Impfdebakel, Maskenaffäre, kassierter Oster-Lockdown – die CDU steht am Rande der politischen Lächerlichkeit, die verlorenen Landtagswahlen sprechen Bände. Mitten in der Corona-Krise fällt ein Kartenhaus aus politischem Versagen und persönlicher Vorteilnahme zusammen. Ein Kommentar.
Anfang des Jahres nahm die Kritik an der Gesundheitspolitik Jens Spahns zu. Sie richtete sich gegen die nur schleppend anlaufenden Impfungen und die in viel zu geringer Zahl bereitgestellten Impfdosen. Zu allem Überfluss kassierte die Kanzlerin Ende Februar auch noch Spahns Ankündigung, ab März Schnell- und Selbsttests für alle Bürger bereitzustellen. Hatte man es hier nur mit leichten Erschütterungen zu tun, begann Mitte März im Zuge der Maskenaffäre ein politisches Erdbeben.
Was war passiert?
Man mag sich erinnern: Im Frühjahr 2020 herrschte deutschlandweit eine große Knappheit an Corona-Schutzmasken. Hier zeigten sich bereits die Folgen einer – über Jahre hinweg – völlig fehlerhaften Sparpolitik im Gesundheitswesen. Nikolas Löbel von der CDU und Georg Nüßlein aus der bayerischen Schwesterpartei CSU verhandelten mit bestimmten Firmen über die zeitnahe Lieferung von Masken in großer Stückzahl. Löbel und Nüßlein kassierten dabei Provisionen in sechsstelliger Höhe. Mittlerweile sind beide bekanntlich aus ihrer jeweiligen Partei ausgetreten.
Ob man die beiden Unionspolitiker juristisch der Korruption bezichtigen kann, ist noch nicht abschließend geklärt. Doch aus moralischer Sicht dürfen sie zweifelsohne das Prädikat „korrupt“ tragen. Es gehört ein großes Stück Gewissenlosigkeit dazu, aus einer gesundheitlichen Krise, während der Menschen auf den Intensivstationen um ihr Leben kämpfen, persönlichen Profit zu schlagen. Nun handelt es sich bei Nüßlein und Löbel offensichtlich nicht um Einzelfälle. Das Ausmaß von persönlicher Bereicherung und vermeintlicher Korruption in den Reihen der CDU/CSU wird gerade erst bekannt: Der CDU-Politiker Mark Hauptmann soll für seine Vermittlertätigkeit im Maskengeschäft – sage und schreibe – eine Million Euro Provision erhalten haben. Trotzdem unterschrieb er die Ehrenerklärung der Fraktion, sich nicht im Zuge der Corona-Krise bereichert zu haben. Scheinbar ist hier schon lange jedes Ehrgefühl verloren gegangen.
Bei Alfred Sauter aus der CSU stehen Provisionszahlungen von 1,2 Millionen Euro im Raum. Von einem ehemaligen bayerischen Justizminister dürfte man eigentlich erwarten, sich nicht zu tief in rechtlichen Graubereichen zu bewegen. Alles andere in den Schatten stellt allerdings Peter Gauweiler, der von 2013 bis 2015 stellvertretender Parteichef der CSU war. Zwischen 2008 und 2015 soll er vom Milliardär August Baron von Finck elf Millionen Euro Honorarzahlungen erhalten haben. Damit heizt er die Debatte über eine Offenlegung der Nebeneinkünfte von Abgeordneten mächtig an.
Die Konsequenzen
Es geht in diesen Fällen nicht vordergründig darum, ob sich die genannten Politiker strafbar gemacht haben. Falsch ist, dass sie dort auf der Grundlage hoher Provisions- bzw. Honorarzahlungen gehandelt haben, wo eigentlich das Wohl des Volkes an erster Stelle stehen sollte. Ihr Verhalten war unmoralisch und ein Betrug am Wähler. Die Parteiaustritte von Löbel, Nüßlein und Hauptmann sind daher die logische Konsequenz. Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU Ralph Brinkhaus drängte bei diesen Personalien auch auf eine Mandatsniederlegung. Löbel kam dieser Aufforderung nach, Nüßlein und Hauptmann sitzen dagegen weiterhin als Parteilose im Bundestag.
Warum Brinkhaus im Lobbyismus-Skandal um Philipp Amthor (CDU) nicht ebenfalls Konsequenzen forderte, ist schleierhaft. Amthor war spätestens ab Mai 2019 für das IT-Unternehmen Augustus Intelligence tätig, für das er Lobbyarbeit u. a. bei Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier betrieb. Er hatte zuerst behauptet, dafür keine Vergütung zu erhalten, musste schließlich aber einräumen, Aktienoptionen des Unternehmens im Wert von rund 250.000 Dollar zu halten. Bei Markus Lanz erzählte Brinkhaus, er habe mit Amthor ein „intensives Gespräch“ geführt. Mittlerweile ist Philipp Amthor als Spitzenkandidat in seinem Wahlkreis für die Bundestagswahl bestätigt. Politische Konsequenzen sehen anders aus.
Zudem blockierte die CDU jahrelang Bemühungen um ein ordentliches Lobbyregister, womit die Einflussnahme auf politische Entscheidungen durch Lobbyismus transparenter würde. Am 25. März – und damit Jahre zu spät – beschloss der Bundestag schließlich doch ein solches Register. Die SPD hatte allerdings gefordert, es müsse auch der exekutive Fußabdruck miteinbezogen werden. Dieser macht transparent, wenn Interessensvertreter Einfluss auf Gesetzesentwürfe – etwa durch Formulierungshilfen – nehmen. Die CDU wies diese Forderung der SPD gekonnt ab und sichert damit weiterhin ein Stück lobbyistische Intransparenz.
Lauterbach, übernehmen Sie!
Die Schlagzeilen um Jens Spahn reißen derweil nicht ab. Er verweigert die Offenlegung der Namen von Spendern, die im Zuge eines Abendessens 9999 Euro an seinen Kreisverband zahlten – genau einen Euro unter der Veröffentlichungspflicht. Rechtlich kann man Spahn hier keinen Vorwurf machen, doch es stellt sich die Frage, weshalb die Geheimhaltung der Spendernamen für ihn von solcher Wichtigkeit ist. Nachdem die CDU bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz abgestraft wurde, wird nun auch der Ruf nach einem Rücktritt Spahns laut.
Unter dem Hashtag #WirWollenKarl fordern vor allem Twitter-User, Karl Lauterbach als neuen Gesundheitsminister einzusetzen. Hilfreich wäre dies womöglich. Es zeugt von politischer Planlosigkeit, dass Regierungsämter mit völlig ungeeigneten Personen besetzt werden. Jens Spahn ist Politikwissenschaftler. Er hat keinerlei gesundheitliches Know-how. Der SPD-Politiker Lauterbach wäre als Epidemiologe mit Harvard-Abschluss deutlich besser geeignet und als Teil der Regierungskoalition natürlich verfügbar. Doch der Rücktritt Spahns käme freilich einem Schuldeingeständnis gleich und zu so etwas hat derzeit in der CDU nur die scheidende Kanzlerin die Courage.
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