Freitagabend, 21 Uhr: Kein Anruf, noch nicht mal eine SMS, aber eine halbe Stunde Verspätung. Es passiert nicht selten, dass Verabredungen auf sich warten lassen oder gar nicht erst auftauchen, weil „etwas dazwischen gekommen ist“.
Etwas, das wichtiger ist, oder zumindest so zu sein scheint. Kein Wunder, die Alternativen sind vielfältig, verlockend und meistens bequemer. Warum sich eine halbe Stunde in die Bahn setzen um zur Freundin zu fahren, wenn eine andere Clique gegenüber in der Bar wartet? In einer Welt der unbegrenzten Möglichkeiten hat unsere Generation vieles verloren: Eine eigene Meinung haben, sich entscheiden können, zuverlässig sein.
Die Angst vor Reue
„Generation Maybe“ werden wir jungen Leute genannt: Wir sind zwar „gut ausgebildet, aber ohne Plan, ohne Mut, ohne Biss. Weil alles möglich ist, sind alle heillos überfordert“. Während früher vieles vorgegeben war, sind wir heute frei von jeder Verpflichtung. Denn die könnte einengen, Flexibilität und Spaß nehmen. Fernsehabend statt Party? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Es wird nichts mehr fest zugesagt, in Sorge, dass sich noch etwas anderes ergibt, das besser sein könnte. „Wir fürchten nichts mehr als Reue. Dass wir das Falsche gewählt haben und es dann ewig bereuen könnten. Dabei bereut man eher, was man gar nicht angepackt hat“, erklärt Autorin Edith Einhart. Wir aber halten uns mit konkreten Aussagen lieber zurück, kurzfristig absagen geht immer. Wir sind ja schließlich vernetzt, durch Whatsapp, Facebook und andere soziale Netzwerke, die persönliche Beziehungen vergessen machen.
Wir „Digital Natives“, die im Zeitalter der digitalen Kommunikation aufwachsen, würden „ohne unser Handy sterben“. Wir sind immer erreichbar, außer wenn es um etwas „wirklich Wichtiges“ geht. Der direkte Kontakt, ein Anruf, ein Vorbeikommen, sei es nur auf einen schnellen Kaffee, wurde verdrängt. Gleichzeitig setzen wir voraus, dass Andere es genauso wie wir machen würden und uns von daher schon verstehen. Ein schlechtes Gewissen kommt dabei selten auf, das individuelle Glück steht im Vordergrund. Einen Mittelweg scheint es nicht zu geben: Entweder man ist „genau so entspannt drauf“ oder wird stehen gelassen – es gibt schließlich noch genug Alternativen.
Einfach mal machen
Das Erstaunliche: Genau auf Grund der vielen Technik, der vielen Möglichkeiten, sehnen wir uns umso mehr nach Nähe und Loyalität. „Der Trend ist klar. Seit den achtziger Jahren nimmt die Bedeutung der Freunde zu. Sie werden manchmal sogar wichtiger als Familie und Partner“, bestätigt Janosch Schobin vom Hamburger Institut für Sozialforschung. Reale Freundschaft ist für uns also doch noch von Bedeutung. Wir müssen jedoch etwas dafür tun: Uns für etwas und für jemanden entscheiden. Dann werden wir feststellen, dass das eine gar nicht schlechter ist als das andere. Dass wir nach einer Verabredung zufrieden nach Hause gehen und denken: Ich habe mich besser amüsiert, als gedacht. Dass wir uns für eine Freundschaft, einen Partner entscheiden und uns gut fühlen. Das macht nicht nur uns glücklicher, sondern auch die Anderen.
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