. Weiter im Vorwort schreibt sie: „ Much is said about when we are born and when we die. But lately I’ve been wondering what can be said of all the moments in between our birth and our death? The moments when we are reborn?”
Das Leben als Star
Taylor Swift wurde am 13. Dezember 1989 in Reading, im US-Bundesstaat Pennsylvania geboren. Im Leben von Taylor Swift, „all the moments in between”, ist karrieretechnisch viel passiert. Am 19. Juni 2006, genau neun Jahre vor ihrem Konzert der „1989 World Tour” in Köln, veröffentlicht sie ihre Debutsingle „Tim McGraw”. Damals war sie erst 16 Jahre alt. Bereits mit 10 Jahren nahm Taylor an Karaokewettbewerben teil, mit 14 wurde sie dann bei Big Machine Records unter Vertrag genommen. „1989″ ist ihr fünftes Album. Weltweit wurde Taylor Swift dutzendweise für ihre Leistungen ausgezeichnet, insgesamt sieben Mal mit dem Grammy , unter anderem in der Kategorie „Album of the Year”. Trotzdem wirkt Taylor bodenständig, gar nicht abgehoben. Auch wenn sie während ihrer Show mit einem Teil ihrer Bühne abhebt. Festgeschnallt schwebt sie mit ihrer Gitarre über der Masse, die ihr ununterbrochen zujubelt. Taylor ist mächtig – und sie weiß ihre Macht einzusetzen. Seit diesem Jahr steht sie auf der Forbes-Liste der 100 mächtigsten Frauen der Welt. Sie gilt als eine der Meinungsmacherinnen der jungen Generation und als Botschafterin für Selbstvertrauen. Von hoch oben spricht sie von schwierigen Zeiten im Leben, dass jeder diese wohl von Zeit zu Zeit durchlebt und dass das eben zum Leben dazugehöre. Und jeder einzelne solle nie vergessen, wie wertvoll er ist. Und spätestens jetzt könnte das Maß an Kitsch voll sein. Aber das ist es nicht. Sie ist aufrichtig und lässt ihr Publikum teilhaben an ihrer Geschichte, die sich doch in manchen Abschnitten ganz vertraut anhört. Und vielleicht ist genau das das Geheimnis ihres Erfolges.
Taylor und ihre Swifties
Swifties – so nennen sich Taylors Fans. Taylor ist publikumsnah und betont mehrfach, wie wichtig ihr der Kontakt zu ihren Fans sei. Sie will greifbar sein – und das gelingt ihr. Über verschiedene Social Media Accounts tritt sie mit ihren Fans in Kontakt, teilt ihre Erlebnisse und Gedanken. Bei Instagram folgen ihr circa 34,5 Millionen und bei Twitter knappe 60 Millionen. Und Taylor hat eine ganz eigene Definition von Freundschaft, wie sie auf der Bühne erzählt: „ Für mich gibt es nur zwei Kriterien, die erfüllt sein müssen, um ein Freund zu sein. Du solltest mich mögen und gerne Zeit mit mir verbringen.” Jubel und Beifall tönt durch die Arena. Taylor steht im Scheinwerferlicht mit einem breiten Lächeln und sagt: „Es scheint als hätte ich diesen Abend 15.000 neue Freunde gewonnen.” Das auch das auf eine gewisse Art und Weise ernst gemeint ist, beweist sie regelmäßig über Instagram, Twitter und Co.: Vergangenes Weihnachten (#Swiftmas) schickte sie zum Beispiel ausgewählten Fans Weihnachtsgeschenke, um sich für die Unterstützung im vergangenen Jahr zu bedanken. Ihre Reaktionen wurden per Video festgehalten:
Und auch sonst gibt sie sich als Freundin und große Schwester: Egal ob es um das erste Date oder um ein Rezept für Schokoladenkekse geht.
Nach über zwei Stunden geballter Frauenpower singt Taylor schließlich ihren Hit „Shake it off”. Dabei tanzt sie noch ein letztes Mal mit ihren Tänzern über die Bühne. Sie trägt ein lilablaues Glitzerkleid und singt:
‘Cause the players gonna play, play, play, play, play
And the haters gonna hate, hate, hate, hate, hate
Baby, I’m just gonna shake, shake, shake, shake, shake
I shake it off, I shake it off
Sie tanzt und singt und tanzt und singt und will gar nicht mehr aufhören. Und spätestens jetzt dürfte sie auch den letzten Kritiker abgeschüttelt haben.
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