Als der heute 65-jährige Götz Rehn noch studierte, hätte er nicht gedacht, dass er einmal ein Unternehmen wie Alnatura mit 99 Filialen gründen und leiten würde. „Wenn ich in der Gründungsphase genau gewusst hätte, wie schwierig es sein würde, Alnatura aufzubauen, wäre ich vielleicht davor zurückgeschreckt“, sagt er: „Doch heute weiß ich: Es findet sich immer eine Lösung. Geht nicht, gibt es nicht.“
In dieser Woche besuchte Rehn seine Geburtsstadt Freiburg, um an seiner ehemaligen Uni eine Rede zur Feier des Deutschlandstipendiums zu halten. Auf dem Podium gestikuliert er leidenschaftlich und erzählt er so locker von seiner eigenen Studienzeit, dass man ihm seine 65 Jahre und 14-Stunden-Arbeitstage nicht anmerkt. Und doch wirkt der gepflegte Herr, der fast so groß ist wie die Regale in seinen Alnatura-Filialen, bedacht und bodenständig. „Wichtig im Leben ist, dass wir ein tiefes Interesse für die Welt um uns herum zeigen, dass wir das, was wir tun, lieben und dass wir immer wieder über unser Tun reflektieren“, gibt er den Studenten mit auf den Weg.
Vom Nestlé Manager zum Wirtschaftsarzt
Das Nachdenken über den Sinn seiner Arbeit war auch der Grund, warum er 1984 den gut bezahlten Job beim Nestlé-Konzern aufgab, um sein eigenes Unternehmen zu gründen, an dessen Erfolg damals nur wenige glaubten. Zu seiner Zeit bei Nestlé sagt er: „Wenn Sie etwas Neues beginnen wollen, müssen Sie erst das Bestehende kennenlernen. Ich habe dort viel gelernt und viel diskutiert.“ Schon im Studium und durch seine Promotion interessierte er sich für eine Wirtschaft, die dem Menschen dient. Ihm gehe es darum, ganzheitlich zu denken und etwas Sinnvolles zu schaffen, sagt er. So steckte er in den 80er Jahren genauso viel Energie in die umweltverträgliche und ansprechende Gestaltung seiner ersten Filiale, wie heute in die ökologisch und sozial sinnvolle Planung der neuen Alnatura-Zentrale in Darmstadt. Ursprünglich wollte er Medizin studieren wie sein Vater. Jetzt sieht er sich als „Wirtschaftsarzt“. „Wie kann ich die Menschen, mit denen ich zu tun habe, in ihrer Entwicklung unterstützen, sodass sie wiederum die Umwelt unterstützen?“, fragt er die Studenten und erzählt, dass auch Theater- und Kochkurse zur Ausbildung der Alnatura-Mitarbeiter gehören.
Philosophie und Schreinerlehre
Wie unterschiedlich Menschen mit ihrer Umwelt umgehen, erfuhr er schon als Kind, als er vom idyllischen Breisgau ins Ruhrgebiet zog. In Freiburg konnte er Forellen fangen und einen eigenen kleinen Garten bei seinen Großeltern in der Jacobistraße anlegen. In Bochum atmete er den Staub der Bergwerke und sah die vielen Arbeitslosen auf der Straße. „In der Schule war ich damals grottenschlecht“, erzählt Götz, der heute nebenbei auch als Professor an der Alanus Hochschule in Bonn unterrichtet. Da er die Aufnahmeprüfung zum Gymnasium nicht bestand, besuchte er die Waldorfschule – „eine super Zeit“, wie er sagt. Er genoss exzellenten Philosophieunterricht genauso wie Kurse im Schreinern und Praktika in der Landwirtschaft. Im Wirtschaftsstudium war er danach so ehrgeizig, dass er direkt mit den zweiten Scheinen begann und somit statt vier nur zwei Semester bis zum Vordiplom brauchte. Das Semester danach verbrachte er dafür dann als Skilehrer am Feldberg für den Hochschulsport. Auch heute noch fühlt er sich dem Schwarzwald verbunden und geht etwa gerne vom Schlossberg in Richtung Höllental spazieren. Ein bisschen Badisch spricht er auch noch – sein Lieblingsssalat: „Sonnewirbele“.
Schreibe einen Kommentar