Endlich ist es so weit: Die Bibellesungen der katholischen Gottesdienste am vierten Advent konzentrieren sich auf die Geburt Jesu. So wirklich romantisch wird es aber immer noch nicht. Von großen Krisensituationen ist heute die Rede, aber auch von einem Ausweg: Gott. Wie das die Texte zum Ausdruck bringen, erklärt unser Autor Benedikt Bögle.
Die Situation, um die es in der ersten Lesung aus dem Buch Jesaja (Jes 7,10-14) geht, ist wirklich verzwickt. Im Abschnitt der heutigen Lesung wird nur der Höhepunkt der Krise beschrieben. Darum geht es: Im 8. Jahrhundert vor Christus wird im Osten von Palästina das Assyrische Reich sehr mächtig. Das ist für die Staaten am Mittelmeer ein großes Problem. Immer wieder leiden sie unter mächtigen Ländern, die sie unterdrücken und Steuern erheben. Viele Steuern. Deshalb plant der König von Aram – auch ein Reich in dieser Gegend – einen Aufstand gegen Assur. Das ist eine gefährliche Aktion, Aram braucht dafür Hilfe. Er sucht sich Verbündete. Und findet sie auch. Nur ein König will nicht mitmachen, König Ahas von Juda in Jerusalem. Er wehrt sich gegen diese Allianz, weil er zu große Angst vor den Konsequenzen einer Niederlage hat.
Eine Abwägung
Der König von Aram und seine Gefährten können sich das aber nicht leisten. Sie brauchen jede mögliche Unterstützung. Also wollen sie durch Krieg Ahas in ihre Koalition zwingen. Genau in diese Situation nun spricht der Text der Lesung vom vierten Advent. Ahas plant, sich dem Herrscher von Assur zu unterwerfen. Das hat zwar auch negative Folgen – aber bei weitem nicht so schlimme, wie gegen das Assyrische Reich in einem Krieg zu verlieren. Da ergibt man sich lieber vorher.
Auf Gott vertrauen?
Eines nur hat Ahas vergessen: sein Vertrauen auf Gott. Der will Ahas und seinem Volk beistehen und schickt den Propheten Jesaja zu ihm. Er bietet dem König an, er könne sich von Gott ein Zeichen aussuchen – „sei es von unten, aus der Unterwelt, oder von oben, aus der Höhe.“ Egal also, was sich Ahas wünscht, Gott wird es vollbringen. Aber Ahas lehnt ab. Verrückt eigentlich. Das aber hat seinen Grund, in der Bibel ist es eigentlich verboten, Gott auf die Probe zu stellen. Bei Ahas liegt es aber daran, dass er nicht mehr auf Gottes Macht vertraut. Er rechnet nicht mehr mit ihm. Deshalb gibt Gott das Zeichen selbst. Ungefragt quasi. Er sagt: „Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, einen Sohn wird sie gebären, und sie wird ihm den Namen Immanuel – Gott mit uns – geben.“
Wer ist das Kind?
Dieser Vers gehört zu den Texten der Bibel, die seit ihrer Entstehung am meisten diskutiert und ausgelegt wurden. Wer ist denn dieses Kind? In der konkreten Situation des Königs Ahas findet sich jedenfalls kein Kind, kein Sohn, der in seinem kriegerischen Konflikt wirklich Rettung gebracht hätte. Das Judentum deutet diesen Vers oft auf den Messias hin, auf den sie warten – ein von Gott gesandter Mensch, der die Welt erlösen soll. Die Christen wiederum glauben, dieser Messias sei schon gekommen: Jesus. Interessanterweise steht im Originaltext nichts von einer „Jungfrau“. Im Hebräischen steht da einfach „junge Frau“. Die erste griechische Übersetzung hat daraus „Jungfrau“ gemacht, lateinische Übersetzungen haben das übernommen, unsere heutigen Bibelübersetzungen auch. Wie auch immer – der Name des verheißenen Kindes sagt eigentlich alles: Gott ist mit uns.
Gott wird Mensch
Auch die zweite Lesung aus dem Römerbrief (Röm 1,1-7) zeigt ganz langsam schon auf Weihnachten. In diesen Eingangsworten des Briefes sagt Paulus direkt, wer Jesus ist: Er ist „dem Fleisch nach geboren als Nachkomme Davids.“ Hört sich erstmal kompliziert an, „dem Fleisch nach geboren“. Aber eigentlich sagt das einfach: Jesus ist wirklich Mensch. Und genau das ist es ja, um was es an Weihnachten geht. Gott wird Mensch. Und auch das greift den Namen „Immanuel“ wieder auf, auch wenn es hier nicht genannt wird. Denn wenn Jesus wirklich, wie die Christen glauben, ganz Mensch und gleichzeitig auch ganz Gott ist, dann hat er alles mit uns Menschen geteilt. Freude und Leid, das Schöne im Leben, aber auch das Miese.
Eine Enttäuschung für Josef
Das Evangelium des vierten Adventssonntags aus dem Matthäusevangelium (Mt 1,18-24) erzählt quasi die Vorgeschichte von Weihnachten. Maria hat ein Kind empfangen „durch das Wirken des Heiligen Geistes.“ Und jetzt kommt ihr Verlobter Josef ins Spiel. Klar, was denkt der sich jetzt? Dass Maria ihn betrogen hat, irgendwo her muss die Schwangerschaft schließlich kommen. Er will sich von ihr trennen. Das aber würde dem Plan Gottes widersprechen. Deshalb greift Gott in das Geschehen ein, er schickt einen Engel, der Josef die ganze – zugegebenermaßen beim ersten Hören wohl unfassbare – Geschichte erzählt. Und dieser Engel sagt nun auch, wie Josef das Kind nennen soll: Jesus. Klar, so kennen wir ihn, so wird er auch im gesamten Neuen Testament genannt.
Jesus oder Immanuel?
Dann aber zitiert der Engel den Satz aus Jesaja, der schon in der ersten Lesung im Mittelpunkt steht. Und er sagt: „Man wird ihn Immanuel nennen, das heißt übersetzt: Gott ist mit uns.“ Wie heißt das Kind denn jetzt? Jesus oder Immanuel? Der Verfasser des Matthäusevangeliums schreibt wohl an eine Gemeinde, die kein Hebräisch kann. Sonst müsste er nicht erklären, was Immanuel heißt. Interessant aber ist, dass der Name „Jesus“ nicht erklärt wird. Der hat auch eine Bedeutung: „Gott rettet“. Das sagt Matthäus seinen Lesern nicht, aber was „Immanuel“ bedeutet, erklärt er. Gerade den Namen also, der dann nicht mehr benutzt wird.
Gott mit uns
Das wird erst verständlich, wenn man den letzten Satz des Matthäusevangeliums liest. Da sagt Jesus nach seinem Tod und seiner Auferstehung zu den Jüngern: „Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt.“ Und genau das heißt auch Immanuel: „Ich bin bei euch.“ Damit schafft Matthäus einen Rahmen um seine ganze Erzählung. Alles, was Jesus macht, ist umgriffen von diesem Satz: wenn er Kranke heilt, wenn er Sünden vergibt, wenn er am Kreuz stirbt und in seiner Auferstehung. All das sagt den Menschen, dass Gott mit ihnen ist. Das ist eine tröstliche Botschaft. Und eine Botschaft, die schon direkt auf Weihnachten zielt. Auf die Menschwerdung dieses Gottes, der mit uns ist.
Schreibe einen Kommentar