Ich stehe vor dem Kühlschrank und starre hinein. Im mittleren Fach befinden sich eine Packung Käseaufschnitt, eine Schüssel Obstsalat und zwei Milchschnitten. Ich greife nach einer von ihnen. Doch plötzlich hält meine Hand inne und ich frage mich, was ich da gerade tue. Ich habe doch gar keinen Hunger. Warum stand ich überhaupt von meinem Schreibtischstuhl auf? Gerade saß ich noch vor dem PC, schrieb an meiner Deutsch-Hausarbeit und sah nur mal kurz auf Facebook nach, was es Neues gab. Was hat mich bewegt, in die Küche zu gehen und den Kühlschrank zu öffnen?
Abgesehen von Meldungen meiner regionalen Zeitung und weltbewegenden Posts meiner Freunde, sah meine Startseite eher aus wie ein Kochbuch – zwar ohne Rezepte, dafür mit umso mehr Fotos: im heimischen Ofen vor sich hin backende Muffins, eine riesige Eisbombe beim Italiener und Figuren, die bei McDonald’s aus dem Fast Food und auch aus den Verzehrverpackungen gebastelt wurden. Beim Runterscrollen stieß ich in der Mitte der Neuigkeiten-Leiste auf das Bild einer Flasche aus dem neuen Coca-Cola-Sortiment, versehen mit dem Namen eines Freundes. Mittlerweile finden sich diese personalisierten Cola-Flaschen auf gefühlt jeder dritten Facebook-Chronik.
Gut, die Marketingidee ist wirklich clever, und die Coca-Cola Company erzielt damit sicher einen enormen Umsatz. Auch ich habe mir kürzlich im Supermarkt eine Flasche Cola mit meinem Namen gekauft. Obwohl ich Cola überhaupt nicht mag. „Trink ‘ne Coke mit Janine“, das klang einfach zu einladend. Wenigstens habe ich auf das Hochladen eines Fotos verzichtet. Nicht, dass ich grundsätzlich etwas gegen Essen und Trinken hätte, ganz im Gegenteil. Aber muss man wirklich alle Welt an seinen Mahlzeiten teilhaben lassen? Im Ernst: Meine Facebook-Startseite ist zugespamt mit Bechern von Starbucks, allerlei Grillgut und den kuriosesten Salat-Variationen.
Zugegeben, einmal habe auch ich kurz mit dem Gedanken gespielt, ein Foto von dieser unsozialen Sorte hochzuladen und damit zum weiteren Erfolg von Cookbook beizutragen. Kürzlich besuchte ich mit einer Freundin zum ersten Mal ein Sushi-Restaurant. Als Nachtisch hatten wir süßes Sushi, bestehend aus Reis in Schokosoße, gefüllt mit Mango und verziert mit Kokosnussflocken. Das sah total lecker aus und wollte unbedingt mit meiner mittelprächtigen Handykamera festgehalten werden. Ein Foto davon auf Facebook hochzuladen, verkniff ich mir dann aber doch. Ich kenne mich gut genug, um zu wissen, dass mich am Ende auch mein Foto nerven würde. Also war ich einfach froh, dass ich das kleine kulinarische Kunstwerk tatsächlich hatte essen dürfen, statt es nur auf dem Bildschirm zu betrachten.
Im Grunde genommen könnte mir das ganze Thema gleichgültig sein. Schließlich darf jeder Facebook-User posten, was er will. Und man sollte sich auch lieber um seine eigenen Angelegenheiten kümmern, nicht wahr? Ich könnte mir ja abgewöhnen, Facebook ständig im Hintergrund mitlaufen zu lassen. Mich stattdessen einfach nach den wichtigen Erledigungen ausloggen – um mich ein paar Minuten später doch wieder einzuloggen. Zurzeit kann ich Facebook einfach nicht öffnen, ohne dass mir sofort das Wasser im Mund zusammenläuft. Was eben dazu führen kann, dass ich mich überraschend vor dem Kühlschrank wiederfinde, so als ob ich geschlafwandelt hätte.
Kalte Luft kommt mir entgegen und ich stelle fest, dass ich noch immer in der Küche stehe. Ich schließe die Kühlschranktür und gehe – ohne Milchschnitte – zurück in mein Zimmer, um an meiner Hausarbeit weiterzuschreiben. Und logge mich bei Facebook aus.
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