Die Diagnose „Zungenkrebs“ stellte Vanessas Leben mit einem Mal komplett auf den Kopf. In der Zeit, in der sie ihre Stimme verlor, entdeckte sie das Malen für sich. Trotz der schwierigen Krankheit fühlte sie sich selbst so nah wie nie zuvor.
Eine große Lehrzeit begann mit vielen neuen Eindrücken und Erkenntnissen. Mein Leben schlug eine neue Richtung ein. Ich nahm es an, wie es war. Hierbei gab es in diesem Moment keinen anderen Ausweg.
Ich musst annehmen, was war – und vor allem: durchhalten.
Die schwierigste und prägendste Zeit in meinem Leben
Aber genau in dieser Zeit hatte ich das erste Mal das Gefühl, wirklich zu leben – so verrückt sich das vielleicht anhören mag. Ich fühlte mich lebendig, genoss jede Minute. Solange es ging, waren wir unterwegs, machten Ausflüge. Und das gab mir Lebensqualität in einer der schlimmsten Zeiten meines Lebens. Natürlich kamen dann auch die schlechteren Tage, wo ich lange Zeit fast nur schlief und mein Körper am Ende war. Ich nicht mehr essen oder trinken konnte und mir auch meine Sprache komplett genommen wurde.
Ich weiß heute nicht mehr, wie, aber irgendwas ließ mich durchhalten. Tag für Tag. Einen Gedanken daran, womöglich nicht zu überleben, hatte ich keine Sekunde. Es war eine harte und prägende Zeit, eine Zeit des Lernens und des Erwachens. Hier kam ich wieder zum Malen zurück, aber diese Bilder habe ich bis heute nicht veröffentlicht. Kunst spiegelt einen selbst wider. Dementsprechend sahen diese Bilder damals auch aus: niedergeschlagen und fertig. Aber genau das war nun meine Lösung. Meine Sprache hatte ich nicht mehr. Also malte ich einfach alles aus mir heraus.
Meine Bilder sind meine Sprache
Bis heute noch ist der Ansatz meiner Kunst: Wo Worte nicht mehr zur Sprache finden, genau dort setzt meine Kunst an. So habe ich im Malen etwas wieder gefunden, was mich dazu brachte, endlich in mir weiterzuleben, statt nur im Außen. Mein Inneres nach außen zu bringen.
Denn genau das war der Ausdruck, welchen ich mir nie zugetraut hatte. Der Knoten auf der Zunge. Ich war immer ruhig und hielt mich klein, wie ihr ja schon über mich wisst. Genau das kam jetzt durch die Krankheit gespiegelt hoch. Ich ging gegen mein Sein, gegen mich selbst zu lange und zu stark an.
Dankbarkeit für die kleinen Dinge im Leben
Hart, aber schnell durfte ich durch die Krebserkrankung gehen. Und – Gott sei Dank – nach nur sechs Monaten hatte die Qual ein Ende. Meine Sprache kam schnell wieder zurück und so fing ich endlich an, zu reden. Ich sprach alles aus, was ich so lange nicht konnte. Ich war einfach wieder dankbar – dankbar zu leben, zu essen und reden zu können.
Ich habe oftmals nicht nur bei mir, sondern auch bei meinen Mitmenschen erlebt, dass wir durchs bloße Funktionieren einfach keine Spur von Dankbarkeit für die kleinen Dinge im Leben erhalten. Darüber wurde mir auch bewusst, welch ein Geschenk es ist, gesund zu sein, weil lange Zeit Dinge, die für andere Menschen normal sind, für mich nicht möglich waren.
Mein ganzes Leben veränderte sich
Kaum gesund, war mein ganzes Leben nicht mehr das, was es einmal war. Der Krebs hatte alles verändert. Und ich war vorerst noch in einem großen Loch, weil ich all das seelisch noch verarbeiten musste. Die Außenwelt wollte mich dies aber nicht lassen. So musste ich relativ schnell wieder zurück in die Arbeitswelt. Genau das, was ich nicht mehr konnte, aber mir wurde absolut keine Wahl gelassen.
Körper und Seele ganz zu genesen, dafür sollte mir keine Zeit gelassen werden. So entschied ich mich wieder für einen praktischen Weg. Es war der Einzige, der sich mir als Möglichkeit anbot. Diesmal hatte ich aber das Glück, dass ich durch meine Entwicklung nur gut gesonnene Menschen in meinem Leben hatte. So konnte ich in aller Ruhe und ganz nach meinem Tempo einer guten Lösung nachgehen und meine Lehrabschlussprüfung nachholen.
Ein Mittelweg als Übergangslösung
Auch damals war hier für mich kein Weitblick im Außen, zu sehr war ich noch in mir. Aber genau das war gut. Denn alles, was ich brauchte in diesen Momenten, konnte ich auch nur in mir finden. Ich war auf einem Mittelweg angekommen, teils Funktionieren fürs Außen und fürs Innen kam wieder ganz viel Farbe in mein Leben.
Aber auch damals verstand ich noch nicht ganz, begann meinen Weg aber bewusster zu gehen. Mich mit Alternativen zu beschäftigen und endlich zu mir und meinem etwas anderen Weg zu stehen. Einen kleinen Schritt war ich bereits gegangen, viele große und auch kleine sollten noch folgen. Aber das erzähl ich euch im nächsten Teil.
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