Manchmal sind es nur wenige Worte, ein kleines Zitat, ein Gedicht oder ein Aphorismus, die uns unbegrenzte Gedankenwelten eröffnen. Kleine Impulse lassen unsere Gedanken fliegen. Also Starthilfe gefällig?! Dann weiterlesen!
„Die feinste List besteht darin, unverdächtig in die Falle zu gehen, die einem gestellt wird.“
Dieses kleine Zitat des französischen Moralisten La Rochefoucauld (1613-1680) kommt in seinen aphoristischen Texten so unscheinbar daher, dass man das Geschenk, welches sich hinter der minimalistischen Verpackung verbirgt, nur allzu schnell übersieht. Für mich drückt der Satz ein ganzes Lebensgefühl aus. Denn als Student der Fächer Soziologie und Psychologie könnte ich versuchen, alles und jeden mit jeweiligen Modellen zu reflektieren. Ja, ich könnte, aber was würde mir dann schon noch bleiben? Überlegenheitsgefühle, wissenschaftliche Arroganz und Narzissmus haben bekanntlich eine sehr geringe Halbwertszeit und sind schon bald zu innerer Leere, Szientismus und Leidenschaftslosigkeit verfallen.
Und so weiß ich zwar, dass die Bedienung bei meinem Lieblingsitaliener nur auf höheres Trinkgeld aus ist, wenn sie mir die Hand auf die Schulter legt, aber dennoch schmunzle ich dann nur und gebe ihr gerne ein wenig mehr für ihren durchdachten Service. Ähnliches gilt für so manches Verkaufsgespräch, die kleine Überraschungsparty, welche meine Freunde für mich organisieren oder auch die netten Geschichten, bei welchen eigentlich der Handlungsverlauf schon von Anfang an völlig transparent ist. Auch wenn ich das eigene Wissen als Strategie gegen diese kleinen „Fallen“ des Alltags einsetzen könnte, unterlasse ich dies ganz bewusst. Ich versetze mich somit bewusst in eine Form der „sekundären“ Naivität, die einem die Freude an den kleinen Dingen des Lebens nicht vermiest.
„Niemals ist man so glücklich oder so unglücklich, wie man glaubt.“
Selbst Gefühle folgen diesem Spiel zwischen Naivität und Gegenstrategie. Egal, ob ich in einer kleinen Depression den Unglücklichen spiele, indem ich entsprechende Musik auflege, die „richtigen“ Filme schaue und mich mit Schokolade vollstopfe, oder gegenteiliges tue, weil ich gerade so etwas wie „Liebe“ empfinde. Immer kehre ich mein Inneres nach Außen und spiele es mir selbst vor. Und in beiden Fällen scheint es uns eine gewisse Befriedigung zu bereiten, wenn wir uns konsistent geben. Es ist also vielleicht vor allem eine List, in die selbst gebauten Fallen zu tappen. Ja und wenn ich auch noch die Liebe als ständige Selbstüberzeugung ansehe, dann wirft sich schon bald ein Abgrund auf, der in einer Abwärtsspirale der Gegensätze Rationalität und Gefühlsinszenierung endet. Denn hast du schon mal versucht, Buch über die Intensität des Bauchgrummelns zu führen, welches du bisher einfach als „Schmetterlinge“ interpretiert hast? Oder hast du ganz genau bedacht, welche Geschenke dir dein Partner macht, bevor er dich um etwas bitten wird? Und sowieso sollte man alle Tricks der Pick-Up-Profis kennen, damit man bloß nicht am Ende noch selbst verführt wird. Denn Selbstbestimmung und die Fiktion des freien Willens sind hohe Werte in der westlichen Welt, die es mit Kalkül und Rationalität zu verteidigen gilt.
Doch jede Rationalisierung eines Gegenstandes stellt zugleich eine Distanzierung von diesem dar. Aber manches Mal wollen wir vielleicht auch selbst einmal in unserer Menschlichkeit so etwas wie unbedingte Nähe spüren, uns spontan auf ein Abenteuer einlassen oder ein Geheimnis einfach mal nicht lüften. Dafür müssen wir uns wieder auf die Stärke der Naivität rückbesinnen. Denn das Vergnügen der Liebe, wie auch der Leidenschaft, liegt nur in einer solchen, die man selbst empfindet und nicht in jener, die man bloß erregt. Also leb „romantisch“ und sei gewiss: Die schönen dummen Dinge sind eben nicht für die Dummen da.
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