Die Demokratische Volksrepublik Nordkorea, wie sich der isolierte Staat selber bezeichnet, hält die Welt mal wieder in Atem. Doch was wissen wir eigentlich über das Regime, das in Pjöngjang seit fast 80 Jahren in derselben Blutlinie regiert? Ein Kommentar.
Die wichtigsten historischen Eckdaten sind den Lesern vielleicht bereits vertraut, trotzdem will ich sie noch einmal kurz zusammenfassen. 1945 kapitulierte das Kaiserreich Japan, das seit 35 Jahren in Korea geherrscht und schreckliche Kriegsverbrechen begangen hatte, worauf die Teilung am 38. Breitengrad zwischen Nord und Süd mit den Schutzmächten Sowjetunion und USA folgte. Die Idee war tatsächlich, einen Konflikt zumindest mittelfristig zu vermeiden, sodass jede der beiden Weltmächte ihren besetzten Teil entsprechend indoktrinieren konnte.
Diese Teilung stand jedoch von Anfang an unter keinem guten Stern, denn während der Süden zu jener Zeit stark um einen wirtschaftlichen Aufstieg kämpfen musste (ja, Seoul war tatsächlich ärmer als Pjöngjang) und somit mehr Zeit in Landarbeit und Farmbetriebe investierte, hatte der Norden aufgrund der strategischen Ausrichtung der Japaner bereits alles: Infrastruktur, Industrie und in allererster Linie schwere Waffen. Die große Ikone Nordkoreas als Gründervater, Kim Il-sung, hatte zudem bereits im Jahr 1946 bei seiner Inauguration als Vorsitzender der Partei der Arbeit Koreas durchklingen lassen, dass eine Zweistaatenlösung nicht akzeptiert würde. Als der Süden 1950 noch immer kein stehendes Heer besaß, kam am 25. Juni desselben Jahres die Quittung: Nordkorea marschierte im Süden ein, der Beginn des dreijährigen Koreakrieges, der das Feindbild zwischen beiden Staaten bis heute am Leben erhält.
Land der Warlords
Dennoch war Nordkorea lange Zeit nicht so stark geeint, wie es die staatliche Propaganda gerne vermitteln würde. Bereits der Befreiungskrieg gegen die japanischen Besatzer wurde nicht von einer großen Armee unter dem Kommando Kim Il-sungs ausgetragen (ginge es nach der heutigen Propaganda, hat er natürlich jeden Japaner höchst persönlich über die Grenzen gejagt). Stattdessen sind dutzende, zum Teil unabhängig voneinander operierende und (mutmaßlich) sogar konkurrierende Partisanengruppen bekannt, die bis 1946 ihre Herrschaftsbereiche auf der Halbinsel absteckten. Was exakt nach der Gründung der Demokratischen Volksrepublik Nordkorea mit ihnen geschah ist nicht 100 prozentig geklärt; dafür aber, dass sich das neue Regime irgendwie mit ihnen befassen und arrangieren musste. Dass das nicht nur zu den Bedingungen Pjöngjangs geschah ist sehr wahrscheinlich, insbesondere nachdem sich die Sowjetunion offiziell bis 1950 aus Nordkorea zurückgezogen hat.
Warum ist das wichtig zu wissen? Bis heute ist über das politische System und die Beantwortung der Frage, wer da eigentlich die Fäden zieht, wenig bekannt. Einige Politikforscher halten es für sehr wahrscheinlich, dass die damaligen Partisanengruppenführer, nennen wir sie vereinfacht Warlords, ihre Macht durch Sitze im Volkskongress und die Besetzung wichtiger politischer Ämter gesichert haben. Das könnte beispielsweise erklären, wieso es im Umland noch nie zu (bekannt gewordenen) Aufständen kam, obwohl seit 1946 viele Waffen im Umlauf gewesen sind und sicherlich nicht jeder den Machtanspruch der Kims anerkannt hat.
Auch die in der Kriminalfachwelt aufkommende Frage, warum seit Beginn der 2000er immer größere Mengen synthetischer Drogen aus Nordkorea über die chinesische Grenze in der Welt verteilt werden, könnte mit einer dezentraleren Machtaufteilung erklärt werden, als es die Kim-Familie nach Außen vermitteln will; insbesondere, da die öffentlich geltenden Gesetze sowohl die Herstellung als auch den Konsum bei Tode verbieten. Es würde auch nichts daran ändern, dass Kim Jong-un über sein Geburtsrecht und die Vorarbeit seines Vaters Kim Jong-il das anerkannte Oberhaupt der Dynastie ist. Gleichzeitig könnte es aber auch erklären, warum die mutmaßliche Ermordung des älteren Bruders Kim Jong-nam – der wegen eines geheimen Trips nach Disneyland in Tokio 2001 bei seinem Vater in Ungnade gefallen und nach Kuala Lumpur ins Exil geflohen war – im Jahr 2017 plötzlich so wichtig wurde, wenn nicht durch ein mögliches Anzweifeln des Herrschaftsanspruches im Volkskongress. Diese mutmaßliche Ermordung des eigentlichen Nachfolgers reiht sich zudem in eine Serie von Hinrichtungen politischer Kader, die in den vergangenen Jahren ihren Lauf nahm. Selbst der südkoreanische Auslandsnachrichtendienst NIS und die militärischen Abschirmdienste fanden das offenbar höchst bemerkenswert.
Dass eben nicht nur Kim Jong-un höchstpersönlich und alleine die Fäden in der Hand hält, sollte mit Blick auf eine diplomatische Lösung stärker in Betracht gezogen werden. Derzeit erstarrt die Weltöffentlichkeit förmlich vor der infantilen, aber leider gefährlichen Rhetorik zwischen Donald Trump und dem Kim-Regime, die zwar irgendwie polarisiert und uns mit dem Finger die grobe Richtung zeigt, wo der Feind steht, nicht aber bei der Frage hilft, wie wir mit der neuen Atommacht eigentlich umgehen sollen.
North Korea – a unified enemy?
The People´s Republic of North Korea, as the dictatorship calls itself, is shocking the world public again. But what do we actually know about the regime in Pyongyang, that has been ruling the country since almost 80 years in the same blood-line?
Certainly, the most important historical data about the conflict on the Korean peninsula are well-known. Nevertheless, I will recall some of them just in case. In 1945 the Japanese empire, that had been ruling over Korea for 35 years and committed terrible war crimes, capitulated after the dropping of two nuclear bombs over Hiroshima and Nagasaki. Soon after, the USA and the Soviet Union divided the former Japanese colony Korea in North and South on the 38th latitude, in order to indoctrinate each part with their own ideology and to prevent an outbreak of war in midterm.
Even though, things did not look good for peace in Korea, as the southern part struggled with its economical reconstruction, whereas the North owned Japan´s former infrastructure, mostly including arms factories. That situation had its background in the strategic orientation of the Japanese army, to keep their bases as close as possible to the front line and near Manchuria. Thus, the North Korean icon Kim Il-Sung implied during his inauguration as the head of the Worker´s Party of Korea in 1946, that a permanent division of the Korean peninsula won´t be accepted. When South Korea had not formed proper self defense forces yet in 1950, things were bound to happen: On 25th of July the North Korean army invaded, which caused the Korean War until 1953 and created images of the enemy to the present time.
Country of warlords
In opposite to the state´s media´s picture, North Korea hadn’t been much unified at the beginning. In fact, during the liberation from the Japanese one army under the command of Kim Il-Sung himself fighting the occupiers, never existed. Instead, we know of dozens of independent partisan militias, that partly even may have acted hostile against each other, while alliances between them and even the Japanese were changing every time. It is commonly unknown what did happen to those militias after the foundation of the People´s Republic of North Korea. Even though, it is very likely that they assimilated in the new regime, which presumably did not happen just to the conditions of the Kim family, especially after the Soviet Union pulled back its forces in 1950.
Why should we take this thought into consideration? In fact, even today we now very little about the political landscape in North Korea and about who actually rules it. Certainly, the Kim family does represent the power in North Korea and partakes it. But there is a theory, according to which the former militias laid down their arms in exchange of dedicated seats in the People´s Congress as well as for important political functions. It might explain, why there haven´t been any armed riots after the seizure of power by Kim Il-Sung in 1946, even though it is likely that not everybody agreed his inauguration.
Especially in criminology, experts raised the question about the increasing number of synthetic drugs from North Korea that are smuggled to China, even being sold in Europe. One possible explanation could be a more decentralized regime in Pyongyang than the Kim family tries to present in the state media; especially, since the production and consumption of drugs is officially forbidden by death penalty. It wouldn´t even change the fact that current leader Kim Jong-Un is the acknowledged head of the state, as his own family might take advantage of those drug incomes as well. On the other hand, him not owning the ultimate power would explain why he insisted in assassinating his elder brother Kim Jong-Nam in Kuala Lumpur in 2017 – who was living there in exile after he tried to sneak in Tokyo Disneyland with a forged passport in 2001 –, unless he did not pose a risk to the heir of the Kim dynasty. This assassination enqueued in a sequence of events, in which several high ranked officials, including Kim Jong-Uns uncle, were executed. Apparently, even the South Korean intelligence service NIS judged it as quite remarkable.
Since there could be the possibility of Kim Jong-Un not owning total power over North Korea, the UN and especially the USA should take more diplomatic options into consideration. Currently, the world public freezes in fright of Donald Trump´s and Kim Jong-Un´s martial choice of words. But on the contrary, we should try to think about how to make democracy attractive to the whole regime in North Korea.
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