Wenn es in den Urlaub geht, zieht es die meisten eher in den warmen Süden. Nach Kroatien zum Beispiel. Alleine auf dem Weg dorthin gibt es schon eine Menge zu bedenken und zu erleben. Die Vignette, zum Beispiel. Oder eine ziemlich „interessante“ Drogenkontrolle an der kroatischen Grenze.
‘Das wird schon nicht so schwer’, denk ich mir, als ich mir die Wegbeschreibung von Google und die Karten auf meinem Schoß anschaue. Wir – also mein Freund und ich – wagen den Versuch, den gesamten Weg nach Kroatien, unter anderem durch Österreich und Slowenien, ohne ein elektronisches Navi zu fahren. Die Strecke besteht hauptsächlich aus Autobahnen; nur Anfang und Ende der Fahrt müssen auf Landstraßen bestritten werden. Ein Vorteil: Weil Deutschland, Österreich und Slowenien zum so genannten Schengenraum der EU gehören, muss man sich in der Regel beim Grenzübertritt keine Gedanken um Grenzkontrollen machen. Das einzige, was man nicht vergessen sollte, sind die Vignetten für die Autobahnen in Österreich und Slowenien.
Wir haben Drogen im Auto?
Abgesehen von einem „kleinen Stau“ auf der Autobahn von München bis Chiemgau verlief die Fahrt durch Österreich und Slowenien ohne Probleme. An der kroatischen Grenze allerdings erwartete uns eine böse Überraschung. Vor der Reise hatte uns ein guter Bekannter den Tipp gegeben, den Grenzern ohne Aufforderung unsere Ausweise zu zeigen. Dann würden die Grenzer uns eher in Ruhe lassen. Andernfalls könnten sie denken, wir hätten etwas zu verbergen. Wir halten einer Grenzerin also unsere Ausweise hin, die uns auch um die Fahrzeugpapiere bittet. Sie schaut sich beides an und bittet uns, kurz zur Seite zu fahren. Als sie wieder zu uns kommt, sagt sie zu uns: „Our system says, you have drugs in your car.“ Fassungslos starre ich abwechselnd meinen Freund und die Grenzerin an: Hat sie das gerade wirklich gesagt? Mein Freund versucht mit ihr zu reden, doch die Grenzerin schickt uns auf einen Parkplatz in der Nähe und sagt zu uns, wir hätten zwei Optionen:
1. Wir geben (ohne Widerstand) alles ab, was wir an Drogen etc. an Bord hätten, dürfen weiterfahren und bekämen keine Probleme.
2. Wir weigern uns, geben nichts ab und dürfen vielleicht weiterfahren; bekommen dann allerdings große Probleme sowohl mit dem kroatischen als auch mit dem deutschen Gesetz.
Sie gebe uns ein paar Minuten, um uns zu entscheiden, dann käme sie wieder. Wir bekommen kaum eine Gelegenheit, selbst zu der Sache etwas zu sagen. Ohne ein weiteres Wort geht sie weg und lässt uns auf dem Parkplatz stehen. Ohne Ausweise und ohne Fahrzeugpapiere. Wir sitzen fest und haben keine Ahnung, was weiter passiert. Dürfen wir weiter? Werden wir zurückgeschickt? Wann bekommen wir unsere Ausweise wieder? Eines war jedenfalls sicher: Wir hatten definitiv nichts Illegales an Bord. Die einzige Möglichkeit wäre, dass uns vielleicht jemand etwas unter das Auto geklebt hat. Vielleicht bei unserem Zwischenstopp in Österreich an einer Raststätte. Mit einer Handytaschenlampe suchen wir die Unterseite des Autos ab, können aber nichts finden. Ein paar Minuten später kommt die Grenzerin wieder. Will wissen, wie wir uns „entschieden“ haben. Alles, was wir dabei hatten, war etwas zu essen und zu trinken. Was hätten wir abgeben sollen? Die Packung mit den Doppelkeksen? Wir versuchen, der Grenzerin zu erklären, dass wir nichts dabei haben. Wir bieten ihr sogar an, dass sie unser Auto durchsuchen und auseinandernehmen darf. „This is not our job“, ist ihre einzige Antwort. Mein Freund wird immer lauter und wütender; die Grenzerin schaut ihn kalt an. Breitbeinig, mit geradem Rücken baut sie sich vor ihm auf, auch wenn sie etwa einen Kopf kleiner ist.
Ein ganz wichtiger Tipp: Unter allen Umständen ruhig bleiben und möglichst einen Streit vermeiden! Aber vor allem vermeidet es, irgendwelche Beleidigungen zu verwenden. Selbst dann, wenn man damit die Person meint, die einem möglicherweise etwas untergejubelt hat. Die Grenzer können zwar ein wenig Englisch, verfügen allerdings nicht unbedingt über einen umfangreichen Wortschatz. Die Gefahr ist entsprechend groß, dass man bei der „falschen Wortwahl“ von den Grenzern missverstanden wird.
Ruhig bleiben lohnt sich?
Nach diesem kleinen Wortgefecht verschwand die Grenzerin wieder – nur um erneut wenige Minuten später wieder zu kommen. Dieses Mal spricht sie allerdings mich an. „Please follow me“. Mein Freund soll währenddessen beim Auto bleiben und warten. Ich sehe ihm im Gesicht an, dass er damit nicht gerade einverstanden ist, aber was bleibt uns anderes übrig? Wir sitzen nicht am längeren Hebel. Also folge ich der Grenzerin in ein Gebäude am Rande der Kontrollhäuschen. Im Inneren ist es stockdunkel; von außen dringt etwas Licht durch die Glasfront in das Foyer. Das Foyer selbst wirkt ein wenig klein. In einem kleinen Raum am Ende des Foyers brennt Licht. In diesen kleinen Raum werde ich gebracht, dort drin soll ich warten. Die Grenzerin bleibt draußen vor dem Raum stehen, womöglich um zu verhindern, dass ich einen Fluchtversuch unternehme.
Unsicher und kritisch schaue ich mich um: Die Wände sind schmutzig weiß, teilweise sehe ich schwarze Streifen an den Wänden. Wie die wohl dahin gekommen sind? Vermutlich wurden die schon längere Zeit nicht mehr frisch gestrichen. An einem Ende des Raumes ist an der Wand auf Sitzhöhe ein schmales Holzbrett befestigt, auf dem eine gräulich, leicht verschlissene und dünne Schaumstoffmatte liegt. In der Mitte des Raumes steht ein kleiner Tisch, zusammengezimmert aus zwei Brettern und an einer Wand befestigt. Vom Tisch bis unter das Holzbrett stehen mehrere Kartons, in denen sich verschiedene Flyer und Prospekte stapeln. Ich setze mich auf das Holzbrett, das eher wie eine provisorische Sitzgelegenheit auf mich wirkt. Mein Fazit: Der Raum müsste dringend mal wieder neu renoviert werden – selbst, wenn nur die Wände frisch gestrichen werden würden, vielleicht würde man sich dann ein bisschen wohler fühlen? Und weniger wie ein Verbrecher?
Ich sitze also da und warte. Mein Herz rast, in meinem Kopf schwirren tausend Gedanken auf einmal umher und ich habe schlicht und ergreifend Angst. Teilweise sehe ich mich splitterfasernackt vor der Grenzerin stehen, die sich blaue, medizinische Latexhandschuhe angezogen hat und bei mir eine Ganzkörperdurchsuchung durchführt. Was meine Angst im Übrigen nicht gerade mindert. Wenig später taucht eine andere Grenzerin auf; sie ist ein wenig kräftiger gebaut als ihre Kollegin und hat blonde, kinnlange Haare. Sie bittet mich, aufzustehen und meine Taschen zu entleeren. Ich nehme mein Handy und meinen Geldbeutel heraus und lege sie auf den Tisch. Dann bittet sie mich mit einer Geste, mein Top hochzuheben. Eh, bitte was? Aber tatsächlich soll ich mein Top bis knapp über meine Brüste hochziehen. Danach tastet sie meinen BH ab und zieht teilweise so heftig daran, dass ich Angst habe, meine Brüste könnten jederzeit aus ihren Körbchen „herausplumpsen“. ‘Tja, manche stopfen sich ihre BH’s scheinbar mit Drogenpäckchen’, denke ich sarkastisch.
Da bei mir jedoch weder Klopapier noch ein Gras- oder Kokspäckchen rausfällt, zupft sie am Rücken weiter. Dort ist jedoch genauso wenig was zu finden wie auf (oder in) meiner Vorderseite. Ich darf mein Top wieder runterziehen. Zum Schluss muss ich ihr noch das Innere meines Geldbeutels zeigen. Währenddessen versuche ich die angespannte Situation durch ein bisschen Smalltalk aufzulockern. „Got a busy night?“ frage ich. Die Grenzerin zuckt mit den Schultern, nickt leicht mit dem Kopf und lächelt. Soll wohl heißen ‘Geht so’. Dann zeige ich ihr meinen linken Arm, und erzähle ihr von dem Sonnenbrand, den ich mir neulich erst eingefangen hatte. An jenem Tag trug ich ein graues T-Shirt. Sauber, wie mit einem Lineal gezogen, konnte man genau erkennen, wo der Ärmel des T-Shirts lag und wo er endete. Die bedeckte Stelle war blass, der Rest des Armes war braun gebrannt. Die Grenzerin schaute auf meinen Arm und lachte, was ich wiederum als gutes Zeichen wertete.
Korruption und Entführung?
Während ich mich in dem kleinen Raum nach Drogen absuchen lassen musste, musste mein Freund draußen beim Auto warten. Später erzählte er mir, dass er sich währenddessen mit einer Gruppe Italiener unterhalten habe, die in der genau gleichen Situation waren wie wir. Auch sie wollten Urlaub in Kroatien machen und auch ihnen wurde unterstellt, sie würden Drogen in ihrem Auto schmuggeln. Allerdings warteten sie schon seit mindestens einer halben Stunde auf dem Parkplatz. Einer der Italiener erzählte meinem Freund jedoch, dass der Grenzer, der sie rausgezogen hatte, ihnen einen etwas anderen Lösungsvorschlag gemacht hätte: Man könne die ganze Situation „mit anderen Mitteln lösen“, zum Beispiel, in dem die Italiener ihm circa 300 Euro auf sein Konto überweisen würden. Dann würden sie unbehelligt weiterreisen können. Als ich das gehört hatte, musste ich an unseren eigenen Drogenvorwurf denken und bekam starke Zweifel an der Aussage der Grenzerin über dieses ominöse „System“.
Doch je länger ich weg war, desto stärker wurden die Sorgen meines Freundes und auch er begann, zusammen mit den Italienern diverse Szenarien zu entwickeln. Eines davon war, dass die Grenzer denken könnten, mein Freund sei im Drogen und Menschenhandel verwickelt und hätte mich entführt. Deswegen hätte mich die Grenzerin mitgenommen, um mich zu befragen. Und je länger ich wegblieb, desto wahrscheinlicher wurde dieses Szenario für ihn. Umso verdutzter glotzte er mich an als ich wiederkam, zusammen mit unseren Ausweisen und den Fahrzeugpapieren. Ich erzählte ihm kurz von meiner absurden Durchsuchung und wie ich danach der Grenzerin wieder nach draußen zu dem Kontrollhäuschen folgte, an dem auch wir „kontrolliert“ wurden. „Dann haben die mir unsere Sachen wiedergegeben und gesagt ‘You can go now.’ Einfach so.“
Ende gut, alles gut
Meinem Freund fiel es schwer, das einfach so zu glauben. Auch ich war skeptisch: Durften wir wirklich weiterfahren? Oder war das vielleicht ein Test oder ein „schlechter Scherz“? Nach einer Weile beschlossen wir dann, das Wort der Grenzerin wörtlich zu nehmen. Wir verabschiedeten uns von den Italienern und wünschten ihnen viel Glück. Dann setzten wir uns ins Auto und fuhren weiter bis zur nächsten Raststätte. Dort angekommen, parkten wir auf einem freien Parkplatz und übernachteten bis zum nächsten Morgen im Auto. Kleiner Tipp für’s nächste Mal: Tagsüber an die Grenze fahren und abwarten, bis es sich staut! Dann wird man wirklich eher einfach durchgewunken…
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