Nicht erst seit der Energiekrise frage ich mich, wieso wir eigentlich nicht weiter beim Ausbau von erneuerbaren Energien sind? Um dieser Frage nachzugehen und besser zu verstehen, woran es in Deutschland gerade hakt, habe ich mich im ersten Schritt mit Herrn Jannik Lang – Projektleiter für die Projektierung von Windenergieanlagen unterhalten. Er arbeitet bei Juwi in Wörrstadt und ist dort für die Projektentwicklung und Koordinierung von Windenergie-Vorhaben auf der grünen Wiese bis hin zum Bau und der Inbetriebnahme zuständig. Wie das genau abläuft und was da alles zu beachten ist, hat er mir im Interview erklärt.
Wir haben das Interview per Zoom geführt und ich habe dabei mitgeschrieben. Das Interview wurde danach durch Herrn Lang und Juwi noch einmal gelesen und freigegeben.
Wie läuft ein Verfahren für die Entstehung eines Windparks ab? Werden da alle Belange berücksichtigt?
Wenn ein Windpark geplant werden soll, erfolgt ganz zu Beginn eine sogenannte „Weißflächenanalyse“. Dabei wird herausgearbeitet, welche Flächen zum Beispiel einer Gemeinde überhaupt für die Windenergie nutzbar sind. Schließlich gibt es in Deutschland viele Vorgaben, zum Beispiel Mindestabstände zur nächsten Siedlung, zu Straßen oder zu Schutzgebieten, wo keine Windräder gebaut werden dürfen.
Zudem muss die Topografie für den Bau von Windrädern passend sein. Die Anlieferung der Bauteile muss gewährleistet sein und natürlich muss vor Ort genug Wind wehen. Passende Flächen können bereits in sogenannten „Raumordnungsplänen“ oder „Flächennutzungsplänen“ der jeweiligen Gemeinden vorgegeben sein. Dies ist der Fall, wenn sich Gemeinden bereits damit beschäftigt und passende Flächen ausgesucht haben.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Bau von Windenergieanlagen in Deutschland prinzipiell privilegiert ist. Das neue „Wind an Land“ – Gesetz verpflichtet die Bundesländer zudem, bis 2032 mindestens zwei Prozent ihrer Flächen für Windenergie bereitzustellen. Das heißt, die Kommunen müssen diese potenziellen Flächen in ihren Flächennutzungsplänen berücksichtigen und aufzeigen.
Die einzelnen Verfahrensschritte sehen, wie folgt, aus:
- Potenzielle Fläche wird ausgesucht: Die Eigentümer*innen der jeweiligen Flächen (in der Regel Acker, Weideland oder Waldfläche) sind zumeist Privatpersonen oder Kommunen, Bundesländer oder andere Institutionen. Projektentwickler, wie Juwi, müssen daher im ersten Schritt mit den Eigentümer*innen Verträge über die Nutzung der jeweiligen Flächen abschließen. Zu einem solchen Vertrag kann in Deutschland niemand gezwungen werden. Größere Flächeneigentümer*innen suchen sich zum Teil auch umgekehrt gezielt einen Projektierer aus und schließen mit diesem einen Pachtvertrag über in der Regel 25 Jahre ab. Sind Flächen im Besitz von Bundesländern, wie zum Beispiel Forstflächen, schreiben die zuständigen Landesforste diese Flächen auch aus und Projektentwickler müssen sich entsprechend bewerben und mit ihrem Gesamtkonzept überzeugen. Zusammengefasst: Entweder sucht der Projektentwickler gezielt nach Flächen oder die Flächenbesitzenden suchen sich einen Projektierer.
- Flächen werden genauer untersucht: Ist eine potenziell geeignete Fläche gefunden, folgt eine längere Phase, in der die Fläche genauer gutachtlicher untersucht wird. Es gibt zum Beispiel Umweltgutachter, welche nach seltenen Pflanzenarten, schützenswerten Böden oder Biotopen suchen. Dann gibt es Baugrunduntersucher*innen und Experten für Fauna und Fledermausuntersuchungen. Letztere schauen danach, ob es auf dem Gelände Flugbewegungen von Vögeln oder schützenswerte Vogelhorste in der Nähe gibt. Je nach Bundesland gibt es noch weitere Untersuchungen, wie eine archäologische Untersuchung, eine geologische Untersuchung, eine Sichtbarkeitsanalyse (Wie weit ist das Windrad sichtbar? Stört es dabei?) oder eine hydrologische Untersuchung. Diese Untersuchungen erfolgen immer im Rahmen der jeweiligen gesetzlichen Vorgaben des Bundeslandes. Bis zu diesem Punkt sind meistens bereits etwa zwei Jahre vergangen. Dies hängt damit zusammen, dass zum Beispiel die avifaunistische Untersuchung über ein gesamtes Kalenderjahr erfolgen muss. Zudem sind auch die Gutachterkapazitäten nicht unerschöpflich.
- Feinplanung: Nun werden Standorte, die am besten geeignet sind, festgelegt. Das heißt: Welcher Windradtyp kommt wo hin? Natürlich muss auch der wirtschaftliche Ertrag für den Projektierer am Ende passen. Stimmt der, kann weiter geplant werden: Wie sollen die Einzelteile der Windräder angeliefert werden, wohin die Kräne gestellt und wo wird die Kabeltrasse entlanggelegt. Diese Planung macht Juwi auf der Grundlage der Gutachter, damit Eingriffe in die Natur so minimal, wie nötig, erfolgen. Die durch den Eingriff zur Erschaffung in Anspruch genommenen Flächen werden in sogenannten „Ausgleichsprojekten“ kompensiert. Dabei kommt es zu einer Umwandlung von einer bisher ökologisch niedrigwertigen Fläche, wie zum Beispiel intensiv landwirtschaftlich genutzte Flächen, zu „besseren“, ökologisch aufgewerteten Flächen.
- Genehmigungsverfahren: Sind alle Genehmigungsunterlagen zusammengetragen, erfolgt der Genehmigungsantrag gemäß Bundesimmissionsschutzgesetz bei der zuständigen Immissionsschutzbehörde. Dafür gibt es prinzipiell zwei Verfahrensoptionen: a) Förmliches Verfahren: Mit einer Bürgerbeteiligung, oder das b) Einfache Verfahren: Ohne Bürgerbeteiligung. Juwi nutzt nahezu ausschließlich das öffentliche Verfahren, damit sich möglichst viele Bürger*innen beteiligen können. Das Verfahren bietet Projektplanern zudem ein Mehr an Rechtssicherheit bei eventuell anstehenden Klageverfahren.Zu Beginn des eigentlichen Genehmigungsverfahrens werden die Antragsunterlagen im ersten Schritt an die jeweiligen Fachbehörden verteilt, die inhaltlich betroffen sein könnten. Diese sichten die Antragsunterlagen in der Regel auf Vollständigkeit oder aber stellen Nachforderungen, was die Verfahren aus unserer Sicht unnötig in die Länge zieht. Oftmals werden Anträge daher erst nach einem Jahr als „vollständig“ angenommen. Personelle Engpässe auf Seiten der Behörden ziehen die Verfahren zusätzlich in die Länge. Es kommen immer wieder kleinste Themen zur Verbesserung an Juwi zurück, die das Verfahren zeitlich verkomplizieren und verlängern (ein Antrag beinhaltet ca. drei Leitordner).
- Offenlage der Unterlagen: Ist die Vollständigkeit erklärt, werden die Antragsunterlagen für alle Menschen offen zugänglich ausgelegt (entweder online und im Rathaus oder Landratsamt). Damit bekommt jede*r die Möglichkeit, seine*ihre Stellungsnahmen einzubringen (zum Beispiel Naturschutzvereine oder private Personen). Die Menge an Stellungnahmen variiert dabei von Projekt zu Projekt sehr stark. Manchmal gibt es keine, manchmal sehr viele, häufig auch emotionale Stellungnahmen oder pauschale Ablehnungen (einer der größten Antiwindkraft-Gruppen in Deutschland ist die Gruppe „Vernunftkraft“). Der Projektentwickler muss sich die Stellungnahmen dann anschauen und jede einzelne beantworten und widerlegen. Manchmal gibt es aber auch gute Hinweise aus der Bevölkerung, die die Planung auch verbessern können. Diese werden geprüft und wo möglich berücksichtigt. Zum Beispiel kam mal der Hinweis, dass an ein Stelle ein beliebter Wanderweg verläuft, der doch bitte bei der Planung beachtet werden sollte (zum Beispiel keine Gefährdung durch Eisabfall im Winter). Leider sind die abgegebenen Stellungnahmen zu gefühlt 95 Prozent pauschale Ablehnungen von Windenergieprojekten.
- Erörterungstermin: Für den Erörterungstermin laden die Behörden alle Stellungnehmenden zu einem gemeinsamen Termin mit dem Antragssteller ein, bei dem letzterer die Möglichkeit hat, die vorgebrachten Einwände zu beantworten. Die Genehmigungsbehörde bewertet das Für und Wider gemäß Gesetzeslage. Dabei sitzen Juwi-Mitarbeitende, Gutachter*innen, Mitarbeitende aus den Behörden und die Stellungnehmenden in einem Raum. Am Ende entscheidet die Genehmigungsbehörde, ob das Projekt genehmigt wird oder nicht. Sie kann zu Einzelaspekten aber auch weitere Gutachten anfordern.
- Behörde entscheidet: Die unterschiedlichen Behörden können jetzt erneut ihre abschließenden Stellungnahmen und potenzielle Einschränkungen abgeben (zum Beispiel kann sie aufgrund des Vorkommens windkraftsensibler Vogelarten Abschaltzeiten definieren). Die Genehmigung und die Nebenbestimmungen liegen meistens ca. 24 Monate nach der Antragsstellung und vier bis fünf Jahre nach der Projektidee vor. Das ist ein sehr langer Zeitraum, der die Umsetzung von Windenergie in Deutschland stark verzögert. Eigentlich sieht das Bundesimmissionsschutzgesetz eine Verfahrensdauer von sieben Monaten vor. Da müssen wir auch wieder hinkommen, wenn Deutschland seine Klimaschutzziele erreichen will.
- Klagen: Gegen die Genehmigungserteilung kann drei Monate lang Einspruch erhoben werden. Diesen Zeitraum warten Projektentwickler in der Regel ab, um eine möglichst rechtssichere Genehmigung in den Händen zu halten. Erst dann beginnen bauvorbereitende Maßnahmen.
- Die Genehmigung ist bestandskräftig: Das Erneuerbare Energien – Gesetz (EEG) gibt dem Projektierer jetzt die Möglichkeit, an einer wettbewerblichen Ausschreibung der Bundesnetzagentur teilzunehmen und somit eine feste Einspeisungsvergütung pro eingespeiste Kilowattstunde für einen Zeitraum von 20 Jahren zu erhalten. Diese feste Vergütung gibt Investoren entsprechend Planungssicherheit. Da Strom aktuell jedoch so wertvoll ist und durch eine Windenergieanlage sehr günstig Strom hergestellt werden kann, verkaufen Betreiber den Strom auch direkt an Unternehmen oder Stromanbieter. Power Purchase Agreement, oder kurz PPA, wird diese Form des Direktabnahmevertrags auch genannt.
- Jetzt wird angefangen, zu bauen: Dafür werden die Windenergieanlagen bestellt. Die Lieferzeiten lagen vor dem Krieg in der Ukraine bei einem halben Jahr und sind aktuell auf 13 Monate angestiegen (wenn ein Umspannwerk errichtet werden muss, können es auch 18 Monate werden). Bis die Teile geliefert werden, werden die Wege gebaut und der Baugrund vorbereitet. Daraufhin folgt dann der eigentliche Aufbau. Juwi selbst ist nur Projektierer. Das heißt, das Projekt wird durch das Unternehmen geplant und durchgeführt. Juwi selbst betreibt die Anlage aber nicht, sondern verkauft diese an künftige Betreiber. Das können Stadtwerke, Bürgerenergiegenossenschaften oder institutionelle Anleger, wie Rentenfonds, etc. sein.
Wenn es einen 100 prozentigen Stromkreis aus erneuerbaren Energien gäbe, wäre Strom superbillig, da die Windenergieanlage nur einmal aufgestellt werden muss und dann für mindestens 25 Jahre läuft. Manchmal muss sie gewartet werden. Dies ist jedoch nicht wirklich teuer.
Wie der aktuelle Strompreis entsteht und warum auch Ökostrom aktuell nicht so günstig ist, erkläre ich dir in meinem nächsten Artikel.
Wie lange dauert es von der Planung bis zur Umsetzung eines Windparks?
Im Durchschnitt dauert dieses Verfahren aktuell etwa fünf bis sechs Jahre. Im worst case auch mal bis zu zehn Jahre. Bei schnellen Projekten kann die Antragseinreichung auch mal in einem Jahr durch sein. Dies liegt unter anderem daran, dass zum Beispiel die Flächennutzungspläne nicht rechtskräftig oder vorhanden sind oder es viele kleine Flurstücke in einem Gebiet gibt und Juwi mit jeder*m Eigentümer*in einen individuellen Vertrag abschließen muss.
Denken Sie, dass man Deutschland auch zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien versorgen kann?
Ja, das geht. Dafür müssen aber politisch die Weichen gestellt werden. Es gibt viele Studien, die zeigen, dass es genügend Flächen für Windenergieanlagen in Deutschland gibt. Das heißt, das Potenzial ist noch sehr groß. Dazu ergänzend braucht es die Fotovoltaik: In der Freifläche und auf dem Dach. Hier liegen enorme Potenziale. Viele Dächer Richtung Süden könnten komplett damit ausgestatten werden. Insgesamt sind 90 Prozent aller Häuser dafür geeignet. Mit diesen beiden Energien wäre bereits ein riesiger Anteil unserer Stromversorgung gesichert. Zusätzlich müssen die Speichermöglichkeiten noch weiter ausgebaut werden. Batteriespeicher für kurze Stromlücken, Wasserstoff und andere Power-to-X-Lösungen als Langfristspeicher. Zusätzlich kann uns die smarte Nutzung von zum Beispiel Elektroautos (zum Beispiel tagsüber tanken, während die Sonne scheint) und auch andere smarte Geräte dabei unterstützen, insgesamt weniger Strom zu brauchen und diesen zur passenden Tageszeit zu beziehen.
Wo sehen Sie aktuell die Bremsen beim Ausbau von erneuerbaren Energien? Also woran liegt es, dass wir nicht schon eine viel breitere Versorgung aus Erneuerbaren haben?
Zum einen an der Flächenverfügbarkeit. Zum anderen an der Verfahrensdauer. Insgesamt fehlt es an erteilten Genehmigungen, die überhaupt in die Ausschreibungsrunde gehen können. Die aktuelle Bundesregierung hat das zum Glück erkannt und steuert entsprechen gegen. Dennoch wird es einige Jahre dauern, bis die Auswirkungen sich in tatsächlich gebauten Windrädern niederschlagen wird.
Außerdem kommt es durch unnötige Ängste zu einer fehlenden Akzeptanz einzelner Bevölkerungsgruppen und daraus resultierenden Klagen. Die Ängste und Ablehnungen wurden in den letzten Jahren künstlich und unnötig geschürt, auch durch unnötige und übertriebene Vorgaben.
Es fehlt in Deutschland außerdem an einer großen Lobby für Windkraft in der Politik im Vergleich zu anderen Energieanbietern. Die Betreiber von Windenergieanlagen sind im Vergleich auch eine zu neue Branche, die sich erstmal einbringen und Lobbyarbeit umsetzen muss. Man merkt jedoch auch, dass der Wille der aktuellen Regierung groß ist und die Vorgaben und Regeln aktuell auch deutschlandweit einheitlicher werden. Es bewegt sich aber viel, das freut uns sehr.
Wie nachhaltig sind erneuerbare Energien eigentlich und was müsste da noch verbessert werden?
Strom kommt nicht einfach aus der Steckdose. Die Erzeugung von Strom wird nicht völlig ohne Eingriffe in die Natur funktionieren können. Wir können aber schauen, dass die Eingriffe minimiert werden, so gut es geht. Schauen wir auf den Flächenverbrauch von erneuerbaren Energien haben sie vor allem gegenüber der Kohle natürlich einen großen Vorteil: Wenig Fläche wird für die Erzeugung sauberen Stroms benötigt. Und selbst große Solarparks sind, aus ökologischer Sicht, ein Gewinn, da sich unter den Modulen eine große Artenvielfalt entwickelt.
Ich danke Ihnen für das Interview, Herr Lang!
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