Abseits der sozialen Netzwerke und der täglichen Kommunikation von Millionen von Menschen in Deutschland stehen Regierung, Behörden und Justiz vor der Herausforderung, die Freiheit des Internets und dessen Nutzern nicht einzuschränken. Gleichzeitig soll aber die Entwicklung der digitalen Welt von einem rechtsfreien zu einem rechtsgebundenen Raum vorangetrieben werden. Eine Zusammenfassung der vergangenen, aktuellen und anstehenden Vorgänge in der Netzwelt.
In Deutschland werden mittlerweile deutlich mehr WhatsApp-Nachrichten als SMS empfangen und versendet. Mit 667 Millionen verschickter Nachrichten am Tag nehmen WhatsApp und andere Messenger einen immer größeren Stellenwert in der täglichen Kommunikation der Deutschen ein. Einen so großen Stellenwert, dass sich die Innenminister Deutschlands und Frankreichs damit beschäftigen.
Uploadfilter und Zwang zu engerer Zusammenarbeit für WhatsApp & Co
Bundesinnenminister de Maiziere stellte vor kurzem mit seinem französischen Amtskollegen Cazeneuve einen Maßnahmenkatalog zur Erhöhung der inneren Sicherheit in Europa auf. Darin fordern die beiden Innenminister unter anderem eine stärkere Rechtsbindung und die Verpflichtung zur Zusammenarbeit bei Ermittlungen von Sicherheitsbehörden auch für Kommunikationsdienstleister wie WhatsApp und Telegram, deren Sitz sich im (EU-) Ausland befindet. Darüber hinaus bedürfe es einer Prüfung effektiver Maßnahmen bei Rechtsverstößen auf Seiten der Anbieter von Kommunikationsdiensten. Ein weiteres Anliegen der Minister war die Unterbindung der Verbreitung von radikalisierendem Bild- und Videomaterial über soziale Netzwerke.
Für die technische Umsetzung kommt Microsofts Photo-DNA infrage: Mithilfe dieses Programms lässt sich schon das Hochladen von bestimmten Inhalten, die bereits in einer Datenbank indexiert sind, verhindern. Vor einiger Zeit traf sich de Maiziere in Berlin mit Facebook, um neben Themen wie Datenschutz und Hatespeech über die Realisierung dieser Upload-Filter zu sprechen. Durchaus problematisch dabei: Private Unternehmen wie Facebook werden mit staatlichen Aufgaben betraut und in Verbindung mit Hatespeech zu Sittenwächtern. Tweets und Posts werden bereits vor der Veröffentlichung gelöscht – eine faktische Vorzensur. Welche Inhalte dabei als radikalisierend eingestuft werden, wer die Einstufung vornimmt und wie transparent diese ist, sind Fragen, die die Grundrechte aller Internetnutzer betreffen und einschränken könnten. Erst in diesem Jahr zensierte Facebook ein Bild einer oberkörperfreien Aborigine.
Forderung nach längerer Vorratsdatenspeicherung
Wer den Namen de Maiziere nun oft genug gelesen hat, wird leider enttäuscht: Zusammen mit den Innenministern der von CDU und CSU regierten Länder hat sich der frühere Verteidigungsminister für die Verlängerung der Vorratsdatenspeicherung auf sechs Monate stark gemacht. Ebenfalls sprach er sich für die Aufhebung der rechtlichen Trennung von Telekommunikationsdiensten und Telemediendiensten aus. Dadurch wären auch Messenger-Apps wie WhatsApp und Facebook Messenger dazu verpflichtet, Daten auf Vorrat zu speichern. Die Vorratsdatenspeicherung war im Dezember 2015 in Kraft getreten und verpflichtet Internet- und Telefonprovider zur Speicherung von Verbindungsdaten für zehn Wochen. Aus Aktivistenkreisen hagelte es dafür harsche Kritik. Auch die Grünen-Chefin Simone Peter warf de Maizière vor, er wolle mit immer neuen Anti-Terror-Paketen Tatkraft und Handlungsfähigkeit simulieren.
Generell ist die Vorratsdatenspeicherung nicht unumstritten: Gegen das Gesetz, das 2010 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurde und nun in abgeänderter Form erlassen wurde, werden derzeit erneut Klagen wegen Grundrechtswidrigkeit eingereicht.
Ein guter Tag für das Internet
Kürzlich hat das zuständige Gremium der europäischen Regulierungsstellen für den Telekommunikationssektor entschieden, dass Internetprovider auch zukünftig Daten im Internet nach dem Prinzip der Netzneutralität immer gleichbehandeln müssen. Zuvor waren die Richtlinien bezüglich der Netzneutralität schwammig formuliert. Die neue Fassung schließt nun eine Andersbehandlung hinsichtlich Übertragungsgeschwindigkeiten bei Datenpaketen bestimmter Dienste, die für eine schnellere Datenrate bezahlen, aus. Internetprovider wie die Telekom sind also beispielsweise nicht berechtigt, von Youtube Geld für das ruckelfreie Streaming von HD-Videos zu verlangen. Ohne eine Nachbesserung der Richtlinien hätten unter anderem Online-Dienste kleinerer Unternehmen mit weniger Kapital entscheidende Schwierigkeiten damit bekommen, ihre Kunden zu erreichen.
For the first time the democratic internet is protected in law for nearly half a billion Europeans #netneutralitypic.twitter.com/GKl1WPciDe
— Avaaz (@Avaaz) August 30, 2016
Obwohl die Internetprovider nicht öffentlich auf die Bekanntgabe reagierten, liegt es nahe, dass diese mit der Entscheidung alles andere als zufrieden sind. Das Internet feierte derweil: Netzaktivisten und NGOs sahen die Nachbesserung der Richtlinien als einen wichtigen Etappensieg um die Freiheit des Internets, um das sie mit der Aktion “Save the Internet” im Vorfeld kämpfen wollten. 500 000 Menschen legten in Nachrichten an das zuständige Gremium der europäischen Regulierungsstellen ihre Meinung zum Thema Netzneutralität dar.
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