Meera Jamal stammt aus Pakistan, wo sie als Journalistin für Frauen- und Kinderrechte schrieb. Als sie bedroht wurde und Angst um ihre Familie hatte, verließ sie 2009 ihre Heimat und ging mit ihrer Familie ins Exil nach Deutschland. Von vielen Seiten bekam sie hier Hilfe, doch in ihrem ursprünglichen Beruf arbeiten kann sie nicht. Das macht sie unglücklich, denn Meera Jamal würde gerne weiter etwas bewegen und verändern. Sie sagt: „Manchmal denke ich, dass es besser gewesen wäre, wenn ich dageblieben wäre. Ich weiß nicht, ob ich dann noch leben würde. Aber ich hätte bis zum Ende gemacht, was ich liebe.“
Die Spiegel-Autoren Vanessa Steinmetz, Eva Thöne und Martin Jäschke berichten nicht nur über Meera Jamal, sondern auch über vier weiter Journalisten, die jetzt im Exil in Deutschland leben, und die ein ähnliches Schicksal teilen. Viele Leser des Artikels können die Probleme, die diese Menschen haben, nicht nachvollziehen. In unzähligen Kommentaren unter der Reportage ist zu lesen: „Worüber beklagen sich die Herrschaften?“ „Dann soll sie halt zurückgehen? Wo ist da das Problem? Meine Güte.“ Und „Wenn ich sowas lese bekomme ich das Kotzen. Oh wie schlimm es der guten Frau doch geht.“
Keine Toleranz für Träume
Die portraitierten Journalisten leben in Deutschland sicherer als in ihrer Heimat. Sie müssen keine Angst haben, plötzlich verhaftet, angegriffen oder getötet zu werden. Sie bekommen finanzielle Unterstützung. Ein Neuanfang in einem fremden Land, ja einer fremden Kultur, ist immer schwierig. Man muss sein Leben ändern und sich anpassen. Das ist nicht immer einfach, aber es ist notwendig. Das alles steht außer Frage. Aber muss das genügen? Muss ich mit allem zufrieden sein; darf ich keine Träume, keine höheren Ziele mehr haben, sobald ich in einem Land lebe, in dem ich nicht geboren bin und in dem ich mich von der übrigen Bevölkerung unterscheide? Darf ich mir nicht einen Teil meines alten Lebens zurückwünschen in dem Land, in das ich fliehen musste?
Wir müssen uns einmal darüber klar werden, dass in den Asylbewerberheimen überall in Deutschland keine stumme Masse an Menschen sitzt, die eben aus irgendeinem Krisengebiet kommen, an dessen Existenz wir uns aus der sicheren Ferne schon längst gewöhnt haben. Jeder Mensch hat eine Vergangenheit, einen Beruf, hatte in seinem Heimatland einen bestimmten Lebensstandard, Ziele, Werte. Die mögen nicht immer mit den unseren übereinstimmen. Dennoch sind sie da. In den Asylbewerberheimen sitzen nicht unzählige faule Wirtschaftsflüchtlinge, die nur auf das Geld der deutschen Steuerzahler aus sind. Das sind teilweise Fachkräfte.
Ich hatte einmal die Möglichkeit, ein Asylbewerberheim zu besuchen und mit einem Iraner zu sprechen, der den ganzen Tag unterwegs war, um einen Ersatz für die zerbrochene Brille seines kleinen Sohnes zu beantragen und an den deutschen Behörden scheiterte. In seinem Heimatland war er Ingenieur, er hatte ein schönes Haus und konnte seine Familie gut versorgen. Was unterscheidet ihn von einem deutschen Ingenieur? Nichts. Außer dass ein deutscher Ingenieur nicht aus seiner Heimat fliehen muss. Und würden wir uns für den deutschen Ingenieur nicht wünschen, dass er in seiner neuen Heimat auch glücklich wird und vielleicht sogar irgendwann wieder in seinem Beruf arbeiten kann, um seine Familie zu versorgen?
Vielleicht lassen wir keine Integration zu
Der Wunsch, wieder in seinen Beruf einzusteigen, zeigt doch, dass die Menschen sich integrieren wollen, dass sie bereit sind, für ihr Geld zu arbeiten. Niemand verlangt doch, dass deswegen ein Deutscher, der denselben Beruf hat, ausgestellt wird. Und gerade im Journalismus wäre es vielleicht spannend, einen multikulturellen Blick „aus Deutschland heraus“ zu bekommen. Exiljournalisten haben in ihren Heimatländern für eine Verbesserung der Lebensumstände, für mehr Rechte, Freiheiten und Toleranz gekämpft. Dadurch, dass sie gezwungen waren, ihre Heimat zu verlassen, haben sie ihren Lebensmittelpunkt verloren. Und jetzt sind sie in einem Land, in dem es eigentlich all das gibt: Rechte für Jeden, Freiheit und einen hohen Lebensstandard – nur an der Toleranz scheitert es.
Die unzähligen negativen Kommentare zeigen deutlich, dass bei einigen Menschen in Deutschland zu wenig Interesse am Schicksal und vor allem zu wenig Toleranz gegenüber Flüchtlingen vorherrscht. Natürlich kann man das nicht verallgemeinern. Und natürlich muss man auch nicht immer Ja und Amen in Sachen Flüchtlingspolitik sagen, manchmal ist Kritik vielleicht durchaus berechtigt. Aber nicht auf dem Niveau der Leserkommentare unter der SPIEGEL-Reportage. Wenn wir alle so denken und mit solchen Vorurteilen an die Menschen herangehen, lassen wir vielleicht keine Integration zu.
Ein Kommentar unter dem Artikel lautet (Anm. der Red.: Um Rechtschreibfehler bereinigt): „Wer hat mich gefragt ob ich damit einverstanden bin, dass mein Lebensraum in Deutschland zerstört wird? Meine Kinder werden von ausländischen Schülern erpresst… Ausländische Diebesbanden plündern unsere Wohnungen und Häuser… Kriminelle Ausländer missbrauchen unsere Sozialsysteme…Religionsfanatiker hetzen gegen uns Ungläubige und und und. Ich habe Angst um meine Zukunft in meinem Land. Kommen Sie mir nicht mit ‚kriminell sind auch Deutsche‘ – Das ist schon schlimm genug, mehr brauchen wir aber nicht!“.
Dazu muss man wohl nichts mehr sagen.
Hier der Link zu der Multi-Medie-Reportage von Spiegel-Online: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/meera-jamal-und-andere-exiljournalisten-zur-situation-in-deutschland-a-982801.html
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