Eine akademische Karriere ist attraktiv, die Arbeitsbedingungen an den Universitäten sind es eher nicht: Dauerbefristungen und mangelnde Perspektiven für Karriere- und Familienplanung bestimmen die Arbeit von Nachwuchswissenschaftlern. Auch die nun in Kraft getretene Gesetzesnovelle ändert daran wenig. Problembewusstsein gepaart mit unbeirrbarem Idealismus helfen dabei, die Universität als Arbeitgeber schätzen und einschätzen zu können.
Die Universität als gütige Mutter. Sie nährt uns mit kostbarem Wissen. Sie lindert unseren Bildungshunger, ohne uns je satt zu machen. Die Alma Mater als Hort höchster Bildung und seit dem Mittelalter Ort und Symbol für das unermüdliche Streben des menschlichen Geistes nach Erkenntnis. Wem das Forschen schon während der Studienzeit Freude bereitet hat und wer nach dem Studium noch immer wissen will, was die Welt im Innersten zusammenhält, steht vor der Option einer akademischen Karriere. Bleibe ich meiner Alma Mater treu oder löse ich mich von ihrer nährenden Brust, um anderswo mein Karriereglück zu suchen?
Willkommen im Wissenschaftsprekariat
An der Uni bleiben, eine Doktorarbeit schreiben und als wissenschaftliche Hilfskraft, oder besser noch als wissenschaftlicher Mitarbeiter, arbeiten – Ein reizvoller Weg für alle, die ihren Wissenshunger zum Beruf machen wollen. Doch wird die Alma Mater dann nicht selten zur Rabenmutter. Die Rede ist vom sogenannten „akademischen Prekariat“: befristete Arbeitsverträge, Teilzeitstellen und der größte Sorgenfaktor: Nach einer Frist von längstens zwölf Jahren sollte die Professur oder eine andere Dauerstelle erreicht sein, oder es ist endgültig vorbei mit dem Traum einer akademischen Karriere bis zur Rente.
Grundlage dieser Arbeitssituation ist das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG), das Sonderarbeitsrecht der wissenschaftlichen Hilfskräfte, Mitarbeiter und Assistenten. Die Befristungs- und Sonderregeln dieses Gesetzes bedeuten mangelnde Planungssicherheit und unklare Perspektiven. Mit Doktortitel und Lehrbefugnis ins Prekariat: So sieht der berufliche Fahrplan für nicht wenige aus. Denn es gibt weit weniger Professurstellen als wissenschaftlichen Nachwuchs. Der Traum von einer akademischen Karriere ist also schnell ausgeträumt, zumal für denjenigen, der eigentlich gar keine Professur anstrebt, sondern im akademischen Mittelbau seinen Platz im Dienst an der Wissenschaft sieht. Das ist ein skandalöser Zustand für ein Land, das Exzellenzinitiativen startet und „Bildungsrepublik“ sein will.
Eine Novelle ohne viel Neues
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kämpft schon lange für eine grundlegende Erneuerung des WissZeitVG. Ihre Kernforderungen nach dem Herrschinger Kodex lauten unter anderem: Absicherung der Promotionsphase, Perspektiven für Postdocs, Mindeststandards für befristete Arbeitsverträge, die Einrichtung von Dauer- und Vollzeitstellen im Mittelbau sowie eine familienfreundlichere Ausgestaltung der Karrierewege an den Unis. Letzter Punkt ist besonders wichtig, nicht nur für den heute so gut ausgebildeten weiblichen Nachwuchs in der Wissenschaft: Mit Fristverträgen fehlt die Sicherheit für eine Familiengründung und wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erschwert. Kein Wunder, dass laut amtlicher Statistik über 70 Prozent der Nachwuchswissenschaftlerinnen und auch etwa 45 Prozent der Professorinnen kinderlos ist. Das sind Werte weit über dem Durchschnitt, und auch bei den männlichen Kollegen sieht es nicht viel besser aus.
Auch die Politik ist sich dieser Missstände bewusst, eine Novellierung des WissZeitVG wurde immerhin im Dezember vom Deutschen Bundestag beschlossen. Seither muss für jede Befristung wenigstens ein echter Sachgrund vorliegen. Für Nachwuchswissenschaftler mit minderjährigen Kindern können sich die zwölf Jahre Maximalbeschäftigungsdauer nun um zwei Jahre je Kind erhöhen. Auch soll die Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses künftig genauer statistisch erfasst und untersucht werden. Doch reicht das aus? Die GEW sieht die Novelle zwar als „Etappensieg“, viele ihrer Kernforderungen wurden allerdings nicht umgesetzt.
Karriereplanung mit Idealismus und Hintertürchen
Wer eine akademische Karriere anstrebt, braucht vor allem eines: eine ordentliche Portion Idealismus. Ebenso eine tiefe Liebe zur Forschung, eine unermüdliche Neugier nach Erkenntnis, das Streben nach Exzellenz sowie nachhaltige Freude am wissenschaftlichen Arbeiten und Publizieren. Und wer weiß, vielleicht ringt sich die Politik eines Tages auch dazu durch, eine wirklich grundlegende Reform des WissZeitVG anzugehen. Dauerstellen für Daueraufgaben, ein Kernslogan der GEW, scheint das dringlichste Desiderat zu sein. Dabei geht es nicht um den vollständigen Ersatz befristeter Arbeitsverhältnisse – gerade bei Qualifizierungsstellen für Doktoranden und Habilitanden ist eine (adäquate) Befristung sachgemäß. Besser wäre aber, wenn sie grundsätzlich immer auch mit der Tenure-Track-Option, der Zusage einer Dauerstelle, wenn bestimmte Zielvereinbarungen erreicht wurden, verbunden ist. Zur Frage, ob befristet oder unbefristet in der Wissenschaft sollte es demnach um ein Sowohl-als-auch gehen.
Trotz allem: Jeder, der eine wissenschaftliche Karriere anstrebt, sollte sich jederzeit noch das Hintertürchen einer außeruniversitären Tätigkeit mit entsprechender Kontakt- und Beziehungspflege offenhalten. Manchmal müssen eben auch die treuesten Diener der Wissenschaft, die Nesthäkchen der geliebten Alma Mater, flügge werden.
Lina
Ich kann den Grundaussagen des Artikels nur zustimmen. Ein wichtiger Aspekt, der mir dabei allerdings noch zu kurz kommt, aber eminente Auswirkungen auf die diskutierte Problematik hat, sind die Auswirkungen der Stellenbefristungen bei wissenschaftlichen Angestellten auf die Studentinnen und Studenten. Man sollte das Problem auch einmal aus deren Sicht betrachten. Dann muss man leider feststellen, dass die Befristung wissenschaftlicher Stellen auch stark zu deren Lasten geht. Dem aktuellen Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs und der Kommentierung der GEW zufolge (siehe z.B. die Zusammenfassung bei https://www.textundwissenschaft.de/2017/05/02/1272/ ) hat sich bislang nicht wirklich etwas zum Besseren gewendet. Nach wie vor hat die Mehrzahl der Nachwuchswissenschaftler nur sehr begrenzte Chancen, eine echte Lebensplanung zu machen – wie sollen sie es da ihren Studentinnen und Studenten beibringen? Ich sehe hier die politisch Verantwortlichen, aber auch die Hochschulleitungen selbst gefordert, eine für alle betroffenen Gruppen akzeptable Lösung zu finden. Das Geld kann letztlich in einem reichen Land wie Deutschland nicht die Ausrede sein. Studierende und Hochschulbeschäftigte sollten hier versuchen, gemeinsam mehr zu erreichen – im beiderseitigen Interesse.
Lars Schäfers
Hallo Lina, vielen Dank für deinen Kommentar. Du hast recht, die derzeitige Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse an staatlichen Universitäten hat Auswirkungen auf alle Beteiligten und damit natürlich auch auf die Studierenden. Und sei es, dass diese von einer wissenschaftlichen Laufbahn abgeschreckt werden. Zwar sind wir in der Tat ein reiches Land, da aber Universitäten Ländersache sind und die meisten Bundesländer hohe Schulden mit sich tragen, ist allein deshalb schon nicht absehbar, ob sich an der Grundfinanzierung der Universitäten und einer damit einhergehenden Verbesserung der Beschäftigungsmodalitäten für Angestellte im akademischen Mittelbau in naher Zukunft grundlegend etwas ändern wird. Vielleicht ist hier mehr Engagement vom Bund nötig? Wird wohl ebenfalls schwierig. Dass hier aber Handlungsbedarf besteht, wird weiterhin deutlich.