Sie wurde Malerin zu einer Zeit, als von Frauen erwartet wurde, dass sie in erster Linie Gattinnen und Mütter wären. Außerdem malte sie sich selbst und andere Frauen auf eine Weise, die die traditionellen Normen der Weiblichkeit durcheinander brachte. Die kurze Biografie einer Malerin, deren Stil bis heute unverwechselbar bleibt, so wie eine Schau von sieben ihrer Werke.
Geboren wurde Paula 1876 in Dresden, zog aber mit 12 Jahren nach Bremen um. Mit Künstlerischem hatte ihre Familie, außer Interesse, nichts zu tun. Sie besuchte mit ihrer Mutter häufig die Veranstaltungen Bremer Künstlervereine und entwickelte eine Leidenschaft zum Zeichnen.
Staatliche Kunstakademien in Deutschland verboten Frauen noch bis 1919 den Zugang. Paula absolvierte auf Wunsch der Familie ein Lehrerinnenseminar und ließ sich privat im Zeichnen unterrichten.
Eine Künstlerin im Werden
Mit 20 Jahren zog Paula Becker nach Berlin mit klarem Ziel: an der Mal- und Zeichenschule des Vereins der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen zu studieren. „Meine beiden freien Vormittage, Freitag und Sonnabend, verbringe ich im Museum“, heißt es in einem Brief vom April 1896.
So kam die angehende Malerin in Kontakt mit internationalen Werken der Gegenwartskunst. Außerdem in Berlin, so wie auf etlichen Reisen, bewunderte Paula die Werke von Leonardo, Rubens, Dürer und Rembrandt. Ein offizielles Studium der Kunstgeschichte ersetzte sie dadurch.
Ein erstickendes Wunderland
Bei einer dieser Reisen hielt sich Paula Becker 1897 in Worpswede auf, damals Sitz einer Künstlerkolonie, wo Gleichgesinnte wohnten oder oft zu Besuch waren, wie die Bildhauerin Clara Westhoff und der Dichter Rainer Maria Rilke. Erst nach einem Jahr schloss sich Becker dieser Künstlergemeinschaft an. Die Gegend beschrieb sie als „ein Wunderland, ein Götterland“, wo sie aber nie die Gleichberechtigung seitens ihrer männlichen Kollegen erfahren würde.
„Nie wird nach ihrer Arbeit gefragt, keiner schätzt sie“, notierte ein paar Jahre später (1902) der Maler Otto Modersohn. Bald wurde Paula Becker alles zu eng. Die Worpsweder seien „nicht zukünftig genug, leben künstlerisch zu sehr im Gewesenen“. Sie duldete die Gleichgültigkeit gegenüber ihren Werken. Doch an eine Reise nach Paris dachte sie ständig. Die Weltstadt der Kunst versprach ihr das ersehnte Zukünftige.
Eine Reise ins neue Jahrhundert
Am Neujahrstag 1900 traf die 23-jährige Paula Becker zum ersten Mal in Paris ein. Sie schrieb: „Ich fühle eine neue Welt in mir erstehen“. Sie begann den Unterricht an der privaten Académie Colarossi, sowie Anatomiestunden an der staatlichen École des Beaux-Arts. Während ihres Aufenthalts in der französischen Hauptstadt besuchte sie zahlreiche Museen, Ausstellungen und Galerien weiter.
Um 1900 stagnierte die Kunst in Deutschland. Deutsche Künstlerinnen und Künstler suchten damals nach Inspiration und Vorbildern in Paris. Vor allem wegen der Einsichten, die das Vergleichen deutscher mit internationaler Kunst in der Stadt bot. Da fühlte Paula Becker, „wie wir in Deutschland noch lange nicht genug losgelöst sind, nicht über den Dingen stehen und noch zu viel an der Vergangenheit kleben“. Nach sechs Monaten kehrte sie zurück nach Worpswede, obwohl dort die „schwere Luft“ sie „traurig“ machte.
Modersohn-Becker
Ende Mai 1901 heirateten die 25-jährige Paula Becker und der 36-jährige Maler Otto Modersohn. Entschieden blieb Paula dabei, selbstständig eine Künstlerin von Rang zu werden: „Dass ich mich verheirate, soll kein Grund sein, dass ich nichts werde.“ Auch nach der Eheschließung reiste sie zwei Mal alleine nach Paris. Auf jeder Reise und aus jedem neuen Kunsterlebnis in der Stadt konkretisierte Paula Modersohn-Becker Folgerungen für ihre eigene Arbeit: motivisch Gewicht ausschließlich auf das Hauptsächliche legen, inhaltlich das Einzigartige der Menschen ans Licht ziehen, die „große Einfachheit“ suchen und keine Rücksicht auf ein mögliches Publikum nehmen.
„Zwischen meinem alten und neuen Leben“
Bereits während des ersten Jahres nach der Hochzeit musste sich Modersohn-Becker eingestehen, im Grunde lebe sie in der Ehe absolut einsam. So zog sie in ihrem 30. Jahr nach Paris um. Der Anlass war die Trennung von ihrem Mann. Sie erhoffte sich ein neues Leben und 1906 arbeitete sie unermüdlich in ihrem Atelier am Boulevard du Montparnasse 49. Hier sollten ihre Hauptwerke entstehen, jedoch motivisch und farblich weiterhin in Worpswede verwurzelt. Paula Becker nahm ihre Motive aus der norddeutschen Provinz mit sich und verwirklichte sie inspiriert in der internationalen Hauptstadt der Kunst.
Gearbeitet hat sie nur für sich, allein der Kunst verpflichtet. Weder in Deutschland noch in Paris fand sie eine angemessene, korrigierende Autorität oder mehrere nachhaltig fördernde Kollegen. Auf äußere Erfolge zählte sie ebenfalls nicht, denn sie verkaufte nur ein paar Gemälde in ihrem Leben. Dennoch schuf sie erstmals in der Kunstgeschichte weibliche Selbstbildnisse als Akte, und einige sogar als Schwangere. Tatsächlich war sie zum Zeitpunkt des unten aufgeführten Bildes nicht schwanger, folglich ist der dargestellte Zustand symbolisch gemeint. „Ihr sollt sehen jetzt in der Freiheit wird etwas aus mir“
Die letzte Rückkehr
In ihren 13 Pariser Monaten entstanden etwa 80 Gemälde, größtenteils Figurenbilder. Paula Becker wurde damals weiterhin von Otto Modersohn finanziell unterstützt, auch gelegentlich von ihrer Schwester Milly. „Ich habe diesen Sommer gemerkt, dass ich nicht die Frau bin alleine zu stehn“, schrieb sie schließlich im November 1906, als Otto zu Besuch in Paris war und den Winter übrig blieb. Im März 1907 teilte Paula Becker ihrer Mutter mit, sie sei schwanger. Ende dieses Monats kehrten Otto und sie zurück nach Worpswede.
Paula Modersohn-Becker starb am 20. November 1907 an Geburtskomplikationen, zweieinhalb Wochen nachdem sie ihre Tochter Mathilde zur Welt brachte.
Quellen:
Dieser Artikel basiert größtenteils auf dem Buch Paula Modersohn-Becker: Die Malerin, die in die Moderne aufbrach. Der Autor, Uwe M. Schneede, verfügt über tiefe und eindrucksvolle Erkenntnisse über das Leben der deutschen Malerin. Ebenfalls beruht dieser Artikel auf mehreren Besuchen des Paula Modersohn-Becker Museums in der Böttcherstraße in Bremen. Es ist das erste Museum weltweit, das dem Werk einer Malerin gewidmet wurde.
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