Seit Oktober 2019 wird der Dannenröder Forst von zahlreichen Aktivist*innen besetzt. Vor fast zwei Wochen hat die Räumung der Baumhäuser für den Ausbau der Bundesautobahn A49 begonnen. Können wir das in Zeiten einer ökologischen Krise noch verantworten?

Es erinnert an die Geschehnisse im Hambacher Forst. Wer derzeit durch den Dannenröder Wald spaziert, begegnet unterwegs nicht nur zahlreichen Baumhäusern und Transparenten mit Aufschriften wie „Danni bleibt!“, sondern muss auch einige Barrieren aus Baumstämmen überwinden. Denn dieser Wald wird seit einem Jahr von Umweltaktivisit*innen besetzt. Während es in „Hambi“ damals allerdings um die Braunkohleverstromung ging, protestieren die Aktivist*innen im Dannenröder Forst heute gegen den Ausbau der Bundesautobahn A49, für die nahezu 100 Hektar der gesamten Waldfläche gerodet werden soll.
Ein Rückschritt für die Klimabewegung
Der Weiterbau des Abschnitts zur Verbindung von Kassel und Gießen ist ein wahrer Planungsdinosaurier. Bereits vor der Wiedervereinigung wurde die Planung aufgegriffen, ist jedoch immer wieder auf Widerstand durch verschiedene Initiativen und Organisationen, wie dem Bund für Umwelt- und Naturschutz, gestoßen. Auch Anwohner*innen protestieren schon seit 40 Jahren gegen den Bau der Autobahn. Als Aktionsformen, wie Demonstrationen und Petitionen, nicht mehr ausreichend waren, um den Bau der A49 zu stoppen, mussten andere Formen des Widerstands gefunden werden: Die Besetzung des Waldes durch Umweltaktivist*innen.
Die Gründe für den Widerstand sind vielfältig. Abgesehen davon, dass die Rodung eines gesunden Mischwalds ein Rückschritt für die Klimabewegung ist, stellt der Bau dieser Autobahn zusätzlich eine Gefährdung der Trinkwasserversorgung einer halben Millionen Menschen dar. Die Ursachen dafür sind bereits im Boden vorhandene Altlasten wie TNT, die sich mit dem Grundwasser vermischen können. Zusätzlich kann der Abrieb von Reifen und Asphalt in das Trinkwasser und die Umwelt gelangen. Als wäre das nicht schon genug, soll die Autobahn quer durch ein „Natura 2000-Schutzgebiet“ verlaufen, wodurch geschützte Arten bedroht und die Biodiversität gefährdet wird. Dabei bekräftigte Bundeskanzlerin Merkel erst vor zwei Wochen im Zuge eines UN-Gipfels, wie wichtig der Schutz der Artenvielfalt doch sei und forderte die Ausweitung von Schutzgebieten sowie die Renaturierung von Ökosystemen.
Konflikt zwischen Moral und Recht
Der Konflikt ist einer zwischen Moral und Recht. Auf dem Papier mag der Verkehrsplan zwar zulässig sein, doch können wir die Zerstörung wertvoller CO2-Speicher in der Klimakrise wirklich noch verantworten? Ist die Rodung eines Waldes für den Bau einer Autobahn noch zeitgemäß? Der Dannenröder Forst zeigt, wie wenig wir in den vergangenen Jahren gelernt haben. Der Klimaschutz mag sich zwar als relevantes Thema auf der politischen Agenda etabliert haben, doch wir sind noch lange nicht an einem Punkt angekommen, an dem wir sagen könnten, wir würden es ernst genug nehmen.
Vor allem für die hessischen Grünen ist dieses Ereignis ein politisches Dilemma. Es zeigt, wie wenig vom ursprünglichen Protestcharakter der Partei übriggeblieben ist, denn jegliche Verantwortung wird in die Hände der Bundesregierung geschoben. Trotz Einwände der grünen Bundespartei, sieht Tarek Al-Wazir, hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen, keinen Weg, den Ausbau der A49 und die damit verbundene Rodung zu stoppen. Das stößt nicht nur bei den Bürger*innen auf Empörung. „Früher wären die Grünen nicht nur in den Wald gegangen, sie wären geblieben und hätten Baumhäuser gebaut. Das ist erbärmlich”, sagte der Linken-Abgeordnete Jan Schalauske im Interview mit dem Hessischen Rundfunk.
Missglückte Chance oder Meilenstein?
Eins steht fest: Eine Autobahn ist nicht die Infrastruktur, die wir brauchen. Was für den Erhalt unserer Zukunft tatsächlich bedeutsam wäre, ist eine starke Verkehrswende und ein damit verbundener gerechter Klimaschutz. Es liegt an uns, dass der Dannenröder Forst nicht zur missglückten Chance, sondern einem Meilenstein auf dem Weg zu einer nachhaltigen, wie zukunftsfähigen Mobilität wird. Hier geht es schließlich nicht nur um einen Wald, sondern, auf lange Sicht, auch um unser Überleben.
Mehr Informationen zur Waldbesetzung findest Du u.a. unter https://waldstattasphalt.blackblogs.org/ und https://www.danni-bleibt.de/
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