Warum liest du eigentlich so langsam? Darauf gibt es nur eine klare Antwort und die liegt in deiner Kindheit. Nur wenn du diese Angewohnheiten aus Kindertagen hinter dir lassen kannst, bist du bereit, zum Gepard des geschriebenen Wortes zu werden.

Die meisten von euch haben in der ersten Klasse, also mit circa sechs bis sieben Jahren, Lesen gelernt. Angefangen hat das Ganze mit dem Alphabet. Jeder einzelne Buchstabe wird im Unterricht durchgenommen, um dann in Kombination mit anderen Buchstaben erste Laute zu bilden. Und hier liegt schon die erste Krux, denn im Mittelpunkt steht anfangs immer das sogenannte Lautieren, also das Vorlesen des Textes. Erst dadurch, dass das Kind diese noch völlig fremden Symbole eins nach dem anderen in Sprache umwandelt, entsteht nachträglich der Sinn. Damit war klar, dass jedes Wort einzeln gelesen werden muss.
Als Kind war das Lesen zudem logischerweise von Wiederholungen und Rücksprüngen geprägt. Schließlich war die Sicherheit noch nicht da und ohne das gewohnte laute Mitsprechen fällt es Kindern anfangs schwer, über einen gesamten Satz hinweg den Sinn aller Wörter im Arbeitsgedächtnis zu speichern. Zumindest kann man als Erwachsener Texte ohne Probleme auch im Stillen lesen. Doch prinzipiell hat sich dann häufig doch nicht mehr allzu viel beim Lesen weiterentwickelt. Ab der 5. Klasse wird die Fähigkeit des Lesens von der Schule aus einfach nicht mehr weiter ausgebaut. Schließlich kann man lesen. Dementsprechend: Abgehakt. Genau hier greift das Speed Reading.
Raus aus den Kinderschuhen
Es sind insgesamt drei Punkte, die dich davon abhalten, schneller zu lesen. Wenn du diese drei lästigen Gewohnheiten überwindest, hast du die Möglichkeit, Texte nicht nur schneller, sondern auch einfach besser zu lesen. Kommen wir also zur ersten schlechten Gewohnheit: Das, was ich mit dem inneren Mitsprechen im Kindesalter gemeint habe, wird allgemein als „Subvokalisation“ bezeichnet. Die Subvokalisation ist, wie gesagt, eine Angewohnheit aus deinen Grundschultagen. Auch während du diesen Artikel gerade liest, sprichst du ihn höchstwahrscheinlich durchgängig in deinem Kopf mit. Als ob sich ein kleines Männchen in deinem Ohr befindet, führst du eine kleine Konversation. Damit geht unvermeidlich einher, dass du an die Sprechgeschwindigkeit gebunden bist. Die durchschnittliche Sprechgeschwindigkeit eines Deutschen liegt bei 130 Wörtern pro Minute. Du merkst: Das ist weit von deinen eigentlichen Möglichkeiten entfernt, die du beim Lesen realisieren könntest. Dein erster Schritt zum Speed Reading ist es also letztlich, den Text nicht mehr als Gesprächspartner anzusehen, sondern vielmehr als Bild.
Bilder sagen mehr als tausend Worte
Das ist deshalb sinnvoll, weil wir mit einem einzigen Blick auf ein Bild unglaublich viele Informationen unterbewusst aufnehmen können. Versuche zum Beispiel mal aus dem Fenster zu schauen und alles sprachlich auszudrücken, was du siehst. Ganz so, als ob du einem Freund am Telefon erklären wolltest, wie es vor deinem Fenster aussieht. Am Ende sollte der Freund das Gleiche vor seinem geistigen Auge sehen, was du gerade in deinem Blickfeld wahrnimmst.
Es wird dir damit klar werden, dass du mit einem einzigen Blick die Informationen aufgenommen hast, für die du wahrscheinlich Stunden benötigen würdest, um sie alle auszusprechen. Um die Metapher von eben noch einmal aufzugreifen, kann das kleine Männchen im Ohr einfach nicht beliebig schnell sprechen, ohne undeutlich zu werden. Beim Sprechen gibt es eine klare Grenze. Aber wir wollen das Männchen für seine Unzulänglichkeit nicht sadistisch umbringen. Wir lassen es aber für uns arbeiten und wollen es somit beherrschen. Denn unsere Lesegeschwindigkeit lässt sich prinzipiell fast unbegrenzt steigern, aber dafür müssen wir uns die ständige Subvokalisation abgewöhnen.
Guter Überblick
Der zweite Lesefehler ist ein zu enger Blickfokus. Leider lesen viele letztlich noch genauso wie in der zweiten Klasse. Zumindest wird immer noch die gleiche Technik verwendet. Damit ist gemeint, dass ein Wort nach dem anderen gelesen wird. Auch wenn es so einfach klingt, kommt kaum jemand darauf, aktiv mehrere Wörter auf einmal zu lesen. Es ist für jeden jedoch ersichtlich, welche Lesesteigerung man zu verbuchen hätte, würde man mit jedem Blick immer schon zwei oder drei Wörter wahrnehmen. Im Alltag wird das häufig schon praktiziert. Zum Beispiel bei Werbung, Kurznachrichten oder auf Schildern reicht häufig nur ein Blick um ganze Wortgruppen aufzunehmen. Um die gleiche Technik auch auf längere Texte zu übertragen, benötigt es allerdings etwas Arbeit. Wenn du zum Beispiel Zeitungen liest, kannst du somit ganze Zeilen auf einmal lesen, anstatt für jede Zeile mindestens drei Blicke zu verschwenden.
Stur geradeaus
Der letzte und sehr entscheidende Punkt ist die visuelle Regression. Damit ist das Zurückspringen im Text gemeint. Egal, ob einzelne Wörter, Sätze, Absätze oder ganze Kapitel: Häufig springt man aufgrund von mangelndem Verständnis im Text zurück. Jedoch bringt die visuelle Regression prinzipiell keinen Verständniszugewinn und kostet nur sinnlos Zeit. Der Hauptgrund für das Zurückspringen liegt darin, dass man beim Lesen den Bezug zum Text verliert und sich auf einmal in Gedanken zum Beispiel schon das Mittagessen macht, die Kinder abholt oder die Steuererklärung ausfüllt. Jeder kennt diese Ablenkungen und jeder ist in der Lage sie vollständig auszuschalten. Das lässt sich gut mit dem Autofahren vergleichen. Reflektiere doch mal deine Fahrangewohnheiten. Wenn du zum Beispiel mit 30 durch die Ortschaft fährst, was machst du dann im Auto? Hand aufs Herz wir spielen mit dem Handy, essen etwas oder stellen das Navigationssystem ein. Aber wenn du mit 180 km/h über die Autobahn rast, würde es dir nicht einmal in den Sinn kommen, dich mit solchen Kleinigkeiten zu beschäftigen.
Ähnlich ist das beim Lesen: Sobald du lernst schneller zu lesen, wirst du dem Text die nötige Aufmerksamkeit widmen. Allein schon deshalb, weil dein Gehirn so ausgelastet ist, dass es sich nicht gleichzeitig noch Gedanken über andere Themen machen kann. Damit soll an dieser Stelle auch klargemacht werden, dass der Mythos „Umso langsamer, umso besser“ beim Lesen definitiv nicht gilt. Weder wird man durch langsames Lesen den Text besser verstehen, noch wird man ihn effektiver im Gedächtnis abspeichern.
Fazit
Die gesamte Methode des Speed Readings ist vergleichbar mit einem Werkzeug: Es ist, als hättest du bislang versucht, die Nägel mit deiner Hand in die Wand zu schlagen und das Speed Reading ist der neue Hammer in deiner Hand. Wenn du noch nie einen Hammer in der Hand gehalten hast, wirst du auch nicht wissen, wie man damit umzugehen hat. Werkzeuge sind anfangs eben nicht intuitiv. Das heißt, du benötigst zusätzlich zum Werkzeug „Speed Reading“ einen Plan. Aber auch dafür gebe ich dir im nächsten Artikel die ersten Hinweise. Doch ich kann dir das Ausprobieren nicht abnehmen. Du musst, um im Bilde zu bleiben, selbst basteln und mit dem Werkzeug spielen. Das ist ein kreativer Prozess, der allerdings mit der richtigen Einstellung wirklich Spaß macht. Dein gesamter Alltag ist eine Werkstatt. Also: Do it yourself!
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